Presseschau

Basler Zeitung vom 03.03.2011

Der Skandal auf der Gurzelen

Biel gegen Basel gab es vor 44 Jahren zwe imal in einer aussergewöhnlichen Cupsaison

Christoph Kieslich

Ein Schlag auf den Hinterkopf von Karl Odermatt in Biel, 50 000 im Joggeli beim Halbfinal gegen Lugano und das Sitzstreik-Endspiel von Bern – der Cupfrühling 1967 hatte allerhand zu bieten.

Der Angriff kam von hinten. Von einem Fussballschuh getroffen sank Karl Odermatt nieder und verlor kurz das Bewusstsein. Aus einer Platzwunde am Hinterkopf floss Blut, und die Cuppartie FC Biel gegen den FC Basel hatte ein Nachspiel.

Karl Odermatt erinnert sich lebhaft an den Abend des 8. März 1967. Der Viertelfinal in Basel hatte 2:2 unentschieden geendet, und nach dem damaligen Modus war ein Wiederholungsspiel nötig. In Biel, seinerzeit wie der FC Basel etabliert in der Nationalliga A, lockte die Affiche 12 000 Menschen ins Stadion Gurzelen. Es herrschte eine knisternde Atmosphäre, und in dem kleinen Stadion war knapp eine Stunde gespielt, als Schiedsrichter Karl Göppel beim Stand von 1:1 auf Foul an Odermatt pfiff. Noch während die Bieler Spieler mit dem Referee diskutierten, führte Odermatt den Freistoss aus, und auf Flanke von Peter Wenger erzielte Roberto Frigerio per Kopf das 1:2.

Es war die Entscheidung, und die Bieler hatten sich nach Spielschluss noch nicht beruhigt über Odermatts rasche Spielfortsetzung. Noch 44 Jahre danach rechtfertigt sich die Basler Fussballikone: «Ich habe einfach schneller reagiert. Das war halt schlau.»

Tumult nach Abpfiff. Später, beim Schuhe putzen vor den Garderoben, so schildern es noch heute Augenzeugen, kam es zu Handgreiflichkeiten zwischen Odermatt und dem Bieler André Gnägi. Markus Rosset, damals Ersatztorhüter bei den Bielern hinter Werner Tschannen, will sich auch daran erinnern, dass Odermatt Gnägi eine runtergehauen hat. Jedenfalls nahm der zornige Rosset – «wohl noch etwas müde vom WK», wie er heute sagt – seinen Schuh und schlug zu. Das tat weh, weil auf den Kickstiefeln für den tiefen Boden auf der Gurzelen die langen Zapfen aufgezogen waren.

Schiedsrichter Göppel hatte von dem Tumult im Kabinengang nichts mitbekommen, dafür aber Franz Baur, der als junger Journalist für die National Zeitung, einer der Vorläuferinnen der BaZ, in Biel war. In der 5-Uhr-Morgenausgabe berichtete er unter dem Titel «Skandal nach Cupspiel!» von der hart geführten Partie, von einem Platzwart, der die Basler Bank während des Spiels belästigte, von einem fanatischen Zuschauer, der nach Abpfiff dem FCB-Spieler Toni Schnyder an den Kragen wollte. Und eben von einem Fussballschuh, der «bewusst hinterlistig» auf dem Hinterkopf von Odermatt landete. Namen nannte der Chronist keine, hob aber den moralischen Zeigefinger und verurteilt die Vorkommnisse «aufs Schärfste».

Mit dem Zeitungsartikel von Baur, heute 69-jährig und noch immer bekannt als Kommentator für Radio DRS, kam der Fall ins Rollen. Der Fussballverband ermittelte den Übeltäter, lud Odermatt und Rosset zur Verhandlung nach Olten ins Bahnhofsbuffet sowie Baur als Zeugen. Rosset wurde zu fünf Spielen Sperre verdonnert, aus denen in der Berufung drei wurden.

Bei Odermatt hat sich Rosset entschuldigt, «und wenn wir uns heute ab und zu mal sehen», sagt Rosset, «dann können wir über diese längst abgehakte Sache lachen.»

Grosser Tag im Joggeli. Die Cupsaison 1967 ging für den FCB nach Biel weiter. Und wie. Vor 22 000 Zuschauern im Cornaredo von Lugano flogen die Fetzen. Tony Schnyder, erzählt Odermatt, sei in der Halbzeitpause in den Hintern getreten worden und konnte nicht weiter spielen. Der FCB setzte den Halbfinal unter Protest fort, und weil FCB-Goalie Marcel Kunz einen grossartigen Tag hatte, fielen keine Tore. Wieder musste ein Wiederholungsspiel entscheiden.

Für den FCB war es nach dem Umzug vom Landhof das erste grosse, bedeutende Spiel im St.-Jakob-Park. 50 000 Zuschauer kamen am Abend des 12. April 1967 ins Joggeli, und sahen «ein Sportereignis, das in Erinnerung bleibt», wie Peter Vogel in der National Zeitung schrieb. Der herausragende, damals gerade 24-jährige Odermatt erzielte die Führung mit einer Direktabnahme, der legendäre Otto Luttrop schmetterte einen Freistoss zum Ausgleich der Luganesi ins Tor, und Spielertrainer Helmut Benthaus, der sich zur Halbzeit selbst eingewechselt hatte, besorgte den Siegtreffer. Der FCB stand zum sechsten Mal in einem Cupfinal. Und in dem kam es noch bunter.

DEr Sitzstreik. Entschieden wurde das Endspiel gegen Lausanne-Sports durch den berühmtesten Sitzstreik im Schweizer Fussball. Noch heute streiten sich die Gelehrten, ob es ein Foul an Helmut Hauser oder eine Schwalbe war, die der Schiedsrichter – Karl Göppel – kurz vor Ende der Partie als Penalty wertete. Hauser verwandelte ungerührt zum 2:1, und die Weil die Lausanne-Spieler sich weigerten, weiterzuspielen und in einen Sitzstreik traten, kam es später zur 3:0-Forfaitniederlage. «Es ist verrückt», sagt Odermatt, «was damals alles passiert ist.»

Weisse Weste gegen Biel

GC ist der häufigste Gegner. Neun Mal wurde der FC Basel in der Geschichte des Schweizer Cups seit 1925 gegen den FC Biel ausgelost – und neun Mal setzten sich die Basler durch. Gegen keinen anderen Verein hat der FCB eine bessere Bilanz. Fünfmal traf er seit 1934 auf den FC Chiasso und blieb auch gegen die Tessiner ungeschlagen, zuletzt 1974. Am häufigsten hat der FCB mit den Grasshoppers, dem Rekord-Cupsieger (18 Titel), die Klingen gekreuzt. 17-mal ging es gegen GC, wobei der FCB in 10 Partien das bessere Ende für sich hatte. Dahinter folgen 16 Begegnungen mit dem FCZ (9 Basler Siege), Lausanne (15/11), den Young Boys (14/10) und Servette Genf (11/4). Neun Mal ging es neben Biel gegen die beiden Tessiner Vereine Lugano (7 Siege) und Bellinzona (8) sowie den Lokalrivalen FC Concordia (6). Zehnmal hat der FCB den Cup gewonnen, fünfmal in den letzten neun Jahren und zuletzt im Mai 2010 im Endspiel von Basel gegen den FC Lausanne-Sport (6:0). Der FC Biel schaffte es einmal in den Final, unterlag 1961 aber La Chaux-de-Fonds (0:1). cok

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