Presseschau

Tages-Anzeiger vom 21.02.2012

Wie auf dem Kilimandscharo

Basel bereitet sich auf die Bayern vor - der Finanzchef ist begeistert, der Platzwart angespannt und der Tourismusdirektor dankbar.

Von Peter M. Birrer und David Wiederkehr

Es ist das Spiel des Jahres, so jung dieses auch sein mag. Und wahrscheinlich ist es das bislang grösste Spiel des 118-jährigen FC Basel überhaupt. Morgen Abend empfängt dieser im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinals den deutschen Rekordmeister FC Bayern München. 70 000 Eintrittskarten hätte der Klub verkaufen können, 36 000 Zuschauer haben Platz im St.-Jakob-Park. Dafür werden weltweit Millionen das Spiel am Fernseher verfolgen.

Unzählige Menschen sind von diesem Achtelfinal betroffen, sehr direkt oder allenfalls indirekt. Mathieu Jaus zählt das Geld, Marc Studach mäht den Rasen, Kerstin Lutz lässt die Sterne montieren, Granit Xhaka spielt im Mittelfeld, Alex Kaden stellt im Braunen Mutz das Bier kalt, und Daniel Egloff freut sich auf den Imagegewinn für die Stadt Basel.

Der Finanzchef

Das 6,6-Millionen-Spiel

Natürlich gäbe es Grund, über den tiefen Eurokurs zu maulen, aber es wäre auf hohem Niveau gejammert. 3 Millionen Euro erhält der FCB von der Uefa als Startgage für diesen Achtelfinal, noch 3,6 Millionen Franken sind das heute. Dennoch: Zusammen mit den 3 Millionen Franken an Zuschauereinnahmen bringt das Heimspiel gegen die Bayern dem Schweizer Meister Bruttoeinnahmen von 6,6 Millionen Franken, «und die», sagt Finanzchef Mathieu Jaus, «erleichtern uns die Arbeit 2012 spürbar». Entsprechend wertet er das Erreichen des Champions-League-Achtelfinals für einen Schweizer Klub mit dem Aufstieg auf den Kilimandscharo. Gar den Mount Everest zu nennen, wäre nicht übertrieben. «Ich spüre tiefe Dankbarkeit, dass wir dieses Spiel erleben dürfen», sagt Jaus.

Zu den unmittelbaren Einnahmen steigert sich mit jedem Europacup-Auftritt der Wert des Kaders und das Ansehens des Vereins: «Es ist eine Frage der Wahrnehmung», sagt Jaus und glaubt, «dass künftig ein talentierter Spieler vielleicht noch eher zu uns wechseln wird als bisher schon.» Ebenso wie auf den ausverkauften St.-Jakob-Park morgen Abend freut er sich darüber, dass auch im Rückspiel in München das Stadion komplett gefüllt sein wird. Und sollte der FCB gegen die Bayern sogar den Viertelfinal erreichen, wäre er um weitere 7 Millionen Franken reicher.

Der Platzwart

Ordnung in der Stube

Der Mann spürt die Anspannung. Der Mittwoch naht, der auch sein Tag werden soll, weil er die Verantwortung für das Terrain trägt. Den St.-Jakob-Park nennt Marc Studach seine Stube, und da soll Ordnung herrschen. Der Platzwart sagt: «Vor einem Spiel mit dieser Bedeutung steigt die Nervosität automatisch. Ganz Europa schaut nach Basel.»

Seit einem Jahr wird der Rasen konstant auf 25 Millimeter gestutzt. Im Herbst, wenn es nass und kühl wird, häufen sich die Probleme, auf 8214 Quadratmetern eine qualitativ hochstehende Unterlage hinzubekommen. Der 38-jährige Baselbieter aus Dittingen, seit einem Jahr im Amt, beneidet Berufskollegen, denen ein Dach günstigere Bedingungen schafft oder die den Rasen ins Freie befördern können, um ihn bei optimalem Licht zu pflegen. «Ich kann nicht mehr tun, als das Klima zulässt», sagt Studach. Dass im Winter kein Gras wächst, ist eine Tatsache. Die Kühe müssen im Winter auch Heu fressen und können nicht wie im Sommer frisches Gras geniessen.

Studach hat trotzdem den Anspruch, die Bühne so herzurichten, dass es keine Beanstandungen gibt. Heute markiert er das Spielfeld, was zweieinhalb Stunden höchster Konzentration erfordert, am Mittwoch wiederholt er das Prozedere. Dazwischen informiert er sich immer wieder über die Wetterentwicklung: Wird es wieder kalt? Fällt Schnee? Regen? Wird das Terrain halbwegs grün? Oder braun? Rutschig? Stellenweise eisig? Das sorgt nicht für Entspannung. «Wir sind mit Herzblut an der Arbeit», versichert Studach. Wenn sich Spieler abschätzig über den Rasen äussern, empfindet er das als «Stich ins Herz». Natürlich wäre ihm ein Sieg seines FCB gegen die Bayern recht. Aber eigentlich wünscht er sich eines noch mehr: «Keine Reklamationen!»

Die Dirigentin

Der Tag der Sterne

Wer in der Champions League spielt, hat umfangreiche Anforderungen zu erfüllen, alles niedergeschrieben in einem dicken Handbuch, das jeder Teilnehmer vor der Saison erhalten hat. Die Abläufe eines Spiels sind europaweit gleich, von Donezk bis Basel verschwinden an solchen Tagen die Werbungen einheimischer Sponsoren, sie werden vom Sternenbanner überdeckt. Die Agentur Team-Marketing aus Luzern übernimmt im Auftrag der Uefa die Organisation, und Kerstin Lutz ist als Venue Managerin die Dirigentin vor Ort.

Am Montag um 8 Uhr hat der FCB den St.-Jakob-Park temporär übergeben und die Banden am Spielfeldrand entfernt. Lutz ist mit einem Viererteam an der Arbeit und kümmert sich vor allem um das Fernsehen. Gestern trafen die ersten Übertragungswagen ein, 30 Fernsehfahrzeuge werden erwartet. Das Interesse ist gewaltig, anders als in der Vorrunde. Die 39-Jährige ist seit zwölf Jahren dabei, aber Basel - Bayern ist keine Routinesache für sie, «jedenfalls TV-technisch nicht». Neben den drei Stammplätzen für die drei Schweizer Sender rücken aus Deutschland Sat 1 und Sky an. Sie fordern Platz für ihr eigenes Studio wie die Franzosen oder al-Jazeera. Hohe Einschaltquoten sind garantiert.Lutz, die in Basel für alle Heimspiele in dieser Champions-League-Saison verantwortlich war, ist drei Tage auf den Beinen. Der Dienstag ist der wichtigste Tag: «Dann treffen die Mannschaften ein, finden die Pressekonferenzen statt und muss alles parat sein für Mittwoch.» Die Wahrscheinlichkeit, dass sie vom Spiel selber wenig bis nichts mitbekommt, ist gross, sie bleibt auch dann Anlaufstelle für sämtliche Probleme und Problemchen.

Vielleicht erlebt die Seeländerin ihre Derniere: Ab nächster Saison wird nicht mehr Team-Marketing die Venue Manager stellen, sondern die Uefa selber. Lutz hätte nichts dagegen, vorher noch einmal nach Basel zu kommen. Und wenn nicht, erinnert sie sich an den Abend, an dem der FCB das grosse Manchester United eliminierte: «Das war ein Stück Schweizer Sportgeschichte.»

Der Spieler

Musik von DJ Shaqiri

Wie vor wichtigen Partien üblich, logiert die Mannschaft des FC Basel im Hotel Ramada am Messeplatz, dort beziehen die Spieler Einzelzimmer. Und an Spieltagen ist der Ablauf standardisiert. Nach dem Frühstück steht ein Footing auf dem Programm, dem Mittagessen folgt verordnete Zimmerruhe. Um 17 Uhr morgen Abend gibt es Kaffee und Kuchen und Spaghetti, spätestens um 18.30 Uhr fährt die Mannschaft im Bus zum St.-Jakob-Park. Dabei hört Granit Xhaka über seine Kopfhörer albanische Musik, R&B oder House. Später in der Kabine gibt DJ Shaqiri den Takt vor.

Xhaka beteuert, die Vorbereitung auf diesen Abend unterscheide sich nicht von jener in der Super League, und das sei auch ganz gut so: «Schliesslich habe ich vor jedem Gegner und vor jedem Gegenspieler denselben Respekt.» Aber natürlich sei stets im Hinterkopf, worum es jetzt gegen den deutschen Rekordmeister geht. Selbstverständlich werde die Anspannung wachsen, je näher der Spielbeginn kommt. «Doch wenn der Schiedsrichter erst einmal angepfiffen hat», sagt der 19-jährige Mittelfeldspieler, «interessieren mich die Namen meiner Gegenspieler nicht mehr.»

Ausserdem interessiere es ihn nicht, ob allenfalls Scouts seinetwegen auf der Tribüne sitzen, aber natürlich geht er davon aus. «Es hat in der Winterpause Angebote für mich gegeben, also werde ich wohl weiterhin beobachtet», sagt der junge Nationalspieler selbstbewusst - konkret hatte der Hamburger SV ein Angebot gemacht. Der aufsehenerregende Transfer von Shaqiri zum morgigen Gegner ist Antrieb für Xhaka, es seinem Kumpel dereinst gleichzutun. «Aber vorderhand spiele ich mit ganzem Herzen für den FCB.» Im Hinspiel wäre für ihn ein Unentschieden «ein sehr gutes Ergebnis».

Der Beizer

Wenn der Mutz bebt

Nach dem Mittag werden die ersten Fans eintreffen, und spätestens bis 17 Uhr rechnet Alex Kaden mit einem vollen Haus. Er ist Geschäftsführer für die Basler Restaurants der Candrian-Gruppe, und in der Bierhalle Brauner Mutz am Barfüsserplatz treffen sich vor jedem Basler Heimspiel zahlreiche FCB-Fans. Kaden erinnert sich an die Nacht nach dem 2:1 gegen Manchester United, das dem FCB den Achtelfinal brachte: «Da hat der Braune Mutz gebebt.» Und reichlich Bier verkauft.

Als der FCB und die Bayern letztmals in Basel aufeinandertrafen, das war im September 2010, lieferten sich Basler und Münchner auf dem «Barfi» eine Keilerei, die Polizei nahm 50 Bayern-Fans fest. In Kadens Lokal dagegen, beteuert er, blieb es ruhig. Wie immer eigentlich: «Bei uns geht es gesittet zu», sagt er. Zwar müsse man wachsam sein an solchen Tagen, die in Basel begangen werden wie Festtage. «Aber meistens haben wir bei uns einen sehr gesunden Mix mit vernünftigen Fans aus beiden Lagern.»

Der Tourismusdirektor

Der FCB als Geschenk

Als Mitte Dezember Manchester United nach Basel kam, wollte es das Statistische Amt von Basel-Stadt genau wissen: Wie viele Betten werden dank dieses Spiels belegt? Die Zahl ist eindrücklich: 2000 Nächte wurden von Klub, Medienschaffenden, Uefa-Mitarbeitern und nicht zuletzt von ManU-Fans belegt. Es ist ein Drittel der Betten, die in der gesamten Stadt angeboten werden. Daniel Egloff resümiert: «Ein solches Heimspiel des FC Basel bringt uns einen direkt spürbaren Effekt. Und der ist signifikant.» Egloff ist Direktor von Basel Tourismus, und er rechnet für das Bayern-Spiel mit Zahlen wie gegen Manchester.

400 Franken gibt ein Westeuropäer erfahrungsgemäss pro Nacht aus, für Übernachtung, Essen, Souvenirs. Bei 2000 Logiernächten - und dem Wissen, dass Fussballfans noch spendabler sind als Pauschalreisende - rechnet Egloff mit einer Wertschöpfung von nahezu einer Million Franken für die Stadt Basel. Allein aus diesem einen Spiel. Hinzu kommt der Imageeffekt, der langfristig wirkt, aber schwierig zu bemessen ist. Noch heute ist unklar, was genau den Austragungsorten die Euro 2008 gebracht hat. Ausser Frage steht für Egloff: «Der FCB ist ein Geschenk, von dem wir als Stadt profitieren dürfen, ohne gross etwas dafür tun zu müssen.»

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