Presseschau

NZZ am Sonntag vom 12.02.2012

«Wir sind alle unbekümmert in meiner Familie»

Der 20-jährige Xherdan Shaqiri wechselt im Sommer für vier Jahre von Basel zum FC Bayern. Er ist voller Selbstvertrauen und überzeugt, Stammspieler zu werden

NZZ am Sonntag: Xherdan Shaqiri, Sie sprechen mit sehr viel Selbstvertrauen über sich. Was macht Sie so sicher, sich ab nächstem Sommer beim FC Bayern durchsetzen zu können?

Xherdan Shaqiri: Man geht nicht zum FC Bayern, um auf der Ersatzbank zu sitzen. Keiner, der nach München wechselt, möchte in der zweiten Reihe sein. Ich will dem Verein beweisen, dass er nicht irgendeinen Fussballer geholt hat. Ich möchte mich als Stammspieler durchsetzen.

Der FC Bayern bezahlt viel Geld für Sie, die Rede ist von 14 Millionen Franken. Hilft Ihnen diese Ablösesumme auf dem Weg, Stammspieler zu werden?

Es kann ein Argument sein. Die Bayern verpflichten nicht einfach so einen Spieler, der so viel kostet, und lassen ihn dann auf der Tribüne sitzen.

Gibt es eigentlich irgendeinen Verein auf der Welt, den Sie sich nicht zutrauen würden? Den FC Barcelona vielleicht?

Jeder Spieler würde wechseln, wenn der FC Barcelona Interesse zeigte. Von daher würde ich mir auch Barça zutrauen. Aber natürlich wäre Barcelona noch eine Nummer grösser.

Sie wirken immer unbeschwert. Waren Sie schon immer so, schon als Bub?

Ich denke schon. So ist mein Charakter, wir sind alle unbekümmert in meiner Familie. Sie hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin.

Traut auch Ihre Schwester sich alles zu?

Nein, das nicht. Aber auch ich traue mir nicht alles zu. Man sollte es mit meinem Selbstbewusstsein jetzt auch nicht übertreiben.

Wie funktioniert das Innenleben der Shaqiris? Welche Rolle haben Sie?

Ich bin der dritte Sohn und der Zweitkleinste in der Familie, das werde ich immer bleiben.

Auch wenn Sie jetzt ein grosser Fussballer sind?

Ja, mein Vater ist immer noch der Chef. Und das bleibt auch so.

Sie wurden in Kosovo geboren. Wie stark sind Sie dort noch verwurzelt?

Ich habe noch viele Verwandte in Kosovo, und auch die dortigen Zeitungen schreiben täglich über mich.

Haben Sie viele Anrufe von kosovarischen Journalisten bekommen?

Meine Telefonnummer kennen sie nicht, aber mein Bruder Erdin ist zeitweise fast im Minutentakt angerufen worden.

Und Ihr Bruder gibt sich immer noch als Xherdan Shaqiri aus am Telefon.

Das weiss ich nicht genau, ich muss ihn wieder einmal fragen.

Früher hat er das getan.

Ja, ab und zu.

Der frühere Nachwuchschef des FC Basel, Peter Knäbel, sagte schon früh, man müsse Ihnen rasch einen Vertrag geben, die Zuschauer würden auf ihren Sitzen stehen, wenn sie Sie spielen sähen. Sind Sie immer schon aufgefallen?

Ja, ich war schon immer jemand, der aufgefallen ist auf dem Spielfeld.

Wir stellen uns vor, dass Sie sich als Siebenjähriger immer den Ball von ganz hinten geholt haben und dann allein über das ganze Feld gelaufen sind.

Das kann schon sein, ich weiss es nicht mehr so genau.

Das müssen Sie doch noch wissen.

Ich war nicht so egoistisch, dass ich immer alles allein gemacht hätte. Aber ab und zu habe ich zu viel gedribbelt, das stimmt schon.

Wären Sie gleich gefördert worden, wenn Christian Gross immer noch Trainer in Basel wäre? Er steht im Ruf, kräftige, grosse Spieler zu bevorzugen.

Nein, vermutlich nicht.

Sie sind zwar klein, aber Ihr Vorteil ist, dass Ihnen im Fussball vieles leichtfällt. Ist das in anderen Bereichen auch so?

Beim Tennisspielen bin ich auch ziemlich talentiert, das darf ich sagen. Alles, was mit Bällen zu tun hat, fällt mir nicht schwer.

Auf dem Fussballplatz haben Sie vor nichts Angst. Und sonst im Leben?

Auf dem Rasen bin ich furchtlos. Aber sonst gibt es schon Sachen, vor denen ich Angst habe. Wenn ich zum Beispiel irgendwo eine Schlange sehe, gehe ich ziemlich schnell auf Distanz.

Ist es nicht auch unheimlich, wenn Sie für die Vertragsunterzeichnung nach München fahren und plötzlich von vielen Fotografen abgepasst werden?

So etwas habe ich zum ersten Mal erlebt. Als ich nach dem medizinischen Check aus der Praxis kam, sind die Fotografen von überallher gekommen und haben Bilder gemacht.

Wie war das für Sie?

Ich habe mich komisch gefühlt. Ich hatte nicht so viele Leute erwartet. Es war ein kleiner Schock.

Vermutlich war das nur ein Vorgeschmack auf das, was Sie in München medial erwarten wird.

Die Medien sind in München fast ununterbrochen auf dem Trainingsgelände und warten darauf, dass etwas passiert. Das ist schon ein anderer Brocken als in der Schweiz.

Geniessen Sie die Aufmerksamkeit?

Wenn falsche Sachen in den Zeitungen stehen, dann nerve ich mich. Aber wenn ich schöne Sachen lese, geniesse ich es schon. Doch ab und zu wäre es schöner, nicht so bekannt zu sein.

Wann?

Wenn man ruhig mit der Familie essen möchte und jemand kommt an den Tisch und möchte eine Foto.

Klingeln Fans bei Ihnen zu Hause?

Ja, das kommt vor. Aber meistens bin ich nicht zu Hause. Meine Eltern verteilen dann Autogrammkarten.

Hatten Sie bei den Vertragsverhandlungen mit Bayern eine Zahl im Kopf und wussten: So viel möchte ich verdienen?

Der FC Bayern hat mit Uli Hoeness einen Präsidenten mit genug Erfahrung, um zu wissen, wie viel ein Spieler verdienen soll. Da gibt es keine grossen Probleme mit dem Gehalt.

Auch Zenit St. Petersburg und Galatasaray Istanbul haben mitgeboten. Dort hätten Sie mehr verdienen können.

Ja, schon. Aber das Geld war nicht ausschlaggebend.

Wenn Ihr ehemaliger Trainer Thorsten Fink sagt, Sie müssten erst einmal vier Kilogramm abnehmen, um sich bei den Bayern durchzusetzen: Ärgert Sie das?

Beim FC Basel bin ich der Spieler mit den meisten Muskeln. Deshalb ist es völlig falsch, was Fink sagt. Ich glaube, er hat beim HSV andere Sorgen, als mich anzuschauen. Ich sah genau gleich aus, als wir mit Basel Meister wurden und als ich in der Champions League brilliert habe.
Interview: Flurin Clalüna, Benjamin Steffen

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