Basler Zeitung vom 05.05.2012
Basel. Jens Lehmann prangerte einst den Sittenverfall der deutschen Jugend an, als ein Balljunge dem Stuttgarter Torhüter das Spielgerät freudestrahlend über den Kopf statt in die Arme warf. «Das ist typisch für unsere Kultur – betrügen», motzte der ehemalige Nationaltorhüter Deutschlands und forderte drastische Erziehungsmassnahmen für die Ballkinder der Bundesliga. Serey Die vom FC Sion entschied sich hingegen für die handfestere Variante im Kampf gegen die Sekundenschinder abseits des heiligen Rasens – und verpasste einem Balljungen aus Lausanne, der ihm den Ball zu lange vorenthalten hatte, eine Ohrfeige. Dafür wurde der Stürmer gestern von der Liga – vorerst – für zwei Spiele gesperrt .
Beim FC Basel ist Nicolas Widmer, der Assistent der Geschäftsleitung, für die Betreuung und Einteilung der FCB-Ballkinder zuständig. Und damit dafür, dass auch neben dem Platz alles reibungslos abläuft.
BaZ: Nicolas Widmer, ist schon mal eines Ihrer Ballkinder von einem Spieler der gegnerischen Mannschaft bedroht oder angegangen worden?
Nicolas Widmer: Nein, so einen Fall wie der im Spiel zwischen Sion und Lausanne gab es bei uns zum Glück noch nie.
Wie sieht es mit anderen Vorfällen oder Beschwerden des Gegners aus? Hat sich bei Ihnen schon mal ein Club beschwert, weil er zu lange auf den Ball warten musste?
Auch Beschwerden gab es bisher noch nicht. Einen bekannten Vorfall aber gab es, den 13. Mai 2006. Der FC Zürich bekam kurz vor Spielschluss einen Einwurf hinter der Mittellinie zugesprochen, der Spieler des FCZ forderte jedoch den Balljungen einige Meter weiter vorne auf, ihm seinen Ball zu geben. Von da aus kam der Ball zu Stahel und der Rest der Geschichte ist bekannt …
Wie lautet die offizielle Stellenbeschreibung eines Ballkindes?
Wir haben bei jedem Spiel des FCB zehn Nachwuchsspieler am Rand des Feldes postiert, die die beiden Mannschaften zuerst beim Einspielen und später während der Partie mit Bällen versorgen müssen, damit das Spiel zügig weiterlaufen kann.
Müssen die Kinder vor ihrem Einsatz denn ein spezielles Training durchlaufen?
(Lacht.) Nein, unsere Junioren beherrschen es in der Regel, einen Ball aufzuheben und einem anderen zuzuwerfen.
Wenn die Ballkinder aus dem eigenen Nachwuchs kommen, sind sie dann nicht zwangsläufig parteiisch?
Wir appellieren immer an den Gedanken des Fair Plays. Jeder Spieler, egal zu welcher Mannschaft er gehört, soll den Ball so schnell wie möglich bekommen. Schliesslich soll es ja nicht heissen, dass der beste Verein der Schweiz die schlechtesten Ballkinder hat.
Und wenn der FCB an prominenter Stelle in der Champions League spielt, fliegt die Uefa dann ihre international geschulten Ballkinder mit ein?
Nein, auch während den Champions-League-Spielen des FCB stehen unsere eigenen Junioren am Spielfeldrand. Aber die Uefa achtet bei jedem der Spiele sehr genau darauf, wie unsere Ballkinder arbeiten und ob sie sich zu viel Zeit lassen.
Und wer hat die schwere Entscheidung zu fällen, welches Kind gegen Manchester United und welches gegen Lausanne-Sport die Bälle einsammeln und verteilen darf?
Natürlich sind Spiele gegen Bayern München oder Manchester United bei den Ballkindern begehrter als ein Spiel in der Super League. Damit werden diejenigen Spieler belohnt, die in ihren Mannschaften viel für unseren Verein leisten. In den FCB-Spielen in der Super League wählen jeweils die Trainer der Nachwuchsmannschaften die Ballkinder selber aus. tip