Basler Zeitung vom 03.12.2010
Felix Wendelspiess gehört zu den treusten FCB-Anhängern aller Zeiten
Manuel Bertschi
Der FC Basel hat viele Sympathisanten. Felix Wendelspiess aus Wegenstetten (AG) ist einer von ihnen. Doch wie der 62-Jährige «seinen» Verein unterstützt, ist einzigartig.
Lässt sich der ideale FCB-Fan definieren? Gibt es ihn überhaupt? Beide Fragen sind zu bejahen, wenn mit Felix Wendelspiess über sein Lieblingsthema, natürlich den FC Basel, gesprochen wird. Dabei sprudeln seine Worte, Geschichten oder Erlebnisse so eilig aus seinem Mund, dass er beinahe nach jedem Satz ein dreifaches «und» von sich gibt. Felix – und so nennen ihn alle, weil eigentlich niemand seinen Familiennamen kennt – ist FCB-Anhänger seit 1965 und mittlerweile zu einem wirklichen Original der Fussballszene herangewachsen.
Den pensionierten Kaufmann sieht man nie ohne Hemd samt rotblauer Krawatte. Acht Stück habe er davon, «mein Umfeld nennt mich deswegen schon «Herr Direktor». Als er noch bei seinen Eltern auf dem Bauernhof mitgeholfen hatte, zog er sich die edle Kleidung jeweils nach getaner Arbeit an. Selbstverständlich trug er sie auch im Büro, in der Novartis, bei der er 25 Jahre Angestellter war. Dort haben sie ihm zum 60. Geburtstag die Frühpensionierung nahegelegt, Felix willigte ein und vertiefte sein Interesse für den FC Basel noch stärker. Das äussert sich heute nicht bloss in der Kleidung. Seine ganze Wohnung ist übersät mit rotblauen Artikeln. Poster, Fahnen, Uhren, Gardinen, Bettanzüge, Fussabtreter vor jedem Zimmer. Das FCB-Logo hat er sogar auf einen 18-karätigen Goldring drucken lassen.
Immer beten. Doch materielle Dinge allein hieven den begeisterten Kirchenchorsänger nicht aufs Podest der grössten Basel-Verehrer. Es ist seine liebevolle Vorbereitung auf und die Nachbereitung der Fussballspiele, die ihn von anderen abhebt. So betet der gläubige Christ vor, während und nach jeder Partie, trällert ein Jodel-Ständchen, wenn den Rotblauen ein Tor gelingt und steht applaudierend auf bei sämtlichen Auswechslungen – ebenso bei jenen des Gegners. Auch das gehört zur Vorstellung eines Vorzeigefans. Als der FCB am bedeutungsschweren 13. Mai 2006 die Meisterschaft in allerletzter Sekunde verspielte, fiel Felix in ein mehrwöchiges Tief, hatte schlaflose Nächte und musste weinen, Tag für Tag. Und fast klingt es so, als schlummere in Felix die Seele des FC Basel. «Ich glaube, dass ich mit meiner Unterstützung dem FCB wirklich helfen kann», sagt er.
immer der knecht. Seine Erklärungen sind einfach – bewusst einfach. Denn der Zweitälteste von sieben Bauernkindern geht Konflikten aus dem Weg, würde sich nie kritisch zu seinem Verein oder dem eigenen Lebensinhalt äussern. Bis zum Tod seiner Eltern hat der heute 62-Jährige auf dem eigenen Bauernhof gelebt und nach der Büroarbeit auch auf dem Feld geackert. Es ging teilweise so weit, dass er die Mutter um Erlaubnis fragen musste, wenn er ein Fussballspiel sehen wollte. «Ich blieb immer der Knecht, unabhängig vom Alter», gibt er zu. Eine Partnerin hatte er nie an seiner Seite. Er redete sich ein, Priester zu werden, doch dafür fehlte der absolute Wille.
Seine Vereinstreue basiert also auf einem speziellen Hintergrund und wurde nicht durch ein Erlebnis auf dem Rasen hervorgerufen. Wendelspiess besuchte indessen dermas-sen viele Spiele, dass er sich an seinen ersten Stadioneintritt nicht mehr erinnern mag. Dafür umso mehr an einen Juni-Nachmittag 1972, als Basel vor 55 000 Zuschauern den FCZ 4:0 bezwang und vorzeitig Meister wurde.
An besagtem Tag musste Felix in Zürich einen Kurs besuchen, den Match hätte er verpasst. Ein Freund aber erlöste ihn überraschenderweise und chauffierte ihn an den Zürcher Flughafen, wo Felix schliesslich für 52 Franken nach Basel an den Match geflogen wurde.
in der FCB-Loge. Von solchen Anekdoten hätte Felix gerne dem FCB-Vorstand berichtet und beinahe wäre es dazu gekommen. Zum 60. Geburtstag wollte er Oeri, Heusler & Co zum Nachtessen einladen. Die Präsidentin musste ihn aber mit den Worten vertrösten, dass es praktisch ein Ding der Unmöglichkeit sei, den ganzen Vorstand an einen Tisch zu bekommen.
Also lud der FCB kurzerhand den treuen Fan in die VIP-Loge ein – im November 2008, als der FC Sion zu Gast war. Wendelspiess erinnert sich: «Auch wenn die Hohen des FCB damals für mich kaum Zeit fanden, war es ein wunderbares Erlebnis.» Seither duzt er die Verantwortlichen des FC Basel, abgesehen von Frau Gigi Oeri, da fehle ihm schlicht der Mut.