Presseschau

Tages-Anzeiger vom 17.09.2011

«Es könnte etwas später werden»

Eschenbachs Präsident Peter Helfenstein fiebert Basel entgegen, Töss freut sich auf GC, Grenchen auf den FCZ: drei Cup-Geschichten.

Von Peter M. Birrer und Thomas Schifferle

Die Aufregung im Alltag von Eschenbach hält sich gewöhnlich in Grenzen. 3500 Einwohner leben in dieser Ecke des oberen Luzerner Seetals, zu bieten hat das Dorf ein Kloster und einen Bahnhof, auf der Website der Gemeinde werden 27 Vereine geführt. Der Fussballklub ist einer davon, vertreten in der 2. Liga interregional. Es läuft derzeit nicht sonderlich gut: ein Sieg, vier Niederlagen, Abstiegsplatz. Nur ist das jetzt nebensächlich, weil ein aussergewöhnlicher Samstag ansteht. Schweizer Meister FC Basel hat sich für die erste Hauptrunde des Schweizer Cups angekündigt.

33 Jahre alt ist der FC Eschenbach, jetzt bekommt er das, was Peter Helfenstein zum «Spiel der Vereinsgeschichte» erklärt. Der 55-jährige Primarlehrer ist Präsident und eines von 15 Mitgliedern des Organisationskomitees. Der idyllische Sportplatz Weiherhaus ist in ein temporäres Kleinstadion aufgerüstet worden: 1200 Stehplätze fasst die Stahlrohrtribüne, weitere 1000 Besucher stehen auf Paletten, und für den Anhang aus Basel ist gemäss Auflagen des Fussballverbandes ein eigener Sektor entstanden. Empfangen werden die FCB-Fans von grosszügigen Gastgebern: Wer ein Eintrittsticket besitzt, darf sich ein Gratisgetränk ausschenken lassen. Helfenstein sagt: «Bei uns sollen sich alle wohlfühlen.» Gedanken an eine Spielverlegung ins nahe Emmenbrücke hatte er nie: «Wir sind in Eschenbach zu Hause.»

Die Kosten für den Ausbau der Infrastruktur belaufen sich auf weit mehr als 50 000 Franken. Helfenstein hofft aber, dass «am Ende ein paar Franken» Gewinn übrig bleiben. Über 130 Matchbälle à 150 Franken sind verkauft worden, dazu rechnet der Präsident mit Einnahmen von mehr als 3000 Zuschauern. Das wäre ein Trost nach der Enttäuschung im Mai, als an der Urne ein 2,7-Millionen-Kredit für den Ausbau der Sportanlage verworfen wurde.

Sportlich hat Helfenstein den Wunsch, «dass nicht nach 20 Minuten alles gelaufen ist». Und wenn die Basler auf dem Heimweg sind, fängt für die Amateurkicker, die sich für heute ein spezielles Dress geleistet haben, im Festzelt die dritte Halbzeit an. «Dann haben sie sich ein Bad in der Menge verdient», sagt Helfenstein, «es könnte für den einen oder anderen etwas später werden.»

Töss: Das Feuer des Trainers

Abramo D’Aversa wäre gerne eine Nummer 10 gewesen. Dazu reichte ihm das Talent nicht, er war der Abräumer, «einer, der das Eisen reinhält», erzählt er, und wenn er einen Gegenspieler wieder einmal foulte, sagte er zu ihm: «Sorry, ich kann es nicht besser.»

D’Aversa (38), Teilhaber einer Isolationsfirma, ist heute ein Trainer, der mit seiner Mannschaft gerne schönen und schnellen Fussball spielen möchte. Mit dem FC Töss übt er sich darin in der 2. Liga interregional, er war mit ihm vor drei Jahren aufgestiegen, jetzt träumt er vom Schritt in die 1. Liga. «Wenn wir konstant spielen, können wir das schaffen», sagt er, «wir geben uns jedenfalls die grösste Mühe.»

Der FC Töss kommt aus dem Quartier, das von den Weltfirmen Sulzer und Rieter geprägt wurde, er hat ein Budget von 200 000 Franken, 220 Junioren und den Reitplatz als sportliche Heimat. «Schade, können wir gegen GC nicht hier spielen», sagt D’Aversa, «hier hätten wir zehn Prozent mehr Chancen gehabt.»

Aus Sicherheitsgründen findet das Cupspiel der Studenten, Bauarbeiter und Büroangestellten gegen die Vertreter des Rekordsiegers auf der Schützenwiese statt. D’Aversas Vorfreude ist riesig, GC, das sei das «Pünktchen auf dem i», sagt er, voller Feuer in der Stimme. Und schiebt nach, falls das nach dem Start in diese Saison schon fast vergessen gegangen ist: «GC ist noch immer GC, noch immer ein Super-League-Verein.» D’Aversa wünscht sich, dass seine Spieler so lange wie möglich ein 0:0 halten, und die eine oder andere Chance werde sich ihnen dann sicher bieten . . . So reden und hoffen Trainer von Aussenseitern, D’Aversa erklärt: «Wenn ich sagen würde, wir wollen nicht 0:8 verlieren, wäre ich ein schlechter Trainer.»

Vor zwei Jahren forderten D’Aversa und Töss schon einmal einen Super-League-Klub im Cup, den FC Luzern im Achtelfinal. Sie führten 1:0, hatten eine Chance zum 2:0 und verloren nur 1:2. Fast alle von damals sind heute noch dabei. D’Aversa lud sie am Montag ins Zürcher Thermalbad ein - um sich auf diese «spezielle Woche» einzustimmen. Heute gibt es ein gemeinsames Mittagessen, nach dem Spiel ein Abendessen, und am Dienstag ist wieder Alltag: Dann kommt der FC Mels zum Meisterschaftsspiel auf den Reitplatz.

Grenchen: Der Plan des Captains

Lucien Kellerhals freut sich auf «das Dessert». Der FCZ ist für ihn Lohn dafür, dass er mit seinen Kollegen in Grenchen immerhin viermal pro Woche trainiert. Die Zürcher kennt er, genügend oft hat er sie im Fernsehen beobachtet, zuletzt am Donnerstag gegen Sporting Lissabon. Kellerhals, 28-jähriger Captain des Erstligisten, sagt: «Wir spucken keine grossen Töne, sondern wollen zeigen, was wir können. Wir gehen nicht planlos an die Sache, sondern überlegen uns schon genau, wie wir unsere Chance packen können.» Und darum hält er auch fest: «Trotz überschaubaren Erfolgsaussichten treten wir nicht ohne Ambitionen an.»

Die guten Zeiten in Grenchen liegen Jahrzehnte zurück. 1959 gewann der Klub den Schweizer Cup, er hat eine Vergangenheit in der NLA und der NLB, ehe er 1995 in die Anonymität des Amateurfussballs zwangsrelegiert wurde. In der 1. Liga kostet die erste Mannschaft heute rund 300 000 Franken pro Jahr. Geht es um Geld, spricht der Klubvorsitzende Mario Bernasconi nicht von Löhnen, sondern von Spesenentschädigungen von maximal von 20 000 Franken jährlich für die Besten. Als einer der Leistungsträger gilt Anto Franjic. In Vaduz war er wegen der Verwicklung in den Wettskandal entlassen und danach für ein Jahr gesperrt worden.

Ihre Cupprämie haben die Grenchner bereits bekommen: Es ist ein Sonderdress, das sie behalten dürfen. Kellerhals hofft ausserdem, von den Zürchern «irgendein Leibchen zu ergattern», und zählt auf die Unterstützung von Erich Hänzi. Der FCZ-Assistenztrainer war für ihn in der Jugend das grosse Vorbild.

Präsident Bernasconi will den Festtag ausgiebig geniessen. Mit einer Zürcher Delegation um Amtskollege Ancillo Canepa stimmt er sich beim Nachtessen ein. Und dann? Er hält die Qualität seiner Grenchner für hoch genug, um dem FCZ einen anstrengenden Abend zu bescheren: «Wir sind nicht Favorit. Aber die Schweiz kam gegen Spanien auch nur zweimal vors Tor und siegte trotzdem. Also . . .»

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