Presseschau

Basler Zeitung vom 08.02.2011

Symbolfigur wider Willen

Sechs Titel hat Reto Zanni mit Basel gewonnen – jetzt verabschiedet er sich nach Vaduz

Florian Raz

Reto Zanni zieht die Konsequenzen aus seinem schlechten Standing bei Trainer Thorsten Fink und verlässt den FC Basel sofort in Richtung Challenge League. Kaum ein Spieler hat in Basel in den letzten Jahren so polarisiert wie der bald 31-jährige Zanni. Wieso eigentlich?

Eigentlich ist es gegen jede Vernunft. Ausgerechnet in der Stadt, in der ein rechter Aussenverteidiger Kultstatus erreicht hat, weil er das Tor nicht traf und ausserdem ein ehrlicher Arbeiter war, wurde ein rechter Aussenverteidiger zur Reizfigur, der selten das Tor trifft und dazu noch ein ehrlicher Arbeiter ist. Ob es Reto Zanni geholfen hätte, wäre er wie Massimo Ceccaroni in Basel aufgewachsen und nicht in der Innerschweiz? Wohl kaum. Viel wahrscheinlicher ist, dass an den beiden Abwehrspielern die Wandlung des FC Basel abgelesen werden kann.

Als Ceccaroni die rechte Seite auf und ab wetzte, waren die Fans froh, wenn das Team überhaupt in der Nationalliga A spielte. Als aber Zanni im Januar 2005 nach Basel kam, war der FCB zum führenden Verein der Schweiz geworden. Seither ist die Champions League das Mass aller Dinge. Und zum Anspruch auf Champagner-Fussball wollte dieser ruhige, zurückhaltende Zanni nie so richtig passen, der für eine Ablöse von 150 000 Franken vom FC Thun geholt worden war und hinten rechts keine Pirouetten drehte.

Die Degen-Sicherung. Dass sich an ihm dereinst die Gemüter erhitzen sollten, war in seinem ersten Halbjahr beim FCB nicht abzusehen. Zanni spielte mit Erfolg im rechten Mittelfeld das defensive Gewissen für den stürmenden Verteidiger Philipp Degen und gewann seinen ersten von drei Meistertiteln mit den Rotblauen. Dazu kamen bis zu seinem gestrigen Abgang nach Vaduz in sechs Jahren drei Cupsiege und zwei Teilnahmen an der Gruppenphase der Champions League.

Am Erfolg kann es also nicht gelegen haben, dass mit der Zeit die Unruhe im Publikum schon fast mit Händen greifbar war, wenn Zanni den Ball führte. Und am persönlichen Auftritt des Innerschweizers auch nicht, der mit seiner stillen Art ein eigentlicher Anti-Hakan-Yakin ist, frei von Allüren oder Eskapaden, aber eben auch von Glanz und Glamour.

Doch was bei Ceccaroni noch als Naturgesetz hingenommen und dankbar für Running Gags verwendet worden war, wurde Zanni nicht verziehen: Jede Flanke hinters Tor liess den Unmut wachsen. Seine Assists wurden dagegen kaum wahrgenommen – und schon gar nicht seine Qualität, als Rechtsfüsser konsequent auch mit dem linken Fuss zu flanken.

Beklagt hat sich Zanni über die zum Teil offene Ablehnung, die ihm entgegenschlug, nie. Das hätte nicht seinem Naturell entsprochen. Aber kalt liess ihn die Situation auch nicht. Das belegt eine kleine Szene aus einem Cupmatch gegen einen Zweitligisten. Als die Basler im August 2006 im Cup auf den FC Liestal trafen, nannten die Liestaler im Abschlusstraining jene Spieler, denen etwas missriet, «du Zanni». Der «Blick» machte daraus eine Geschichte, und als Zanni im Spiel die Flanke zum 1:0 schlug, drehte er sich demonstrativ zur Liestaler Bank und ballte die Fäuste.

Spätestens im Sommer 2006 war der Abwehrspieler zum Verteidiger seiner selbst geworden. Vielleicht wurde er deswegen neben dem Spielfeld noch ein bisschen unscheinbarer, noch defensiver im Auftritt. Auch innerhalb der Mannschaft nahm er kaum Einfluss. Zwar half er Kollegen mit Eheproblemen, die in seiner Wohnung in Muttenz übernachten durften; Zanni ist längst zu Frau, Freunden und Familie in die Innerschweiz gezogen. Doch zu einem Wortführer wurde er nie – obwohl er am Ende zu den Dienstältesten im FCB-Dress gehörte.

In Interviews wirkt Zanni sowieso immer, als sei das erste Ziel, nur ja nichts zu sagen, das anecken könnte. Stets auf der Hut vor möglichen Angriffen und Fallstricken. Dabei ist er keiner, der die Verantwortung scheut. Als sich Alberto Regazzoni 2006 in 90 Minuten gegen Zanni zum Nationalspieler gedribbelt hatte, versteckte sich der Verteidiger nicht. Wo sich andere hinter Handy und iPod verschanzt an der Presse vorbeigedrückt hätten, stand er hin und übte gnadenlose Selbstkritik: «Ich bin von mir selbst enttäuscht.»

Grosse Treue. Wahrscheinlich gab es nur einen in Basel, an dem die Diskussionen um Reto Zanni komplett spurlos vorübergingen: Christian Gross. Er hatte Zanni als FCB-Trainer nach Basel geholt und er hielt seinem damaligen Wunschspieler bis zu seinem Abgang im Sommer 2009 die Treue.

Für Zanni war diese Rückendeckung erst Segen und am Ende wohl Fluch. Als beim Trainer stets unbestrittener Stammspieler nämlich gelang es ihm zwischenzeitlich, die Gunst des Publikums zu gewinnen. 2007 war ein gutes Jahr mit vielen guten Spielen. Und aus Zanni war plötzlich der «Fussballgott» geworden. Ein Kosename, der von den Fans nur an jene Spieler vergeben wird, die ihre Defizite mit grossem Herzen wettmachen. Im Winter 2008 klopften gar Clubs aus England und der Bundesliga bei Zanni an.

Doch als sich die Ära Gross ihrem Ende zuneigte und der Trainer und der Fussball, den er spielen liess, immer verkrampfter wirkten, wendete sich das Blatt erneut. Nun galt Zanni, der nie etwas anderes tun wollte, als seinen Job zu erledigen, als Symbolfigur für das inzwischen ungeliebte System Gross. Das Relikt einer vergangenen Epoche.

Sein gestriger Abschied nach 235 Wettbewerbsspielen für den FCB konnte so nicht mehr überraschen. Unter Thorsten Fink war Zanni nie erste Wahl gewesen, auch wenn der FCB-Trainer sagt: «Ich kann nur Positives über ihn sagen. Er ist ein Vorzeigeprofi.» Doch ins Spiel des Deutschen hat Reto Zanni nicht gepasst. Er führt seine Karriere nun beim FC Vaduz fort. Gut möglich, dass es bald ein Wiedersehen gibt. Die Liechtensteiner sind Leader der Challenge League.

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