Presseschau

Basler Zeitung vom 08.12.2011

«Fussball ist unsere Religion»

Für den FCB-Manchester-Showdown kamen Tausende Fans aus England nach Basel

Von Andrea Fopp

Basel. Lautes Gegröle in allen Tonlagen am frühen Mittwochnachmittag – das können nur Fussballfans sein. Sie trinken Mineral und Bier vor einem Restaurant auf dem Barfi. Bereitwillig posieren sie für ein Foto. Doch sie sind nicht dazu zu bewegen, zur Seite zu gehen und den Blick auf die Manchester-United-Fahne freizugeben, die sie an einer Mauerwand aufgehängt haben. Für den Match zwischen dem FCB und dem englischen Rekordmeister sind Tausende ManU-Fans in die Stadt geflogen.

Am Abend vor dem Spiel war es zu Krawallen im «Mr. Pickwick Pub» gekommen, Basler Hooligans hatten Streit mit Manchester-Fans gesucht, Stühle waren geflogen.

Am Spieltag geht es friedlich zu und her. Im Kleinbasel ist es ruhig am Nachmittag. Nur eine Gruppe Männer irrt auf der Clarastrasse hin und her. Erst dann, als wir sie Englisch reden hören, merken wir: Das sind Fussballfans. Kein Schal, kein Trikot weist sie als ManU-Unterstützer aus. Wo ist die Fankluft? «Wir wollen nicht auffallen, um Ärger mit den gegnerischen Fans zu vermeiden», erklärt uns der etwa 60-jährige Russ.

Sein Sohn Wayne unterbricht, er wolle endlich ein Bier! «Bringt uns in eine Kneipe mit Preisen, die auch ein Engländer zahlen kann», sagt der 23-Jährige zu uns Journalisten. Doch reden wollen die Fans mit uns nur unter zwei Bedingungen, wie Russ klarstellt: Erstens: «Ihr Basler müsst uns den Match gewinnen lassen.» Zweitens: Keine schlechte Presse – «wir wollen nicht als Idioten dastehen», sagt Russ.

Als das geklärt ist, gehen wir in die «Brauerzunft». Dort fallen wenige Sprüche von der Sorte, welche die ManU-Fans nicht in der Zeitung lesen wollen. Vielmehr erzählen die Männer von ihrem Fanleben.

Fan sein ist nicht billig

Seit 40 Jahren besucht Russ jedes Spiel in der Heimat und so viele Spiele im Ausland, wie er sich leisten kann. Für ein Testspiel gegen Barcelona im Juli reiste er mit seiner Frau bis nach Washington, USA. Etwa 5000 Pound (7200 Franken) kostet der Fussball den im Transport tätigen Russ jährlich.

Beim Spiel in Basel sind die Männer unter sich. Vater und Sohn haben ihre besten Freunde dabei, insgesamt sind sie etwa zu zehnt. «Wir Älteren geben die Fantradition an unsere Kinder weiter und die geben sie wieder weiter», sagt Russ. Sein Sohn ergänzt: «Fussball ist unsere Religion.»

Eine lange Fantradition haben auch Mary Kneen und Anne Summers, die wir vor der «Safran Zunft» antreffen. Die Freundinnen in den 50ern besuchen alle Manchester-Spiele. Mary Kneen war 1968 sogar im Wembley-Stadion. Damals schlug Manchester Benfica Lissabon 4:1 und nahm den Europapokal der Landesmeister nach Hause (Vorgängerwettbewerb der Champions League). Damals war Kneen 16 Jahre alt. 12 Jahre später war sie in Barcelona vor Ort, als ManU 1999 den legendären Sieg gegen Bayern-München errang und die Champions League zum dritten Mal gewann.

Die Fussballleidenschaft verdankt Kneen ihrem Bruder, «er nahm mich schon ins Stadion mit, als ich noch ein kleines Mädchen war».

Die Fussballermutter

Im «Mr. Pickwick Pup» leuchtet, inmitten von Manchester-Fans, ein rotblauer Schal. Er gehört einer Australierin, die allen Grund hat, Basel-Fan zu sein: Dale Chipperfield, der Mutter von FCB-Spieler Scott Chipperfield. Seelenruhig trinkt sie ein Bier. In ein paar Stunden wird ihr Sohn mit dem FCB gegen ManU antreten. Dale ist für den Match nach Basel gekommen, «und um meine Enkel zu sehen», sagt sie.

Der ältere der beiden ist sieben Jahre alt und begleitet sie ins Joggeli. Der kleinere, vierjährige Knabe bleibt vielleicht zu Hause, «90 Minuten stillsitzen ist lange für ihn», sagt Dale. Scott Chipperfields Mutter hofft natürlich, dass die Basler gewinnen, ihr Bier trinkt sie aber mit ManU-Fans. Der Grund: «Ich verstehe ihre Sprache», sagt sie.

«Mrs. Chipperfield», tönt es plötzlich, und ein junger Mann kommt an den Tisch. Veit Stähli und Dale haben schon oft zusammen angestossen. Stähli ist Basler, aber fussballmässig nicht auf Dales Seite, er ist ManU-Fan. «Ich habe viele Freunde in Manchester», begründet er sein «Fremdgehen».

Die Australierin und der Basler trinken einträchtig aus, bevor sie ins Stadion gehen. Die Fussballermutter reist am Montag ab. Die Engländer nehmen schon nach dem Spiel das Flugzeug nach Manchester. Ins Bett kommen sie erst nach vier Uhr. Als Fan nimmt man das in Kauf.

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