Presseschau

Basler Zeitung vom 07.05.2011

Die Geldmaschine

Der FC Basel und die Risiken und Nebenwirkungen seines Erfolgs

christoph kieslich

Einen Umsatz von 57,5 Millionen Franken hat die FC Basel 1893 AG im Jahr 2010 erzielt. Hängen geblieben ist allerdings so gut wie nichts. Vor allem, weil die Ausgaben stetig steigen, im Berichtsjahr kein Transferüberschuss erzielt werden konnte und die grossen Einnahmen aus der Champions League mit einem schlechten Euro-Kurs für den Schweizer Meister überwiesen wurden.

In wenigen Wochen hat sich die Stimmungslage bei Mathieu Jaus verschoben. Weil aus dem Sieben-Punkte-Vorsprung ein Zwei-Punkte-Rückstand auf den FC Zürich geworden ist, hat sich ein ganz sachlicher Betrachtungswinkel der Zukunftsperspektiven wieder in eine emotionale Beurteilung verwandelt. Jetzt, wo klar ist, dass der Schweizer Meister die vorerst einmalige Gelegenheit hat, direkt in die Gruppenphase der Champions League zu rutschen und damit spätestens am 25. Mai schon die Garantie hätte, an die Millionen-Pipeline der Uefa angeschlossen zu sein, steigt das Fieber bei Mathieu Jaus wieder.

Der Finanzchef des FC Basel hilft sich mit einem bisschen Humor: Als «schreiende Ungerechtigkeit» empfände er, schnappte jemand anderer dem FCB diesen Platz an der Sonne vor der Nase weg. Weil es doch vornehmlich die Punkte sind, die der FC Basel in den zurückliegenden Jahren fürs Uefa-Ranking angesammelt hat.

Es ist die enorme Planungssicherheit, die noch nie ein Schweizer Club geniessen durfte, die diesen Meistertitel besonders attraktiv macht. Keine Qualifikation mit all ihren Unwägbarkeiten ist nötig, der Einstieg in die neue Super-League-Saison kann anders geplant und bei Transferverhandlungen einem Spieler versprochen werden, dass sein erstes internationales Spiel Anfang September in der Champions League stattfindet.

Mit rund 20 Millionen Einnahmen rechnen zu können, das wäre, so Jaus, «ein Quantensprung», verglichen nur allein mit der Situation im Sommer 2006, nach den Ausschreitungen vom 13. Mai, den Geisterspielen, den finanziellen Einbussen und den vielen Unwägbarkeiten, die jenes Jahr prägten.

Es gibt jedoch auch eine Kehrseite beim Ringen um Platz 1 im Schweizer Fussball und ein Plätzchen auf internationaler Bühne. Im Geschäftsbericht für das Jahr 2010, der den rund 3500 Mitgliedern vor der 117. Generalversammlung am Montag vorliegt, weist der FCB einen Umsatz von 57 537 400 Franken aus. Das ist der zweithöchste Ertrag nach dem Rekordjahr 2008, als – ebenfalls mit der Champions League – 60 Millionen umgesetzt wurden und ein Gewinn von knapp einer Million resultierte.

Zu wenig gewinn. Die Zahlen machen Jaus stolz auf seinen Verein: «Sie zeigen, welches Geld die Unternehmung FC Basel generiert.» Sportlich betrachtet hat der FCB 2010 alle erreichbaren Ziele verwirklicht: Meister, Cup-Sieger und Champions-League-Teilnahme. Nach dem Rekordergebnis 2008 und dem schlechten Jahr 2009 (Einnahmen: 45,5 Millionen, Ausgaben: 57 Millionen), als es vor allem die Millionen von Präsidentin Gigi Oeri und ihrer FC Basel Holding AG waren, die ein Zehn-Millionen-Loch stopften, hat der FCB wieder ein Jahr hinter sich, das Jaus «exzellent» nennt. Allerdings sagt er auch kritisch: «Es bleibt kein substanzieller Betrag übrig. 200 000 Franken Gewinn sind zu wenig.»

Gross abgeschöpft hat die Organisation FC Basel auch in den vergangenen Jahren nicht, Polster in nennenswertem Umfang konnten seit 2003, als nach der Premiere in der Champions League 7,3 Millionen Franken hängen blieben, nie mehr geschaffen werden. Vorderhand haben 2010 zwei Faktoren dazu geführt: Da keine grossen Einnahmen durch Spielerverkäufe in die Buchhaltung eingingen, beeinträchtigen die Transferbilanz vor allem reguläre Abschreibungen auf die Spielerwerte in Höhe von 5,7 Millionen. Zudem schlug der tiefe Kurs des Euro negativ zu Buche. In dieser Währung bezahlt die Uefa ihre Champions-League-Prämien. Drei bis vier Millionen Franken, so Jaus, sind dem FC Basel so flöten gegangen.

steigende Personalkosten. Signifikant bleibt ausserdem, dass die Geldmaschine FC Basel nicht nur schweizweit unvergleichliche Einnahmen erzielt, sondern auch die höchsten Kosten verursacht. Und das in steter Aufwärtsentwicklung. Zwar ist es gelungen, sich von einigen teuren Spielern zu trennen, die nur zweite Wahl waren (Perovic, Eduardo, Marque, Gjasula, Rubio und zuletzt Zanni). Damit konnten, wie es beim FCB einmal hiess, «Schattenkosten» reduziert werden. Doch eine erfolgreiche Saison wie die letzte kostet auch immens viel, weil dann die leistungsbezogenen Komponenten in den Spielerverträgen zum Tragen kommen.

Insgesamt weist der FC Basel für vergangenes Jahr 31,3 Millionen Franken an Personalkosten aus. Auch das ein Rekordwert. Im Vergleich zum Stand vom 31. Dezember 2008, als der FCB 129 Angestellte beschäftigte, stieg auch diese Zahl 2010 auf den Höchstwert von 168 Mitarbeitern. Mathieu Jaus erklärt dies mit der enorm gestiegenen Zahl vielversprechender Nachwuchsspieler, die bereits mit einem Vertrag ausgestattet sind. Samt Lohnnebenkosten kämen da pro Spieler schnell 80 000 bis 100 000 Franken im Jahr zusammen. Während im Spielbetrieb der ersten Mannschaft die Anzahl der Angestellten ungefähr gleich geblieben ist (50), sind im Leistungsbereich der Nachwuchsausbildung inzwischen 56 Amateurspieler mit Vertrag (2009: 50; 2008: 20)

Mit der Strategie, in diesem Bereich mehr zu investieren und eine steigende Zahl hoffungsvoller Talente längerfristig zu binden, gewährleistet der FCB auch, dass er Zugriff auf die Perlen seiner Ausbildungsarbeit behält. Es sind imaginäre Werte, die in keine Bilanz einfliessen. Genauso wenig wie die Millionen, mit denen über eine Stiftung der Campus gebaut wird und den Jaus als «sinnstiftend für den ganzen Verein» und als «Leuchtturm» der Nachwuchsarbeit bezeichnet.

Ebenso wenig, weil bilanztechnisch gar nicht zulässig, bildet der FC Basel den Wert seines aktuellen Kaders ab. Der Ökonom und selbstständige Wirtschaftsprüfer Jaus rechnet das so vor: Würde ein Investor den FCB übernehmen wollen, müsste der für diese Spieler rund 35 Millionen Franken in die Hand nehmen.

sklave des erfolgs. Von einer Reduzierung der Personalkosten, wie sie von Vizepräsident Bernhard Heusler und seinem Finanzchef in den letzten Jahren mehrfach angemahnt und als Ziel gesetzt wurde, ist der FCB weiter entfernt denn je. Es zeigt sich auch in dieser Hinsicht, dass der FCB, wenn nicht Opfer, so doch mindestens Sklave des eigenen Erfolgs ist. Ein Effekt, den übrigens auch der FC Zürich nach der Champions-League-Teilnahme 2009 zu spüren bekam. Kolportiert werden an der Limmat Verluste für 2010 zwischen acht und neun Millionen Franken, die Präsident Ancillo Canepa am 31. Mai bei der Hauptversammlung wird präsentieren müssen.

In Zürich wie in Basel gilt, was Gigi Oeri in ihrem Jahresbericht festhält: «Es ist nicht übertrieben festzuhalten, dass der FC Basel mit den für den sportlichen Erfolg notwendigen Strukturen und den Kosten im St.-Jakob-Park dazu verdammt ist, in regelmässigen Abständen ausserordentliche Einnahmen durch Transfers oder die Champions League zu generieren.» Der «schmale Grat», den die Präsidentin beschreibt, die riskante Vorwärtsstrategie des FCB, wäre ohne Gigi Oeri und ihr Vermögen, ihr Bekenntnis zum Club, nicht denkbar.

Die Rechnung für 2011 könnte jedoch schon ein ganz anderes Bild abgeben. Die Teilnahme an der Champions League vorausgesetzt – im schlechteren Fall als Zweiter der Meisterschaft über den Umweg der Qualifikation – sind neben diesen Einnahme bereits sechs bis sieben Millionen Franken für den Wechsel Samuel Inkooms im Januar in der Kasse. Kommt nur ein weiterer Transfer hinzu – und entwickelt sich der Euro-Kurs nicht negativ –, könnte Mathieu Jaus am Ende dieses Jahres seine wahre Freude haben.

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