Presseschau

Basler Zeitung vom 26.02.2012

Ausschneiden, einrahmen, aufhängen

Nie hat der Schweizer Fussball eine bessere Mannschaft gesehen als diesen FC Basel

Von Oliver Gut

Das 1:0 gegen den FC Zürich? Spielt keine Rolle. Also: Wichtig ist es schon. Für den FC Basel, für die Basler Fussballseele. Vielleicht sogar für den Ausgang der Meisterschaft. Aber es spielt keine Rolle für diese Zeilen.

Wichtig ist anderes. Eine Schere zum Beispiel. Schnell eine Schere herbei! Und ausschneiden das Bild, oben auf dieser Seite. Dann einrahmen, aufhängen. Dieses Bild des FC Basel. Dieses Bild, das die Mannschaft zeigt. Vor den 90 Minuten gegen den FC Bayern München. Ja, genau gegen den FC Bayern. Den mit dem Leitspruch «Mia san mia». Den FC Hollywood. Den deutschen Rekordmeister. Den zweitbestgeführten Club der Welt. Den Giganten.

1:0. Besiegt ist er, dieser FC Bayern. Von der Mannschaft auf dem Bild. Und von Valentin Stocker, Jacques Zoua und Cabral. Gedemütigt vom Rasen geschlichen sind sie. Haben nichts gesagt, die Spieler. Holprig sei er gewesen. Also der Rasen. Sagt Uli Hoeness. Das ist der Präsident dieser Bayern. Kartoffelacker. Sagt er auch. Egal. Hoeness ist besiegt. Gedemütigt. Und mit ihm die Bayern.

Besiegt, aber nicht ausgeschaltet. Die Achtelfinals der Champions League kennen ein Rückspiel. In München, am 13. März. Die Aufgabe bleibt sehr schwer. Gegen die Bayern, diesen verwundeten Stier. Sehr gefährlich ist das, wenn ein Stier verwundet ist. Doch im Moment gilt: Diese Bayern sind besiegt.

So, wie die United aus Manchester besiegt ist. Und ausgeschaltet. Von diesem FC Basel. Im Dezember ists passiert. Gesungen haben sie danach auf dem Barfi, die Fans. Sind gehüpft. Haben sie gefeiert, diese Mannschaft. Eine Schere herbei! Und ausschneiden das Bild, oben auf dieser Seite.

Erfolge aus anderer Zeit

Es hat andere gute Schweizer Mannschaften gegeben. Andere, die in Europa Spuren hinterlassen haben. Die Young Boys aus Bern standen 1959 im Halbfinal des Landesmeister-Pokals. Dieselbe Stufe erklamm der FC Zürich 1964 und 1977. Dazwischen liegt der Prager Frühling. Die erste Mondlandung. Vietnam. Das ist lange her. Sehr lange. Aber weniger lange als Schweiz gegen Österreich. Im Viertelfinal, an der Heim-WM. Mit Karl Rappan als Trainer.

Das war 1954. Und das war nicht schlecht. Nichts von dem war schlecht. Aber dieser FC Basel ist besser. Besser als alles, was war. Also nicht auf der Welt. Aber in der Schweiz. Mindestens. Ist doch alles viel schwieriger geworden, als es gewesen ist. Damals, da durften nur die Titelträger eines Landes mitspielen. Real Madrid oder der FC Barcelona. Inter oder Milan. Aber nie beide miteinander. Nur ein Vertreter pro Land. Der Meister. So war das. Und darum hiess es auch so. Pokal der Landesmeister.

Überschaubar waren auch die Unterschiede zwischen den Geldbeuteln. Dann ging die Schere auf. Nicht die zum Ausschneiden. Sondern zwischen nicht wirklich Armen und extrem Reichen. 30 Millionen Franken beträgt das Basisbudget dieses FC Basel. 30 Millionen Euro haben die Bayern ausgegeben. Für Mario Gomez.

Mario Gomez ist keine Mannschaft. Nicht einmal eine halbe Mannschaft ist das. Das ist ein einziger Spieler. 30 Millionen Euro für einen einzigen Spieler! Diese Bayern. Dieser Rekordmeister. Dieser FC Hollywood.

Besiegt. Von diesem FC Basel. Dieser Mannschaft, die Manchester United ausgeschaltet hat. In Basel. In Manchester reichte es nicht. 3:3. Das war im Oktober. Es wurde als grosser Achtungserfolg gewertet. Nicht als mehr. Dann kam das Rückspiel. Das 2:1. Und plötzlich war da viel mehr. Und jetzt sind da diese Bayern. Dieser FC Hollywood. Der deutsche Rekordmeister. Besiegt.

Dieser FC Basel. Er hat keine 30 Millionen Euro, um Mario Gomez zu kaufen. Aber er hat eine Mannschaft. Eine Mannschaft mit Qualität. Sehr viel Qualität. Mehr Qualität hat eine Schweizer Mannschaft nie gehabt.

Da ist Alex Frei. 42 Tore hat er für sein Land erzielt. Kein anderer hat für die Schweiz häufiger getroffen. Er ist aus Biel-Benken. Und damit Basler, in engerem Sinn. Er hat in Frankreich gespielt. Für Dortmund seine Tore geschossen. Gegen andere – und gegen die Bayern. In der Bundesliga. In Deutschland. Dort, wo auch Captain Marco Streller gespielt hat. Und Benjamin Huggel. Zwei andere ehemalige Nationalspieler. Ein Aescher, ein Münchensteiner. Basler, in engerem Sinn. Leader. Identifikationsfiguren. Mit Frei bilden sie die Gruppe gereifter Rückkehrer aus grossen Ligen. Auch Philipp Degen gehört seit Herbst dazu. Beim FC Liverpool war er. Ein Club aus England, so gross wie die United fast.

Sich anbahnende Abgänge

Frei, Streller, Huggel. Daneben wirkt die eigene Jugend. Basler – in weiterem und engerem Sinn. Stocker aus Kriens. Fabian Frei aus Frauenfeld, Goalie Yann Sommer aus Basel. Talente aus dem Nachwuchs. Alle Anfang 20. Alle so gut, dass sie irgendwann ins Ausland gehen. So wie David Abraham und Aleksandar Dragovic. Ein Argentinier und ein Österreicher. Die Innenverteidiger. «Etwas vom Besten in Europa.» Sagt Streller. Abrahams Vertrag läuft im Sommer aus. Er wird ihn kaum verlängern. Dragovics Vertrag läuft weiter. Doch das muss nichts heissen. Aufgefallen sind beide.

Rekordschützen, Leitwölfe, Talente und Ausländer. All das hat diese Mannschaft. Doch die Krone setzen ihr zwei Secondos auf. Halten Europa in Atem. Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka. Beide mit Wurzeln im Kosovo. Beide Basler in engerem Sinn. Man nennt sie Juwelen. Hochbegabte auch. Das ist mehr als «nur» Talent. Das ist stupende Technik. Das ist enormes Spielverständnis. Das sind Instinktfussballer. Gespielt haben sie. Gegen Manchester. Gegen Bayern. Gespielt, als ob es ein Kick im Hinterhof wäre. Voller Freude. Furchtlos.

20 Jahre zählt Shaqiri. Im Sommer wird der Zauberwürfel nicht mehr am Basler Flügel wirbeln. Er geht zu den Bayern. Diesen Bayern. Ausgerechnet. Einen halben Gomez war dies den Münchnern wert. Er ist der erste Schweizer, der aus der heimischen Liga direkt zu einem der ganz Grossen wechselt. Kein Wunder: Er ist besser. Besser als jene Jungen, die vor ihm waren.

Nur einer kann sich mit ihm messen. Granit Xhaka. 19. Gegen die Bayern hat er das Basler Spiel gemacht. Von hinten. Majestätisch. Mit geradem Rücken. Wie Beckenbauer. Im Sommer will er gehen. Hamburg will ihn. Mönchengladbach auch. Doch womöglich ist das eine Nummer zu klein.

«Der könnte bei einem Topclub spielen. Sofort.» Das sagt Heiko Vogel. Der Trainer dieses FC Basel. Ein Deutscher, der ankommt. Bei dieser Mannschaft. In der Öffentlichkeit. Weil er jung ist. Weil er Sprüche klopft. Weil er weiss, wie man Taktik lehrt. Weil er das Puzzle richtig zusammensetzt. Zu dieser wunderbaren, erstaunlichen Mannschaft. Seit er Mitte Oktober Cheftrainer ist, hat dieser FC Basel fast nur gewonnen.

Gewonnen hat auch die Clubführung. Sie hat Vogel befördert. Vielleicht ist es die beste Clubführung, die es gibt. Mit einem Präsidenten, der Bernhard Heusler heisst. Ein Jurist. Eloquent, bedacht, bestimmt. Ohne laute Worte. Aber mit Weitsicht. Er hat gesagt: «Geniessen wir diese Mannschaft noch, solange wir sie haben.» Also geniessen wir diese Jahrhundertmannschaft. Und konzentrieren uns auf das Wichtige. Eine Schere zum Beispiel.

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