Presseschau

Basler Zeitung vom 04.12.1999

members.xoom.com/bring_guener/

Der FC Basel spielt am Sonntag (14.30 Uhr/Letzigrund/«TV Sat1» live) beim FC Zürich, um weitere Punkte für die Finalrunde zu ergattern. Im Sturm hofft Cetin Güner auf einen Platz in der Startformation.

Basel. «Schwer zu sagen.» Cetin Güner denkt nach, doch eine plausible Antwort auf die Frage, was ihm in Basel zu rascher Beliebtheit verholfen habe, will ihm nicht einfallen. «Ich bin halt ein offener Typ», vermutet er.

Vielleicht wars zu einem Teil auch der an Uli Stielikes berühmtes Sakko erinnernde braun-karierte Mantel gewesen, den Güner bei seiner Ankunft in Basel trug und der ihn auch fürs Auge sogleich von den anderen so oft uniform-schwarz-grau designten Kickern unterschied. Oder ists die Freude am Espresso irgendwo beim Barfüsserplatz? Oder der rote Rollkragen-Pullover? Die getönten Haare, das Bärtchen, die «House»-Musik, die er mag - Güner, ein unauffälliger Typ und in seiner Branche ein auffallender zugleich.

Nicht Gott, sondern Stürmer

Was immer es letztlich sein mag - Güner ist Güner, ein attraktiver Spieler, spontan, humorvoll, unkompliziert, auch verbal dribbelstark und, weil er seinen Charakter nicht verbergen kann und nicht verbergen will, innert kurzer Zeit zu einer geschätzten Figur bei den Fans geworden. Der im Dezemner 1977 in Bielefeld geborene Türke ist nicht «Gott» wie Kreuzer, er ist auch nicht Mittelfeldspieler, wie er in seiner Zeit in Basel hat feststellen müssen, sondern Stürmer, wenngleich oft nur in «Teilzeit-Anstellung».
Diese Ersatzspieler-Rolle jedoch scheint nicht nur Güner, sondern auch anderen nicht zu gefallen. Und so haben ein paar FCB-Anhänger die Aktion «Bring Güner» (als Aufruf an Christian Gross gedacht) ins Leben gerufen und dem Offensiv-Spieler eine Web-Site im Internet gewidmet. Selten hat es in Basel für einen Ersatzspieler ähnliche Sympathie-Bekundungen gegeben.
Das Ziel von «http://members. xoom.com/bring_guener/» ist schnell erklärt: Alle sollen während eines Spiels so lange «Bring Güner» schreien, bis ihn der Trainer endlich aufs Feld schickt. Ist Güner dann auf dem Rasen, heisst die Devise «Spielt auf Güner». Und eines Tages soll die Fan-Aktion dem Linksfüsser einen Stammplatz beschert haben.

Das Gross'sche Schema

Doch so einfach ist das nicht beim FC Basel. Ist Ottmar Hitzfeld der Erfinder des «Rotationsprinzips», so hält Christian Gross mit seinem «Fixations-Schema» dagegen. Hat er einmal seine Formation gefunden, dann weicht er nicht allzu bald wieder von ihr ab. Und Güner, den der Trainer in Ermangelung weiterer Alternativen vor der Saison im linken Mittelfeld getestet hatte, gehörte zu Beginn der Meisterschaft nicht zu den ersten Elf. «Wenn ich anfangs im Sturm gespielt hätte, hätte ich vielleicht einen anderen Eindruck hinterlassen», sagt Güner, «aber ich akzeptiere natürlich die Entscheidungen des Trainers.»
Und so musste er hinten anstehen, das Duo Koumantarakis-Tholot war gesetzt, und Güner blieb der Spieler, der - meist im Verlauf einer Partie für Nenad Savic eingewechselt - auf der linken Seite noch etwas bewegen sollte. Als in den beiden zurückliegenden Spielen Güner wieder mal «gebracht» worden war, erfüllte er die Vorgaben auch zur allgemeinen Zufriedenheit. Er war sowohl in Luzern wie auch gegen Lausanne eine echte Verstärkung, und Gross liess gestern durchblicken, dass Güner vielleicht am Sonntag gegen den FCZ anstelle des verletzten Didier Tholot beginnen darf.
«Warten wirs ab», sagt Güner und bestätigt, dass er sich «gut» fühle im Moment, ja, er wirbt gleichsam dafür, dass man ihn doch «bringen» möge.
«Geholt» wurde Cetin Güner schon früh. Als er elf Jahre alt war, da entdeckte der heutige Trainer von Borussia Dortmund, der damalige Jugend-Koordinator Michael Skibbe, das Talent in den Reihen von Arminia Bielefeld. Von einem Chauffeur wurde der Sohn (insgesamt sinds fünf Kinder) eines heute pensionierten Thyssen-Schlossers fortan zu den Trainings nach Dortmund gefahren, und Cetin machte seinen Weg bei der Borussia.
Er entwickelte sich und seine Technik in einem Team von A-Junioren (unter ihnen Wladimir But und Christian Timm), das Mitte der neunziger Jahre das beste war in Deutschland. Drei Titel in Serie hat Güner gewonnen, doch den Sprung in die 1. Mannschaft hat er danach nicht geschafft. «Ein paar Mal habe ich unter Hitzfeld trainiert», aber ins Aufgebot rutschte er nie.

Der Abstecher in die Türkei

Er wurde in die Türkei zu Trabzonspor ausgeliehen, er war Stammspieler und beliebt bei den Fans («bis zu 40'000 bei den Heimspielen»), doch als der von Finanzproblemen geplagte Verein in diesem Frühjahr die Löhne nicht mehr bezahlen konnte, da entschloss er sich, einen neuen Arbeitgeber zu suchen. «Und weil in der Schweiz die Transfer-Sperrzeit noch nicht angebrochen war, dachte ich mir, spiele ich halt beim FC Basel.»
Dachte er sich - aber dann machte ihm Trabzonspor einen Strich durch die Rechnung und verpennte die rechtzeitige Erstellung der Freigabe, was Güner letztlich doch zum Zuschauen zwang. Angerufen hat er sie, die Verantwortlichen des Vereins, «und ich hab' denen gesagt, was ich davon halte - zuerst kein Geld, dann keine Freigabe...»
Beim FCB hat Güner einen Zweijahres-Vertrag unterschrieben; enthalten ist eine Ausstiegsklausel für den Fall, dass ein Club gewillt ist, eine fixierte Ablösesumme zu bezahlen. Doch ans Weggehen denkt der noch 21-Jährige nicht. «Es gibt Angebote aus der Türkei», sagt Güner, doch er glaubt, er könne seine Ziele auch in der Schweiz erreichen. Schliesslich wohnt Erdal Keser noch immer in Dortmund.
Keser, früherer Profi bei der Borussia, ist im Auftrag der Nationalmannschaft der wichtige Beobachter der türkischen Auslandsprofis, und Güner hofft, dass er im kommenden Jahr an einem der beiden Grossanlässe teilnehmen kann, für die sich türkische Fussball-Auswahlen qualifiziert haben: die EM in Holland und Belgien und das olympische Turnier in Sydney. 13 Mal hat Güner für die türkische U21 gespielt, «und ich weiss, dass man mich nicht vergessen hat. Die Zeitungen schreiben noch immer über mich.»
Gut möglich, dass er eines Tages wieder in der Türkei spielen wird. Nicht, dass er später für immer in die Heimat seiner Eltern, am Schwarzen Meer, zwei Stunden von Ankara entfernt, zurückkehren möchte («da fahr' ich im Moment höchstens in Urlaub»), aber der Fussball dort gefällt ihm. Informationen aus erster Hand erhält er derzeit von Atilla Sahin («ein Super-Typ»), der ihm im Frühling den Einstieg beim FCB erleichtert hatte und nun bei Göztepe in Izmir spielt.

Meister oder Uefa-Cup

Möglich ist theoretisch auch, dass Borussia Dortmund von einem Tag auf den anderen seinen Leihspieler zurückpfeift, doch daran glaubt er nicht. «Die Jungen habens schwer in diesem Club», sagt Güner und wundert sich, mit welchem Aufwand zunächst eigener Nachwuchs ausgebildet wird («Unser Heim war eine Villa mit allem Drum und Dran»), dann aber für teures Geld Stars aus aller Herren Ländern eingeflogen werden.
So wird Güner zunächst in Basel bleiben (er lebt in der Ex-Wohnung Argemiro Veigas an der lärmigen Grosspeterstrasse), in der Finalrunde versuchen, «Meister zu werden oder zumindest in den Uefa-Cup zu kommen», wie er sagt. Und er wird Gross überzeugen wollen, ihn immer von Anfang an zu «bringen». Denn das Motto «Spiel auf Güner» hat sich zuletzt als verheissungsvoll entpuppt.
Michael Martin

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