Presseschau

Basler Zeitung vom 24.10.2011

Basler Fans meiden die Konfrontation

Viel zu viel Polizei – gegen eintausend FCB-Anhänger boykottieren den Klassiker in Zürich

Von Manuel Bertschi, Zürich

Spiel eins nach der «Schande von Zürich», nach dem beispiellosen Spielabbruch im Zürcher Derby vom 2. Oktober, glich anfänglich einer Erstliga-Partie. Während zehn Minuten war weder der einen noch der anderen Stadionhälfte so etwas wie Fangesang zu entnehmen. Trotz grosser Entfernung zum Spielfeld – der Leichtathletikbahn sei Dank – waren es die Zurufe der Spieler, die auf den Tribünen zu hören waren. Zehn Minuten schwiegen die FCZ-Fans aus Solidarität zum FC Basel, wie es hiess, weil dessen Anhängerschaft erst gar nicht im Letzigrund-Stadion erschienen war.

Ursache dafür war nicht etwa der Wahlsonntag, der die Fans in Scharen an die jeweiligen Urnen oder vor die Abstimmungsbarometer gezogen hätte: Der Grund war ein ganz ernster. Mit dem Extrazug in Zürich-Altstetten angekommen, empfing ein Grossaufgebot der Polizei die angereisten Basler. Schlagstöcke, Pfefferspray und Wasserwerfer: Ein warmer Emfpang war das nicht. Damit hatten die FCB-Fans allerdings bereits vor der Abreise gerechnet.

Deshalb boykottierten die Supporter bewusst den Ticketkauf, warteten die Lage am Bahnhof Altstetten ab, vor allem, weil sie ID- und verstärkte Eingangskontrollen vor dem Stadion befürchteten. Das Grossaufgebot der Polizei und vereinzelte Festnahmen führten schliesslich zu einem vernünftigen Entscheid: Der Grossteil der Basler kehrte in den Zug zurück und trat die Heimreise an. Die Stimmung in Altstetten war schon derart am Kochen, dass die mitgereisten Fans Ausschreitungen vor oder im Stadion für möglich hielten – und offenbar vermeiden wollten.

Einige der Rückkehrer berichteten von ein paar wenigen deutschen Hooligans, die mit den Baslern nach Zürich gefahren seien. In Kombination mit den vor den Stadioneingängen positionierten Delta-Sicherheitskräften befürchteten sie massive Auseinandersetzungen und kehrten deshalb rechtzeitig um.

Laser im Gästesektor

Völlig leer blieb der Gästesektor allerdings nicht. Ein paar wenige Basler wollten sich das Städtederby zwischen dem FCZ und dem FCB dann doch nicht entgehen lassen. Doch trotz der geringen Anzahl Basler blieb der Gästesektor im Zentrum des Geschehens. Nach exakt 30 Spielminuten herrschte plötzlich wildes Sesselrücken. Die Deltas marschierten schnellen Schrittes in Richtung der FCB-Anhänger, die Polizei reihte sich vor dem Stadion auf – unter ihnen Stadion-Chef Peter Landolt, der nervös seinen Krawattenknopf lockerte. Denn er wusste: Es könnte eng werden. Eng deshalb, weil sich soeben drei FCZ-Fans in die Basler Fangemeinde gemischt und diese mit Laser-Geräten geblendet haben.

Jeder in der Fankurve war auf einmal verdächtig – bis die Zürcher Störer schliesslich aufflogen und fluchtartig den Gästesektor verliessen. Dass es dabei zu keinen körperlichen Auseinandersetzungen gekommen ist, war reiner Zufall. Landolt aber spielte diese bangen Minuten herunter: «Es ist ja nichts passiert», sagte der frühere Sicherheitschef des Grasshopper Club Zürich nach Spielende.

Muttenzer Kurve meldet sich

Nichts passiert ist auch bei der Heimreise der Basler. In Bussen und in Begleitung Dutzender mit Schusswaffen ausgestatteter Polizisten wurden sie an den Zürcher Hauptbahnhof gefahren, wo bereits ein Direktzug nach Basel wartete. Dass es am Ende des Tages zu keinen Ausschreitungen kam, lässt zwei Schlüsse zu: Entweder hat das immense Polizeiaufgebot die Basler davon abgehalten, sich negativ zu benehmen. Oder aber es war die Vernunft der FCB-Fans, die geladene Stimmung frühzeitig zu erkennen und mit der Rückkehr vor Spielanpfiff die Gewaltbereitschaft im Keim zu ersticken.

Die Muttenzer Kurve stellte am Abend dann per Communiqué klar, dass sie sich «den enormen Drohgebärden» der Polizei nicht ausliefern wollte. Die Befürchtung, wonach die Polizei beim Fanmarsch vom Bahnhof Altstetten bis zum Letzigrund-Stadion eine «Eskalationsstrategie» führen würde, also beim ersten Verstoss gleich gewaltsam einzugreifen, war innerhalb der Muttenzer Kurve gross. Zu gross.

Strellers Verständnis

Ohne Fanlieder gewann der FC Basel dennoch mit 1:0. Kurz vor der Partie seien die Spieler über den Protest aufgeklärt worden, sagte FCB-Verteidiger Markus Steinhöfer, «die fehlenden Fans haben die Aufgabe gegen Zürich natürlich zusätzlich erschwert». Captain Marco Streller zeigte Verständnis für die rotblaue Anhängerschaft: «Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann ich unsere Fans verstehen.»

Offene Fragen bleiben aber. Wird in Zukunft jedes Hochrisiko-Spiel in Zürich mit derart viel Polizei abgefangen? Und war der gestrige Eingriff verhältnismässig? Mit der vorzeitigen Rückkehr hat die Mehrheit der FCB-Fans ein sanftes Zeichen gesetzt. Der Konfrontation mit den Sicherheitskräften sind sie aus dem Weg gegangen.

Yann Sommer und seine Spielchen mit Amine Chermiti

Basel. «Immer mache ich so was nicht», sagte Yann Sommer später. Aber in dieser 75. Minute im Letzigrund hielt es der Torhüter des FC Basel ganz offensichtlich für den richtigen Entschluss, den Druck auf Amine Chermiti zu erhöhen. Der Zürcher Stürmer hatte sich eben den Ball zum Elfmeter bereitgelegt und fokussierte das Basler Tor an, da winkte ihm Sommer zu. «Komm nur», sagte die Geste, «chumm», rief Sommer tatsächlich. Chermiti kam – und schlug den Ball über das Gehäuse. Ausgerechnet Chermiti bleibt zu sagen: Der Tunesier war noch am 13. August des Jahres in der 93. Minute gegen den FCB zum Matchwinner geworden und hatte eine Serie von 20 FCB-Spielen gegen den FCZ ohne Niederlage beendet. Im Anschluss an jene Partie war Chermiti dann noch für ein Spiel gesperrt worden, weil er nach seinem Tor den FCB-Fans im St.-Jakob-Park den Stinkefinger gezeigt hatte.

«Ich habe versucht, ihn auf andere Gedanken zu bringen», schilderte Sommer die Situation beim gestrigen Elfmeter nach dem Schlusspfiff, «es waren wirklich nur Faxen, aber es scheint gewirkt zu haben.»

Sommer war nicht nur in dieser Szene einer der Garanten für den Basler Sieg. Zweimal rettete er gegen alleine auf ihn zustürmende Zürcher; in der 9. Minute gegen Yassine Chikhaoui, fünfzig Minuten später gegen Admir Mehmedi. Trotzdem mochte er sich nicht selbst loben: «Für mich war heute die gesamte Mannschaft der Matchwinner.»

Und mit einem Blick zurück auf die 1:2-Niederlage gegen die Zürcher aus der Hinrunde, als die Basler in den letzten Minuten eine 1:0-Führung noch aus der Hand gegeben hatten, konnte Sommer erleichtert feststellen: «Dieses Mal sind wir bis zum Ende konzentriert geblieben.» fra

Einzelkritik

Yann Sommer

| 5 | Einen Fussreflex gegen Yassine Chikhaoui, eine Kopfabwehr gegen Admir Mehmedi: Zürichs Grosschancen prallten am aufmerksamen Basler Hintermann ab.

Markus Steinhöfer

| 4,5 | In der Defensive spielte der Deutsche fehlerlos. Zusammen mit Shaqiri kombinierte er sich ab und an gefällig in die gefährliche Zone, flankte dann aber zu unpräzise.

David Abraham

| 5 | In der Startviertelstunde war der Innenverteidiger der beste Basler. Spielte in der 73. Minute jedoch einen Fehlpass und verursachte dann einen Penalty, der keiner war.

Aleksandar Dragovic

| 4,5 | Clever, wie der Österreicher in den Luftduellen antizipierte und sie meistens für sich gewann. Dumm aber, wie er nach Shaqiris 1:0 die FCZ-Fans gestenreich provozierte.

Joo Ho Park

| 4,5 | Gegenspieler Schönbächler, einer der schnellsten Schweizer Aussenläufer, hatte gegen den wendigen Südkoreaner wenig zu melden. Offensiv nahm er sich zurück.

Xherdan Shaqiri

| 5,5 | Riss das Angriffsspiel an sich, wollte herausstechen und tat dies auch: Mit einem nicht ganz unhaltbaren Freistosstor (55.). «Der Ball passte perfekt», meinte der 20-Jährige.

Benjamin Huggel

| 4,5 | «Occupy Mittelkreis» war wohl sein gestriges Motto: Der Zentrumspieler verliess seine Zone selten, verhalf aber mit einer grossen Passgenauigkeit dem Team zum Sieg.

Granit Xhaka

| 4,5 | Liess der etwas fahrigen Partie gegen Benfica Lissabon eine solide Leistung im Letzigrund-Stadion folgen. Der Linksfüsser war vor allem in der Balleroberung stark.

Jacques Zoua

| 4,5 | Spielbeginn und -schluss waren zum Vergessen. Dazwischen kam der linke Mittelfeldspieler zu drei Torabschlüssen und setzte Fabian Frei in der 44. Minute mustergültig ein.

Marco Streller

| 4 | Ein schöner Pass auf Zoua (51.) war seine magere Ausbeute. Der Stürmer erhielt kaum Bälle und kam selbst zu keiner einzigen Torchance.

Fabian Frei

| 4 | Der Allrounder erbte im Sturm den Platz des an Grippe erkrankten Alex Frei. Abgesehen von seinem missglückten Schuss vor dem Seitenwechsel, blieb er ohne Einfluss.

Genséric Kusunga

| | Der gelernte Innenverteidiger kam in der 79. Minute für Fabian Frei und war deshalb zu kurz im Spiel, um benotet zu werden.

Stephan Andrist

| | In der 87. Minute ersetzte der schnelle Flügelspieler Torschütze Shaqiri. Zu kurz im Einsatz, um benotet zu werden.

Scott Chipperfield

| | Kurzeinsatz für den Publikumsliebling: In der 90. Minute wurde er für den stark abbauenden Zoua eingewechselt. Zu kurz im Spiel, um bewertet zu werden.

Benotung | 6 | = Sehr gut | 5 | = Gut | 4 | = Genügend | 3 | = Ungenügend | 2 | = Schlecht | 1 | = Sehr schlecht

FC Zürich–FC Basel 0:1 (0:0)

Stadion: Letzigrund.

Zuschauer: 14 400.

Schiedsrichter: Studer.

Tor: 55. Shaqiri 0:1 (Freistoss).

Verwarnungen FCZ: 65. Schönbächler (Foul). 78. Buff (Foul). 89. Nikci (Unsportlichkeit).

Verwarnungen FCB: 73. Abraham («Foul» an Buff/Penalty). 89. Andrist (Unsportlichkeit).

Bemerkungen: FC Zürich ohne Teixeira und Margairaz (gesperrt) sowie Kukuruzovic, Zouaghi und Djuric (verletzt). Basel ohne Yapi, Voser, Stocker und Cabral (verletzt). Alex Frei grippegeschwächt nur auf der Reservebank. – 200. Spiel für Johnny Leoni beim FCZ. – 75. Chermiti verschiesst Foulpenalty.

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