Presseschau

SonntagsZeitung vom 18.12.2011

SFV nach Ultimatum der Fifa vor der Zerreissprobe – Constantin lacht nur

Der Fussballverband muss Sion bis zum 13. Januar massiv Punkte abziehen, sonst wird er vom Weltverband suspendiert

VON PETER M. BIRRER UND DAVID WIEDERKEHR

BERN Der Fax traf um 4.56 Uhr an der Worbstrasse in Muri ein – aus Japan kommend, 6 Seiten lang und verfasst in kompliziertem Juristendeutsch.

Übersetzt enthielt das Papier unangenehme Nachrichten der Fifa: Bis zum 13. Januar 2012 muss der Schweizerische Fussballverband (SFV) den FC Sion mit massiven Punkteabzügen bestraft und ihn aus dem Schweizer Cup eliminiert haben. Ansonsten, so steht es im Schreiben, «wird die Schweiz automatisch ausgeschlossen». Würde bedeuten: kein Länderspiel am 29. Februar gegen Argentinien, kein Champions-League-Achtelfinal des FC Basel gegen den FC Bayern München. Der langwierige Streit um die Transfersperre des FC Sion ist endgültig eskaliert.

Wenige Stunden später traf sich die SFV-Spitze zur Lagebesprechung, ganz unvorbereitet war sie nicht. Da das Exekutivkomitee der Fifa in Tokio tagte und SFV-Präsident Peter Gilliéron geahnt hatte, «dass vor Weihnachten etwas auf uns zukommen könnte», hatte der Verband fünf Szenarien skizziert. Von «keine Reaktion» bis «sofortiger Ausschluss» reichten die erwarteten Massnahmen durch die Fifa. Mit dem Ultimatum wird die Schweiz jetzt zwar hart angefasst – immerhin hat sie Zeit zu einer Reaktion.

Es bleiben dem SFV zwei Möglichkeiten. Die erste: Er kommt der Forderung des Weltverbandes nach und zieht dem Klub des streitlustigen Präsidenten Christian Constantin wegen grober Unsportlichkeit für jede der zehn Partien Punkte ab, in der einer der sechs unrechtmässig verpflichteten Spieler eingesetzt wurde. Im für Sion schlimmsten Fall wären es 30 Minuspunkte. Die rechtliche Grundlage für diese Massnahme hat der SFV.

Die Alternative: Der Schweizer Verband beharrt auf dem Urteil der Disziplinarkommission der Liga vom 8. Dezember, das von Forfaitniederlagen gegen die Sittener absieht. Und gegen die Suspendierung durch die Fifa wehrt er sich vor dem Internationalen Sportgerichtshof. Damit würde jedoch die Fifa-Mitgliedschaft aufs Spiel gesetzt. Es wäre ein gewagter Poker. Und darum scheint nur eine Option wahrscheinlich: den FC Sion hart zu bestrafen.

FCB-Klubchef Heusler: Sion ist «ein gröberes Problem»

Klar ist aber auch: Wegen des Ultimatums fühlt sich der SFV in seiner Autonomie gestört – er wird unter Druck gesetzt nach einem Urteil der Disziplinarkommission, das laut Statut aber unabhängig zu sein hat. «Und die Gewaltentrennung ist uns wichtig», stellt Gilliéron klar. Robert Breiter, der Chefjurist des SFV, hält die Forderung der Fifa deswegen für «unrechtmässig». Diktatorisch gar? «Ja, so kann man das sagen.»

Ausschlussandrohungen stösst die Fifa immer wieder aus, zur Suspendierung kommt es allerdings nur selten. Meist genügt die Drohgebärde: gegen Italien 2006, gegen Österreich 2007, gegen Polen 2008, gegen Nigeria 2010, gegen die Türkei 2011. Griechenland war 2006 allerdings für neun Tage suspendiert. Wie häufig ging es beim damaligen Europameister um die Einmischung des Staats in den Fussballverband. Aus diesem Grund wurde im Frühling dieses Jahres Bosnien-Herzegowina vorübergehend ausgeschlossen.

Für Bernhard Heusler ist klar, dass dies mit der Schweiz nicht geschehen darf, nicht einmal für einen Tag. Der Klubchef des FC Basel nahm gestern an der Medienkonferenz des SFV teil, «auch um zu zeigen, wie ernst wir die Forderung der Fifa nehmen». Den FC Sion nennt der Anwalt ein «gröberes Problem».

Und Christian Constantin? Er denkt nicht daran, einzulenken

Von einer Suspendierung wäre kein Verein härter getroffen als der FCB: Sein Champions-League-Achtelfinal gegen Bayern München am 22. Februar und am 13. März fiele aus. «Und sollte das passieren», droht Heusler in ungewohnt martialischem Ton, «gibt es ein Blutvergiessen in vielerlei Hinsicht.» Allein für das Hinspiel im St.-Jakob-Park würden 2,5 Millionen Franken netto entgehen. Entsprechend ohnmächtig fühle er sich angesichts der Bedrohung durch den Weltverband – «als sässe ich auf der Rückbank eines Autos, hoffend, dass es nicht zum Unfall kommt».

Und Constantin? Sions Präsident tut zuerst, als würde die Drohung der Fifa spurlos an ihm vorbeigehen, als würde ihn die Angst von Heusler nicht im Geringsten berühren. Emotional, ja für seine Verhältnisse empfindlich reagiert er hingegen, wenn ihm vorgeschlagen wird, einen Beitrag zur Problemlösung zu leisten – indem er die Sanktionen akzeptieren und dem Spiel ein Ende setzen würde. Höhnisch lacht er ins Telefon, dann ruft er: «Sind Sie wahnsinnig? Nie werde ich aufgeben, niemals!» Und lacht weiter.

Der Walliser Präsident will die Fifa-Exekutive verklagen

Constantin sieht sich als mutiger Vorkämpfer in seinem Tal und für seinen FC Sion. So deutlich das Signal der Fifa auch ist, so wenig hält ihn das davon ab, immer neue Schauplätze zu eröffnen. Jetzt plant er, gegen die Exekutive des Weltverbandes eine Strafklage einzureichen. Der Druck, mit dem das Gremium gegen den SFV vorgehe, sei Nötigung, sagt Constantin.

Dass die Fifa mit scharfen Sanktionen droht, ist für den Walliser Präsidenten nur «dummes Zeug». Um in angriffigem Ton anzufügen: «Die Fifa muss selber wissen, was sie macht. Und wenn sie ein weiteres Problem will, kann sie es haben. Ich kämpfe weiter.»

Zurück