Presseschau

Der Sonntag vom 22.05.2011

Endet Jahrzehnt der Argentinier?

Für morgen hat Franco Costanzo eine Pressekonferenz einberufen, um über seine Zukunft zu informieren

Von Georges Küng

Fünf Saisons lang war der bei den Anhängern beliebte und charismatische Argentinier der Torhüter des FC Basel. In den drei letzten Jahren war Franco Costanzo auch Teamcaptain.

Seitdem der FC Basel am 13. April 2011 offiziell mitgeteilt hat, dass der am 30.Juni 2011 auslaufende Vertrag mit Franco Costanzo nicht mehr verlängert wird, sieht man im St.-Jakob-Park bei denFCB-Heimspielen ein Transparent in den argentinischen Landesfarben Hellblau-Weiss von der Haupttribüne wehen. Darauf steht «Franco Costanzo – Las manos de Díos» – die Hände Gottes. Ob der Torhüter die Bälle tatsächlich mit der Hilfe von oben hält, wie einst sein LandsmannDiego Maradona ein Tor gegen England an der WM 1986 mit der «Hand Gottes» erzielt hatte, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass der «Gaucho» ein starker, wenn auch sehr teurer Rückhalt ist – war.Den Beschluss, den Kontrakt mit dem 30-jährigen Argentinier nicht mehr zu verlängern, hatte die Klubleitung übrigens bereits im Januar 2010 gefällt.

Die allgemeine Neugier ist nun ebenso gross wie die medialen Spekulationen, bei welchem Verein der FCB-Captain in den kommenden Spielzeiten unter Vertrag stehen wird. Der Boulevard bringt Schalke 04, den SV Werder Bremen oder Udinese Calcio ins Spiel. Costanzo hatin seiner bisherigen Laufbahn stets «unkonventionelle Entscheide» getroffen, wie Bekannte von ihm im Sommer 2006 erklärten. Er verliess mit 25 Jahren seine Heimat und den Grossklub River Plate, um beim «Nobody» Deportivo Alavés zu unterschreiben. Zwar stieg Costanzo mit dem baskischen Verein aus der Primera División ab, doch bei Alavés hatte derArgentinier seinen Landsmann und ehemaligen Barcelona-Keeper Roberto Oscar Bonano verdrängt. Das Staunen war gross, dass Costanzo nicht in Spanien blieb, sondern in die «Niemandsliga namens Axpo Super League» ging, wie spanische Medien monierten.

Weil Franco Costanzo neben dem argentinischen auch einen italienischen Pass besitzt, belastet der Noch-Basel-Goalie weder in der italienischen Serie A noch in Spanien das Kontingent an Nicht-EU-Akteuren. In diesen Tagen wurde bekannt, dass Espanyol Barcelona sich von seinem 27-jährigen Torhüter Idriss Kameni trennen wird. Der kamerunische Nationaltorwart, der seit sechs Jahren das Tor der Katalanen hütet, gilt als die Lebensversicherung des Stadtrivalen vom übermächtigen FC Barcelona und wird, ähnlich wie Costanzo in Basel, von denAnhängern vergöttert und als Idol bezeichnet. Jetzt sucht der Verein einen Nachfolger.

Trainer bei Espanyol ist der 39-jährige Argentinier Mauricio Pochettino, der seit zwei Jahren Cheftrainer der Blau-Weissen ist. Vorgängig hatte er, als Haudegenin der Innenverteidigung, für Paris St-Germain, Girondins Bordeaux und RCD Espanyol gespielt. Und von ihm stammt kürzlich das Zitat, dass ein Klub in der Grössenordnung von Espanyol mit einem argentinischen Torhüter (Costanzo?) und Innenverteidiger der internationalen Klasse im ersten Drittel der Primera División mithalten kann. Bezüglich Zentralverteidiger dürfte Pochettino weniger an David Ángel Abraham (sein Vertrag beim FC Basel läuft am 30. Juni 2012 aus) als an Landsmann Gabriel Milito (30) gedacht haben. Dieser steht noch im Kader von Barça, muss aber auf Ende Saison den spanischen Meister verlassen.

Dennoch hat Abraham gute Kontakte in die katalanische Metropole. Abraham wurde einst mit einem gewissen Lionel Messi mit Argentinien U20-Weltmeister. Im Gegensatz zum damals 18-jährigen Messi kam der 15 Monate ältere Abraham jedoch nicht zum Einsatz und heuerte in der Saison 2007/08 beim Zweitdivisionär Gimnàstic Tarragona an. Tarragona liegt 75 Kilometer südlich von Barcelona. Er hat auch nie einen Hehl daraus gemacht, dass Italien und vor allem Spanien seine fussballerischen Traumländer sind. Und auch Costanzo liess immer wieder durchblicken, dass «die Lebensqualität und das Wohlgefühl der Familie das Wichtigste sind». Barcelona würde diese Kriterien erfüllen.

Es ist also möglich, dass der FCB in der nächsten Saison erstmals seit einem Jahrzehnt ohne Argentinier spielt. Nachdem Leute wie Christian Giménez, Julio Hernán Rossi, César Andrés Carignano, Matías Emilio Delgado, Francisco Guerrero, Federico Almerares. Marcos Agustín Gelabert sowie Franco Costanzo und David Ángel Abraham wesentlich zu den rot-blauen Erfolgen beigetragen haben.

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