Presseschau

Basler Zeitung vom 05.05.2012

Vom Spiko in Oberwil zum Direktor des FC Basel

FCB-Sportdirektor und -Verwaltungsrat Georg Heitz nimmt sich nicht wichtig – er ist es

Von Oliver Gut

Basel. Nein. Robert Lembke hätte an Georg Heitz keine Freude gehabt. Die Frage nach der typischen Handbewegung entlockt dem 42-jährigen Therwiler nur ein gequältes Lächeln. Den Arm mag er nicht heben, um seiner Tätigkeit in der Tradition der früheren TV-Ratesendung «Was bin ich?» Ausdruck zu verleihen. Zu klar ist, was folgen würde: Eine Hand, die ein imaginäres Mobiltelefon ans Ohr führt.

Das mag heute in vielen Berufen ähnlich sein. Doch es gibt nur wenige Tätigkeiten, in denen das Handy eine so zentrale Rolle spielt wie bei Heitz: Er ist beim FC Basel seit bald drei Jahren das, was in anderen Clubs «Sportchef» heisst. Beim FCB nannten sie dies bis vor Kurzem noch «Sportkoordinator». Nun ist Heitz Direktor. Sportdirektor. Und Verwaltungsrat, seit der Generalversammlung am Montag.

«Das freut mich alles sehr. Aber es sind letztlich nur Titel», sagt er, während er weit oben im St.-Jakob-Turm im Bürosessel hin- und herrutscht, seine Position sucht. Neu komme nur die Verantwortung als Verwaltungsrat dazu. Sonst aber habe sich nichts verändert. «Ich mache meine Arbeit und leiste meinen Beitrag – so wie jeder andere hier.»

Georg Heitz nimmt sich nicht wichtig. Aber er ist es. Jedenfalls beim FCB. Der Baselbieter ist enger Vertrauter des Präsidenten Bernhard Heusler. Er ist eifriger Mitdenker in strategischen Fragen. Er ist stets dabei in Transfer- oder Vertragsverhandlungen. Er ist der direkte Vorgesetzte des Trainers. Er kümmert sich um die Alltagsprobleme der FCB-Profis, tauscht sich mit den eigenen Scouts und den Sportchefs anderer Clubs aus. Natürlich sind da auch die Fragen der Medien. Vor allem, weil Heitz auch das für den FC Basel ist: die Hauptanlaufstelle für Spieleragenten aus aller Welt.

Der Gewissenhafte

«Uns werden pro Jahr mittlerweile ungefähr 2500 Spieler angeboten.» Das sind im Durchschnitt fast sieben pro Tag. Ungefähr 2000 davon gehen bei Heitz direkt ein. Vielleicht bleibt die typische Handbewegung auch deshalb aus, weil der Sportdirektor ganz einfach Kraft spart für das nächste Telefonat, das er führen muss. Oder will. Denn Georg Heitz nimmt fast jeden Anruf entgegen. Und wenn nicht, dann ruft er zurück. Immer. Andere mögen darin eine Obsession vermuten. Er nennt das «Gewissenhaftigkeit» oder «Fleiss».

Beides hat Georg Heitz schon immer ausgezeichnet. Jedenfalls dann, wenn er tut, was er gerne tut. Beides ist unabdingbar gewesen, um dorthin zu kommen, wo er heute steht. «Immerhin war ich mit 21 Jahren schon Spiko des FC Oberwil», versucht Heitz zwar scherzhaft, eine andere, logischere Erklärung zu finden. Doch auch ihm ist klar, wie ungewöhnlich sein Werdegang zum Sportdirektor ist: Fussball hat er nur beim SC Binningen und dem FC Oberwil gespielt. Seine Aktivkarriere fand überwiegend in der 3. und 4. Liga statt. Einen Trainerkurs hat er nur auf Stufe Kinderfussball besucht.

Die meisten sportlichen Verantwortlichen von Profi-Fussballclubs können auf diesem Gebiet mehr vorweisen. Heitz kennt sie, die Journalisten-Frage nach dem Nachteil, die er zu Beginn seiner FCB-Tätigkeit oft gehört hat. Er sagt: «Ich glaube, den gibt es nicht. Ich muss in meiner Position niemandem einen Vollspann-Schuss beibringen können.» Dann stellt er die klassische Gegenfrage: «Muss ein Fussball-Journalist denn auf hohem Niveau gespielt haben, um ein guter Fussball-Journalist zu sein?»

Das Trüffelschwein

Heitz weiss, wie sehr er seinem Gegenüber damit den Wind aus den Segeln nimmt. Kein Wunder: In Sachen Kommunikation, im Umgang mit Medien und Menschen, da macht ihm kein Sportchef der Welt etwas vor. Er hat andere wertvolle Erfahrungen gesammelt. Als Mitgründer einer Sprachschule. Als Sportjournalist bei der BaZ. Und in der Kommunikationsabteilung der Fifa.

«Trüffelschwein» werden im Fachjargon Journalisten genannt, deren Stärke es ist, eine Geschichte auszugraben, um sie dann als erste zu veröffentlichen. Heitz ist zur Jahrtausendwende das «Trüffelschwein» der BaZ, wenn es um den FC Basel geht. Mit Gewissenhaftigkeit und Fleiss geht er jenem Beruf nach, der seine erste Berufung ist. Er gräbt häufig bis tief in die Nacht hinein, durchwühlt die rotblaue Erde nach publizistisch Verwertbarem.

Mit seinem Sprachwitz und seinem «Halbwissen», wie er es heute nennt, verschafft er sich grossen Respekt unter den damaligen FCB-Verantwortlichen. Auch wenn er diese nicht selten verärgert. Oder andere, wenn er die Musse dazu findet: In Erinnerung ist seine Kritik des Tamara-Wernli-Buchs, das er unzimperlich mit einem zu lange geratenen Schüleraufsatz vergleicht.

Das Handy ist schon da sein wichtigstes Werkzeug. Als Georg Heitz 2004 für die BaZ aus dem FCB-Trainingslager in Argentinien berichtet und drei exklusive Storys liefert, konfrontiert ihn der damalige BaZ-Chefredaktor Ivo Bachmann nach der Rückkehr mit seiner Telefonrechnung: 4000 Franken.

Nach zehn Jahren bei der BaZ folgt 2005 ein kurzer Abstecher zum «Blick», gefolgt vom Wechsel zur Fifa. In den drei Jahren, die Georg Heitz beim Hauptsitz des Fussball-Weltverbands am Zürichberg verbringt, nimmt die Bedeutung der einen Berufung ab – und es beginnt sich abzuzeichnen, was die neue Berufung werden wird. Bernhard Heusler wird in der Führungscrew des FC Basel zunehmend zur zentralen Figur. Er lässt es sich nicht nehmen, sich gedanklich regelmässig mit Heitz auszutauschen. Rasch merken beide, dass sie auf derselben Wellenlänge funken.

Der Vermittler

Als Katalysator der gegenseitigen Annäherung wirken zwei Ereignisse: 2005 helfen Heitz’ Ratschläge im Hintergrund mit, den Vertrag mit dem abwanderungswilligen FCB-Spielmacher Matias Delgado zu verlängern. Ein halbes Jahr danach wechselt der Argentinier zu Besiktas Istanbul und kassieren die Basler eine famose Ablösesumme. Noch wichtiger dann die Rolle, die Heitz 2007 zukommt: «Mitten in einem Grillfest meldet sich Marco Streller bei mir», erinnert sich der Baselbieter. Der Stürmer sucht einen Weg, um von der Bundesliga zum FC Basel zurückzukehren. Heitz stellt den Kontakt zu Gigi Oeri und Heusler her, der Transfer klappt. Noch am selben Tag telefoniert Heitz mit Benjamin Huggel…

Spätestens von jenem Moment an hat eine gewisse Logik, was sich in der Folge entwickelt. Im Sommer 2008 wird Georg Heitz vom FC Basel angestellt. Als «Berater», wie es offiziell heisst. Auf Mandatsbasis. Der Schritt hin zum Sportkoordinator wird erst möglich, als FCB-Cheftrainer und Machtmensch Christian Gross ein Jahr später gehen muss. Nun ist Heitz mittendrin. Er hilft massgeblich mit bei der Auswahl des neuen Trainers, der Thorsten Fink heisst, und der mit Heiko Vogel seinen späteren Nachfolger mitbringt. Er hat auch seinen Anteil an Alex Freis Heimkehr. Der Rest ist eine einzige Erfolgsgeschichte, die in diesem Jahr mit der grossartigen Champions-League-Kampagne und dem dritten Meistertitel in Folge ihren (zumindest) zwischenzeitlichen Höhepunkt findet.

Die Schattenmannschaft

«All das ist das Ergebnis eines Clubs, der in allen Bereichen sehr gut aufgestellt ist.» Seine eigene Leistung mag Georg Heitz so wenig beurteilen, wie er Superlative verwendet. Denn er weiss auch: «Sehr vieles kann sehr schnell anders sein.» Dass die nächste Saison eine grosse Herausforderung wird, weil im Sommer ein mittlerer bis grosser Umbruch erfolgt, ist klar. «Wir werden an dem gemessen, was wir jetzt geleistet haben. Und wir werden alles daran setzen, dem gerecht zu werden.» Das sei zwar schwierig, aber nicht unmöglich. Schliesslich sei man vorbereitet.

Georg Heitz steht auf, tritt zum Flipchart, fährt mit den Fingern darauf herum. «Wir haben Schattenmannschaften, eine mit EU- und Nicht-EU-Ausländern und eine mit Schweizern. Auf jeder Position gibt es ein Kästchen mit mehreren Namen.» Es sind dies mögliche Alternativen, falls ein Spieler den FC Basel verlässt. «Dort steht nur drauf, wer von Chefscout Ruedi Zbinden beobachtet und für interessant befunden wurde.»

Georg Heitz blickt auf die Uhr. Der nächste Termin wartet. Sitzung mit dem U21-Trainerteam. Zeit fürs Mittagessen bleibt da keine. Überhaupt bleibt nicht viel von dem, was man «Freizeit» nennt. Oft sind die Übergänge fliessend. Und immer wieder klingelt das Handy, ist da die typische Handbewegung. Wie an Ostern, als Heitz sein Boccia-Turnier mit Freunden abbrach, um nach Ägypten zu fliegen und den Transfer von Mohamed Salah fertig auszuhandeln.

Georg Heitz zuckt nur mit den Schultern: «99 Prozent der Basler Männer würden wohl mit mir tauschen.» Zu Recht, denn er sei privilegiert und könne einer Arbeit nachgehen, die unglaublich grossen Spass bereite. Seiner Berufung eben. Und doch glaubt Georg Heitz nicht, dass er bis zu seiner Pensionierung Sportdirektor des FC Basel oder Sportdirektor im Generellen bleiben will. Wird er also FCB-Präsident? «Ich kann mir vieles im Leben vorstellen. Aber die Nachfolge Bernhard Heuslers wäre eine Schuhnummer zu gross», sagt er. Stattdessen spricht er von seiner ersten Berufung: «Das Schreiben vermisse ich manchmal schon.» Er könne sich vorstellen, das wieder zu tun. Nicht als Fussball-Journalist. Aber vielleicht als Krimi-Autor. Zur überraschenden Vita des Georg Heitz würde es passen. Das Handy könnte er dann zur Seite legen. Falls er weiss, wie das geht.

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