Presseschau

Basler Zeitung vom 04.06.2011

«Vielleicht sind wir einfach sehr detailversessen»

FCB-U16-Trainer Werner Mogg über das Geheimnis seiner Erfolge und die grosse Konkurrenz aus dem Ausland

interview: dominic willimann, MANUEL BERTSCHI

Der 60-Jährige ist Fussballtrainer durch und durch. Die U16 des FC Basel, die in dieser Saison erstmals das Double holte, trägt seit neun Jahren seine Handschrift. Heute spielen die Basler gegen den viertplatzierten FC Zürich ihre letzte Meisterschaftspartie (14.00, St. Jakob).

Alle sind da. Die BaZ-Journalisten, der Fotograf und Werner Mogg. Nur ist dieser noch mitten in ein Telefongespräch verwickelt und versucht immer wieder aufzulegen. Mit den Worten «Heinz, ich rufe dich in einer Stunde wieder an» setzt er dem Telefonat schliesslich ein Ende. «So geht das immer nach einem Länderspiel», sagt Mogg. Der Trainer der U16 des FC Basel, der seinen Vertrag eben um drei Jahre verlängert hat, kann kaum einen Tag ohne Fussball sein. Wenn seine Akteure mit der Auswahl unterwegs sind, möchte er jedes Detail über sie aus ihren internationalen Einsätzen wissen – deshalb auch das ausführliche Gespräch mit U15-Nationaltrainer Heinz Moser.

Mogg stellt sein Handy aus, steckt es ein und macht es sich vor der St.-Jakob-Arena gemütlich. Dass er das Interview in der Brüglinger Ebene abhalten möchte, ist kein Zufall – das Joggeli ist seine zweite Heimat

BaZ: Werner Mogg, was fällt Ihnen zum 22. Mai 2011 ein?

Werner Mogg: Ich ärgere mich immer noch über diesen Sonntag, weil wir gegen Servette zu Hause 2:3 verloren haben. Ich führe keine Statistik, aber wir waren etwa hundert Spiele auf eigenem Rasen ungeschlagen. Ich mag mich noch erinnern, dass die 87er-Jahrgänge einst im Joggeli eine Niederlage kassiert haben. Das war 2002, in meinem ersten Jahr beim FCB. Diese Serie ist nun beendet.

Sie sind nun seit neun Jahren beim FCB als U16-Trainer angestellt und haben achtmal den Meistertitel feiern können. Weshalb sind Ihre Teams so erfolgreich?

Das haben wir uns auch schon gefragt. Wir machen wohl irgendetwas besser als die Konkurrenz. Was das aber ist, kann ich nicht sagen, da ich nicht weiss, wie bei den anderen Clubs gearbeitet wird. Vielleicht sind wir eine Fussballerstadt, deren Virus auch auf die Jungen übertragen wird. Denn das Gros stammt aus der Region. Selten haben wir auswärtige Spieler geholt, etwa bei den 93er-Jahrgängen. Da haben wir sicher den Vorteil, dass wir ein gutes Gesamtpaket anbieten. Wenn wir Spieler zu uns transferieren, müssen sie aber nicht primär ein Junioren-Team stark machen, sondern Aussichten auf einen Platz in der 1. Mannschaft haben.

Was letztlich auch den Unterschied gegenüber der Konkurrenz ausmacht?

Wie gesagt, das ist schwierig zu beurteilen. Auch bei unseren Gegnern spielen Nationalspieler und sehr gut ausgebildete Fussballer. Was mich aber immer wieder erstaunt, ist, dass wir in der Vorrunde gegen einen Widersacher grosse Mühe haben können und in der Rückrunde denselben Gegner an die Wand spielen. Da frage ich mich: Was haben die in diesem halben Jahr anders gemacht, weil die Differenz plötzlich so gross ist? Vielleicht sind wir einfach sehr detailversessen.

Können Sie das anhand eines Beispiels ausführen?

Wenn bei uns etwas taktisch nicht klappt, dann üben wir das, bis es auch der Hinterletzte kapiert hat. Das ist zwar der schwierigere Weg, aber wir verfolgen diesen konsequent. Das zahlt sich letztlich aus. Es ist vergleichbar mit der Erziehung eines Kindes: Die Eltern brauchen auch viel Energie, bis das Kind etwas befolgt, was es zuvor anders gemacht hat.

Auffallend ist, dass Mogg, wenn er von seinen Junioren spricht, immer in Jahrgängen redet. In diesem Moment humpelt sein ehemaliger Spieler Ivan Rakitic, ein 88er, an den Krücken zusammen mit FCB-Physiotherapeut Mark Jäger vorbei. «Die Herren», grüsst Mogg. «Ich bin kaputt von der Physiotherapie», sagt Rakitic mit Blick auf Jäger. «Das», ruft dieser Mogg zu, «habe ich von dir gelernt.» Mogg lacht. «Es war wie früher bei dir», sagt Rakitic – und schmunzelt.

Herr Mogg, welchen Anteil haben Sie an der Dominanz Ihrer Mannschaften?

Ich bin zwar verantwortlich für die Mannschaft, wir sind aber als Ausbildungsteam Meister geworden. Das ist mir wichtig. Ohne die gute Ausbildung in früheren Mannschaften und ohne das Staff wären wir nicht so erfolgreich. Wenn ein Torhüter ein Spiel rettet, ist das nicht mein Verdienst. Wir sind aber bestimmt in der komfortablen Lage, dass wir über einen Goalietrainer, einen Konditionstrainer, einen Chef Formation, ein Physioteam und mit Adrian Knup über einen Mann verfügen, der die Stürmer fördert.

Würden Sie gerne ein anderes Alterssegment als die U16-Junioren führen?

Ich war früher zwischendurch Aktivtrainer. Doch die U16-Junioren scheinen mein Lebenswerk zu sein. Es sind Spieler einer Altersklasse, die noch sehr begeisterungsfähig sind. Das macht mir Freude und befriedigt mich mehr, als wenn ich Trainer irgendwo in der Challenge League oder bei einem Amateurverein wäre.

Die Jungen treten heute mit grossem Selbstbewusstsein auf. Bereitet Ihnen das keine Mühe?

Wenn ich meine Spieler heute so behandeln würde wie früher, stünde ich alleine in der Kabine. Die Jungen sind viel selbstbewusster geworden, hinterfragen vieles, ohne dabei jedoch den Respekt zu verlieren. Das überträgt sich auch auf den Fussball. Xherdan Shaqiri etwa tritt auf dem Platz so auf, wie er sich auch neben dem Fussball gibt. Das ist positiv. Ich glaube nicht, dass vor zwanzig Jahren eine Schweizer Nationalmannschaft U17-Weltmeister hätte werden können – genau aus diesem Grund.

Wie beschreiben Sie das Verhältnis zwischen Ihnen und der Mannschaft?

(lacht) Da müssen Sie einen Spieler fragen. Ich gelte als harter Hund, weil ich auch im Training relativ viel verlange. Aber ich bin wahrscheinlich um einiges herzlicher als viele andere, da ich mit Leib und Seele dabei bin.

Wie sind Sie eigentlich zum FCB gekommen?

Der damalige FCB-Nachwuchschef Marcel Hottiger fragte mich, ob ich nicht von Concordia, wo ich im U-Bereich tätig war, zum FCB wechseln wolle. Es war für mich genau der richtige Zeitpunkt, um einen Schritt vorwärts zu kommen: Die 1. Mannschaft qualifizierte sich für die Champions League, die Euphorie war riesig. Von da an ging es auch mit dem Nachwuchs aufwärts. Anfangs arbeitete ich noch ein halbes Jahr nebenbei als Hochbauzeichner, seither bin ich zu hundert Prozent Fussballtrainer.

Welcher Erfolg bedeutete Ihnen in den letzten Jahren besonders viel?

Am meisten stolz macht mich, dass mit Ivan Rakitic, Michel Morganella, Fabian Frei, Xherdan Shaqiri, Yann Sommer, Granit und Taulant Xhaka Talente nun in der 1. Mannschaft oder im Ausland spielen, die bei mir die U16 durchlaufen haben. Ebenfalls sehr speziell war der Gewinn des ersten Meistertitels. Ich wollte nicht der ewige Zweite sein, denn in meinem ersten Jahr beim FCB haben wir den Meisterschafts-Final gegen GC verloren. Und dann gab es noch dieses Erlebnis am Nike-Premier-Cup, als wir vor zwei Jahren weltweit Vierter wurden. Wir liessen dabei Mannschaften wie Real Madrid oder Manchester United hinter uns.

Wie wichtig ist es, im Nachwuchsbereich in der Meisterschaft erfolgreich zu sein?

Das Ziel einer Mannschaft des FC Basel muss, von der U14 bis zur U21, immer der erste Platz sein. Aber ein zweiter oder dritter Rang ist auch kein Weltuntergang. Dass der FC Zürich und der FC Basel so viele Junge im Fanionteam haben, ist kein Zufall. Diese Clubs führen die besten Nachwuchsabteilungen der Schweiz. Aber die Konkurrenz schläft nicht, sie holt auf.

Das heisst, die Klassierung ist für Sie nur zweitrangig?

Klar will ich immer gewinnen. Aber im Gesamtkontext des Vereins ist es wichtiger, dass einer dieser Spieler in ein paar Jahren im St.-Jakob-Park auflaufen kann. Nehmen wir Sandro Wieser oder Arlind Ajeti als Beispiel: Die beiden könnten vom Alter her noch in der U18-Mannschaft spielen, gehören aber bereits zum erweiterten Kader von Thorsten Fink.

Spüren Sie eigentlich, wenn ein Juwel in Ihrer Mannschaft heranreift?

Meistens merkt man schon, wenn einer ein Ausnahmekönner ist – Shaqiri spielte in der U15 schon besser als andere. Taulant Xhaka überzeugte durch seine Physis und Granit Xhaka war ein sehr filigraner Spieler. Allerdings gibt es auch das Gegenteil: Timm Klose etwa spielte bei mir Angriff und wechselte später zurück zu den Old Boys. Ab der kommenden Saison verteidigt er nun für Nürnberg in der Bundesliga. Oder Eren Derdiyok: Wir wollten ihn nie in unseren Juniorenteams, weil er damals unserer Meinung nach beim FCB keine Spielmöglichkeit hatte. Dann machte er physisch und fussballerisch grosse Fortschritte, sodass er zur FCB U21 geholt wurde und von dort aus seinen Weg machte.

Welche Fähigkeiten muss heute ein auswärtiger Spieler mitbringen, der beim Nachwuchs des FC Basel anklopft?

Diejenigen, die anklopfen, sind oftmals die Schlechten. Testspieler, die unsere Vorgaben nicht erfüllen, haben wir zur Genüge. Heute ist es so, dass ein für uns interessanter Spieler über längere Zeit beobachtet wird.

Gibt es überhaupt den Spielertypen noch, der vom Dorfclub den Sprung nach ganz oben schafft?

Solche Akteure sind heute die Ausnahme. Mit der Professionalisierung des Nachwuchs-Spitzenfussballs in der Schweiz verschwinden solche Talente immer mehr. Unserem Ausbildungslabel ist etwa der FC Solothurn, das Team Jura und der FC Concordia angeschlossen. Diese Clubs arbeiten eng mit uns zusammen. Ebenso wissen wir, dass die Talentiertesten, die nicht schon beim FCB sind, in der Regionalauswahl spielen. Diese Organisation ist ein Vorteil: Mit den Besten kann man auf einem viel höheren Niveau trainieren. Deshalb ist es für einen Spätzünder schwierig, in einer U-Mannschaft Unterschlupf zu finden. Die technischen und taktischen Defizite sind oftmals zu gross.

Es ist zu beobachten, dass vermehrt junge Schweizer den Sprung ins Ausland wagen. Werden Sie auf Stufe U16 auch mit solchen Angeboten konfrontiert?

Das ist ein Thema, das uns Nachwuchsverantwortlichen Sorgen bereitet. Einer meiner Spieler wechselt im Sommer zu Tottenham. Beobachtet worden soll er in einem Testspiel gegen den SV Weil sein. Das ist doch verrückt. Wenn einer bei unseren Spielen mit einem Notizblock in der Hand irgendwo am Spielfeldrand steht, kann man davon ausgehen, dass es sich um einen Scout handelt. Unsere Spieler erhalten Einladungen von Barcelona oder Chelsea. Jeder Junior, der ein bisschen geradeaus rennen kann, ist auf dem Radar der Topclubs und wird von dubiosen Beratern telefonisch kontaktiert. Das ist Wahnsinn!

Was tut der FC Basel dagegen?

Wir müssen uns wehren, damit Spieler nicht mit 15 oder 16 Jahren ins Ausland abwandern. Dies geht vor allem über Gespräche. Wir zeigen ihnen auf, dass es viel mehr Sinn macht, sich beim FCB durchzusetzen und erst dann einen Wechsel in eine europäische Liga in Betracht zu ziehen. Ich kenne bis jetzt keinen Schweizer, der mit 15 wechselte und international den Durchbruch geschafft hat. Wir müssen es auf diesem Weg versuchen, denn finanziell können wir nicht mithalten. Ich hatte einmal einen Spieler, dem 10 000 Pfund monatlich offeriert wurden – und das mit 16 Jahren!

Hat der Verein mit seinen Argumenten Erfolg?

Bis jetzt schon. Wir haben es geschafft, die meisten Abwanderungswilligen beim FCB zu halten. Wir können ihnen eben Perspektiven wie Ausbildung oder Wohnsituation bieten, die über den Sport hinausgehen. Wäre das nicht so, weiss ich nicht, wie der Werdegang zum Beispiel von Rakitic oder Granit Xhaka verlaufen wäre.

Nur wenige schaffen allerdings den Durchbruch. Verfolgen Sie noch die Wege derjenigen, deren Karrieren nicht so verlaufen sind wie erwartet?

Mit einigen besteht noch enger Kontakt, andere habe ich aus den Augen verloren. Sie spielen nun bei Muttenz, Dornach oder anderen Amateurclubs. Ehemalige Junioren, die nun im Kader der 1. Mannschaft stehen, schauen öfters mal bei den U-Mannschaften vorbei. Alex Frei etwa assistiert mir ab und zu beim Training mit meiner U16. Ihm liegt viel an der Ausbildung der Jungen. Er wird ein guter Trainer, falls er einst diesen Weg einschlagen wird.

zur person

ex-goalie. Als Junior und Aktiver hütete Werner Mogg (60) das FCB- und Nordstern-Tor, ehe er sich der Trainerlaufbahn verschrieb. Bei Nordstern, Aarau, Aesch, Concordia, Emmenbrücke, Klus-Balsthal und Pratteln verdiente sich der Trainer der U16 des FCB seine Sporen ab. Hunderte von Fussballern durchliefen seine Schule: so auch Alex Frei und Marco Streller, die unter dem Riehener bei den Aescher B-Inter-2-Junioren spielten. Kürzlich wurde Mogg von der Schweizer Sporthilfe zum Nachwuchstrainer des Jahres ausgezeichnet. Moggs grosses Hobby ist der SC Bern: Wenn immer möglich, besucht er die Spiele der NLA-Eishockeyaner. dw

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