St. Galler Tagblatt vom 13.12.2011
Die vergangenen Monate brachten dem Schweizer Clubfussball heitere, erfolgreiche, groteske und befremdende Momente. Nicht jede Episode prägte die Vorrunde der Super League – doch einige sind als Anekdote erwähnenswert.
FUSSBALL. Alex Frei, der Info-Freak. Wohl kein Profi ist besser informiert über das nationale und internationale Geschehen als Alex Frei. Der Basler Stürmer studiert Ergebnisse und Neuigkeiten mit Leidenschaft. Kurz vor dem Abflug nach Bukarest zum Gruppenspiel gegen Otelul Galati schweifte er gedanklich in die 1980er-Jahre zurück. Der Meistercupfinal von 1986 war das Thema. Steaua besiegte damals in Sevilla den FC Barcelona. Doch welcher Rumäne verschoss als Zweiter einen Penalty? «Das muss Laszlo Bölöni gewesen sein», sagte Frei. In der Tat: Sein ehemaliger Trainer in Rennes scheiterte vom Elfmeterpunkt aus. Das Wissen des Schweizer Rekordtorschützen ist überdurchschnittlich. Das sind gute Voraussetzungen für jenen Karriereweg, den Frei später einmal beschreiten will. Als Coach oder Sportchef ist ein solider Informationsfundus Gold wert.
Zweimal im Theater
Ein Zirkus und ein Todesurteil. In der vierten Runde spielte der FC Sion in Basel. Den Rechtsstreit mit der Swiss Football League (SFL) und der Fifa hat Sions Präsident Christian Constantin längst lanciert. An diesem Abend im August erfuhr der Fall einen ersten Tiefpunkt. 20 Minuten vor Spielbeginn versammelte Sions Coach Laurent Roussey seine Spieler in einem Kreis. Soeben hatte er erfahren, dass die SFL die sechs nicht qualifizierten Spieler kurzfristig gesperrt hat. Die Presseabteilung des FC Basel druckte eilends neue Aufstellungsblätter. Das ganze Theater lief zum ersten Mal aus dem Ruder. Mutsch sprach von einem «Zirkus» – und Constantin wetterte gegen SFL-Präsident Thomas Grimm: «Er hat mit dieser Aktion sein Todesurteil unterschrieben.»
Premiere im Reich Tschagajews. Der Zugang zum Reich von Bulat Tschagajew war bis im August dieses Jahres allen Printjournalisten versperrt. Eine Begegnung mit Andrej Rudakow, dem Statthalter des tschetschenischen Geschäftsmanns, und eine direkte Anfrage – «Ich hätte am Montag Zeit. Sie auch? – öffneten Tür und Tor. Das Büro im Genfer Bankenquartier überforderte die Augen aus mehreren Gründen beinahe. Zwei bildhübsche Sekretärinnen erschienen alle fünf Minuten, um etwas abzustauben, Aschenbecher zu leeren oder um Getränke in vergoldeten Gläsern zu servieren. Die Räumlichkeiten «zierten» viele farbige oder vergoldete Möbel. Alles machte den Anschein, luxuriös zu sein. Der einzige, der nicht den Eindruck machte, steinreich zu sein, war der im Gespräch warmherzige Gastgeber selber.
Die verwehrte Anerkennung
Die Pfiffe gegen die Idole. Zwei grosse Schweizer Fussballer sind im Jahr 2011 überraschend zurückgetreten. Der eine – Alex Frei – «nur» aus der Nationalmannschaft, der andere – Hakan Yakin – auch aus der höchsten Schweizer Spielklasse. Beide erhielten sie von den Anhängern, die sie über Jahre gut unterhalten hatten, die ihnen gebührende Anerkennung nicht. Frei, der Schweizer Rekordtorschütze, wurde nach dem 4:1 gegen Wales in «seinem» Basler Stadion ausgepfiffen und trat alsbald frustriert zurück. Auch Yakin erntete vor einer Woche zum Abschluss seiner grossen Karriere in Basel nur Pfiffe, obwohl er – wie Frei – Massgebliches zum Höhenflug des Schweizer Fussballs in den vergangenen Jahren beigetragen hat. Was läuft falsch im Schweizer Fussball? Zwei der grössten Idole der jungen Anhänger werden von deren Vätern verhöhnt. Im Fussball-Mutterland England wäre solches nicht vorstellbar. (spg)