Blick vom 16.07.2011
Von Max Kern und Heiko Ostendorp
Gross gegen Fink: Die Basler Legende trifft als YB-Trainer erstmals auf Nachfolger Fink. Ein Vergleich.
Kindheit
Christian Gross wuchs als Sohn des Polizei-Quartiervorstands von Zürich-Höngg mit den beiden Schwestern Maja und Barbara auf. Mutter Rosa war Hausfrau. Vom Balkon konnte Klein Chrigel auf den Hardturm-Rasen blicken. Im Garten des Nachbarn schoss er mit dem Ball, bis alle Rosen geknickt waren. Auf dem Schulhausplatz Bläsi in Höngg kickte er mit Tennisbällen. Mit elf durfte er endlich als C-Junior beim SV Höngg eintreten. Am 13. Juni 1968 spielte Gross mit Höngg auf dem Hardturm gegen GC so gut, dass ihn der damalige GC-Juniorentrainer Erich Vogel verpflichtete. In der Nacht darauf brannte die Hardturm-Tribüne nieder, was aber nichts mit Gross zu tun hatte … Er nahm sich mit 18 in der Nähe der Universität eine eigene Wohnung. Am Literargymnasium Rämibühl wurde er 1973 zum Helden, als er in einem Spiel gegen die Lehrer-Auswahl dem Prorektor einen Elfmeter in die Eingeweide donnerte.
Fink wuchs im Dortmunder Stadtteil Marten, einer Zechensiedlung auf. Dort leben noch seine Eltern und seine Schwestern Monika (49) und Birgit (50). Die fünfköpfige Familie teilte sich 54 Quadratmeter. Thorsten wurde von Vater Edmund, der aus Bayern stammt, streng erzogen. «Anstand, Respekt, Disziplin, Ehrlichkeit», so lauteten die Tugenden, die Fink als Trainer bis heute beherzigt. Bei Mama Ingrid konnte er sich mal ausweinen. «Ich bin ein echter Strassenfussballer», sagt Fink. «Als kleiner Junge habe ich von morgens bis abends gekickt bis ich schwarz vor Dreck war. Dann durfte ich in die Wanne.» Ob gegen die Hauswand, mit der Diepenbrockstrasse gegen die Dörhoffstrasse oder gegen den 60-jährigen Nachbarn, der sich für ihn ins Tor stellte – für Fink gab es immer nur Fussball. Seine Liebe galt den Bayern und Paul Breitner. Dennoch stand er bei den Heimspielen von Borussia Dortmund in Südblock 13.
Frau, Familie
In seiner Profi-Zeit im Ruhrpott (1980 - 82) lernt Gross die fünf Jahre ältere Blondine Mona kennen. 1982, Gross wechselt zum FC St. Gallen, nimmt er seine grosse Liebe mit in die Schweiz. In der Kirche am Ölberg in Zürich-Höngg läuten die Hochzeitsglocken. Mona bringt ein Kind mit in die Ehe. Gemeinsam bleibt das Paar kinderlos. Ende der 90er-Jahre beginnts zwischen Chrigel und seiner Mona zu kriseln. Im Dezember 2009 überrascht Gross mit der Aussage, er werde sich scheiden lassen. Die Öffentlichkeit glaubte, er sei schon lange wieder Single. Mitte April 2011 wurde die Ehe im Appenzellerland geschieden. Gross hält sein Privatleben seit langem bedeckt. Er sagt nur: «Ich habe eine Partnerin. That’s it. Ich habe eine Privatsphäre. Meine Arbeit erfordert derart viel Engagement und mediale Präsenz, dass ich meine spärliche Freizeit und mein Privatleben nicht auch noch öffentlich auslegen muss.»
Seine erste Freundin hatte Fink mit 15. Kurioserweise war sie die Tochter des Co-Rektors seiner Schule. «Wir hatten eine tolle Zeit», erinnert sich der FCB-Trainer. Fünf Jahre waren die beiden ein Paar, «doch dann habe ich die Reissleine gezogen», lacht Fink. Weil seine damalige Partnerin schon früh von Kindern und Ehe sprach, wurde es ihm zu bunt: «Ich bin Skorpion, habe meine Prinzipien.» Jetzt ist er seit 15 Jahren mit Silke verheiratet. In dieser Woche feierten sie ihren 18. Jahrestag. «Wie in jeder Beziehung gab es Höhen und Tiefen», sagt Fink. «Aber ich bin froh und stolz so eine tolle Frau zu haben. Wir sind glücklich.» In München führte Silke eine Boutique namens «Dukes» – diesen Spitznamen trug Fink einst auch beim FC Bayern. Thorsten und Silke haben neben Julius (5) und Benedict (4) noch ein «drittes Kind»: Labrador Anton (9).
Karriere
Nach zwei Jahren bei GC verlor der 21-Jährige einen Transferpoker mit GC. Via Lausanne (1975 - 78) und Xamax (78 - 80) landete Gross beim Bundesligisten Bochum. Danach: St. Gallen (wieder unter Helmut Johannsen) und Lugano. Gross machte 1978 mit der Nummer 10 sein einziges Länderspiel: 1:3 in Chemnitz gegen die DDR. Ab 1988: Spielertrainer beim FC Wil. Gross marschiert von der 2. Liga im Schnellzug bis an die Pforte der NLA. 1993 holt ihn sein ehemaliger Junioren-Trainer Vogel zu GC. Gross startet durch. Zwei Meistertitel, ein Cupsieg. Und schafft als erster Schweizer Trainer zweimal die Champions League. Ende 1997 ruft Tottenham Hotspurs. Er verliert unter anderem den Machtkampf gegen Jürgen Klinsmann. In Basel setzt sich Gross ab 1999 ein Denkmal: Vier Meistertitel, vier Cupsiege, zweimal Champions League in zehn Jahren. Danach rettet er Stuttgart vor dem Abstieg, ehe er im Sommer 2011 zu YB wechselt.
In 16 Jahren als Profi gewann Fink viermal die Deutsche Meisterschaft, dreimal den DFB-Pokal sowie 2001 die Champions League. Er kickte im defensiven Mittelfeld für Roland Marten, Borussia Dortmund, Wattenscheid, Karlsruhe und Bayern (zuletzt als Captain). Insgesamt machte er 367 Bundesligaspiele (40 Tore), musste seine Profikarriere 2006 wegen eines Knorpelschadens im Knie beenden. Seine Trainerlaufbahn begann als Spielertrainer bei den Bayern-Amateuren. 2006/07 arbeitete Fink im Nachwuchs von Red Bull Salzburg, assistierte anschliessend Giovanni Trapattoni bei den Profis. 2008 stieg er mit dem FC Ingolstadt in die 2. Bundesliga auf, wurde ein Jahr später entlassen. Seit 2010 ist Fink FCB-Coach, holte im ersten Jahr gleich das Double, qualifizierte sich in der Saison danach für die Champions League und verteidigte den Meistertitel.
Philosophie
Gross sagt: «Ich glaube, eine Fussballmannschaft kann nur funktionieren, wenn einer als Kommandant auf der Brücke steht. Mit einem demokratischen Führungsprinzip gelingt dies meistens nicht. Gleichzeitig bin ich der Ansicht, dass man hart, aber auch fair miteinander umgehen muss. Und loben muss man auch können, aber man muss das Lob sehr sparsam einsetzen. Ich arbeite sehr zielorientiert, verbunden mit Metaphern, auf die sich die Spieler abstützen können. Konkret bedeutet dies: Stetige Wiederholung der Ziele, im Umgang mit den Spielern fordernd, aber immer menschlich. Ich achte darauf, dass die jungen Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, sich persönlich weiterentwickeln. Sie sollen schlussendlich mannschaftsdienliche Personen werden.»
Auch wenn es langweilig klingt: Ich bin ein Konzepttrainer», sagt Fink über sich selbst. «Ich will nicht als Feuerwehrmann gelten, sondern gemeinsam mit dem Klub langfristig und konzeptionell arbeiten.» Sein Ziel ist es, dass die Juniorenteams von der U16 das gleiche System spielen. Immer wieder baut Fink Talente aus dem eigenen Nachwuchs in die erste Mannschaft ein – wie Xherdan Shaqiri oder Granit Xhaka. Auch in diesem Jahr stehen mit Arlind Arjeti oder Sandro Wieser wieder zwei neue FCB-Talente im Kader. Fink pflegt den kooperativen Trainerstil, gilt eher als Kumpeltyp. «Wenn es sein muss, kann ich auch mal laut werden. Aber ich setze auf Eigenverantwortung und sitze nicht bei jedem hinter der Türe.» Fink steht für spektakulären Offensivfussball. In den zwei Jahren und seiner Regie spielte der FCB nicht in einem einzigen Pflichtspiel 0:0!