Presseschau

Die Weltwoche vom 25.10.2012

Schlagzeilen für die Fasnacht

Von Lucien Scherrer

Unter gewundenen Erklärungen hat der FC Basel seinen bei Fans und Spielern beliebten Meistertrainer Heiko Vogel gefeuert und durch den schlitzohrigen Dandy Murat Yakin ersetzt. Was steckt hinter dem plötzlichen Wechsel, den bisher niemand richtig verstanden hat? Von Lucien Scherrer

Murat Yakin wirkt ruhig und gefasst, als er ­seine erste Niederlage als Trainer des FC Basel erklärt. «Jo guet», meint er vor den Fernsehkameras in der Luzerner Allmend, in Zukunft müsse man halt «es Spürli cleverer sein» und «alles besser machen». Derweil hüpfen die Fans des FC Luzern auf den Rängen, feiern den 1:0-Sieg ihrer Mannschaft und skandieren «Murat, Murat, hahaha!» Es ist tatsächlich zum Lachen. Aber nicht, weil der Titelaspirant FCB in Luzern jämmerlich aufspielte. Sondern, weil die Wirren um Yakins Engagement in Basel manchen Schnitzelbangg hergäben.

Am 20. August wurde Murat Yakin vom FC Luzern freigestellt (de facto gefeuert), weil die Mannschaft nicht vom Fleck kam und sich der Trainer mit so ziemlich allen wichtigen Figuren im Klub verkracht hatte. Wenige Wochen später, man schrieb den 16. Oktober, berief der FC Basel eine Pressekonferenz ein – und verkündete, dass man Trainer Heiko Vogel entlassen habe. Als Vogels Nachfolger lächelte Murat Yakin in die Kameras. Die Fussballschweiz rieb sich die Augen: Warum in aller Welt wird Vogel, der «Überflieger des Jahres» (Basler Zeitung), entlassen? Vogel, der den FCB eben zum 15. Meistertitel, zum 12. Cupsieg und in der Champions League bis in die Achtelfinals geführt hatte?

Spieler wie Marco Streller zeigten sich geschockt, die Fans tobten in ihren Foren, und die Kommentatoren schrieben von einem «unverständlichen» Vorgehen. Einzig der Blick bejubelte den Entscheid der Basler, den «farb­losen» Vogel durch Yakin, diese «grosse Persönlichkeit mit Stil und Glamour», zu ersetzen. Ein Loblied mit Ansage. Der Blick pflegt seit Jahren eine symbiotische Beziehung zu Murat «Muri» Yakin und dessen ebenso glamourösem Bruder Hakan. Kurz bevor Murat Yakin in Luzern nach einem Machtkampf mit Sportchef Heinz Hermann entlassen wurde, hatte das Blatt getitelt: «Sportchef Haha – Spieler lachen über Heinz Hermann.» Ein Schuft, wer denkt, dass sich der Blick bereits auf saftige Schlagzeilen aus Basel freut.

Die Frage, warum Vogel gehen musste, stellt sich nach der FCB-Pleite vom letzten Sonntag mehr denn je. Die Facebook-Seite «Danke Heiko Vogel», die von enttäuschten Vogel-Fans ins Leben gerufen wurde, hatte bis Dienstag 7800 Anhänger. Dort kann man Sätze lesen wie: «Mit Murat wird Basel noch weniger Meister als mit Heiko.» Das Sportliche allein, das gibt auch die Klubführung zu, kann es nicht gewesen sein. Zwar stand der FCB bei Vogels Entlassung auf dem vierten Platz, und die Qualifikation für die Champions League hatte die Mannschaft Ende August in Cluj vergeigt. Doch bereits 2010 und 2011 stolperte der Klub enttäuschend in die Saison und wurde am ­Ende Meister. In diesem Sommer verliessen gleich vier Schlüsselspieler – darunter Xherdan Shaqiri und David Abraham – den Verein, weshalb niemand mit einem fulminanten Saisonstart rechnete. Abgesehen davon standen die Spieler, die bei Konflikten um den Trainer oft den Part der Genickbrecher übernehmen, hinter Vogel. Auch die Klubführung war noch vor kurzer Zeit des Lobes voll für den rothaarigen Deutschen. Ja, er sei ein guter Mann, sagte FCB-Präsident Bernhard Heusler Ende April gegenüber der NZZ am Sonntag, «sonst hätten wir ihn nicht zum Trainer gemacht».

«Mosaiksteinchen» oder «Kalkül»?

Umso schwerer haben es die Vereinsoberen jetzt, den Rauswurf ihres Helden zu recht­fertigen, ohne allzu schäbig und unglaub­würdig zu wirken. So wird Vogel tröpfchenweise demontiert, immer unter dem Hinweis, dass man das eigentlich gar nicht wolle, weil man dem Geschassten doch so viel zu verdanken habe. «Es war ein verdammt schwieriger Entscheid», sagte Heusler zwei Tage nach dem Rauswurf auf Telebasel, «es hat auch weh ­getan.»

Mangels triftiger sportlicher Gründe berief sich der Präsident auf «Führungsdefizite» und «Differenzen» über die Entwicklung der Mannschaft, die er aber nicht weiter präzisieren wollte. Dies angeblich aus Rücksicht auf Vogel. Konkret wurde er nur in einem Punkt: «Ich will, dass der Trainer des FCB in der Freien Strasse einkaufen geht und den Menschen begegnet», erklärte er, «das hat in letzter Zeit gefehlt.» Vogel, der oft in seine Heimat reiste, litt also nicht nur an Führungs-, sondern auch an Integrationsdefiziten. Aber seit wann wird ein Fussballtrainer daran gemessen, wie oft er sich im Lädeli um die Ecke blicken lässt?

Nachdem Heusler und sein Sportdirektor Georg Heitz für ihre geheimniskrämerische Kommunikation kritisiert worden waren, fütterten sie die lokale Presse mit weiteren Details. So berichtete die Basler Zeitung (BaZ) am Samstag, dass es Spannungen mit dem übrigen Trainerstab gegeben habe. Zudem seien einige Spieler mit dem Handy auf dem Trainingsplatz herumspaziert. Fazit der Zeitung: «Der Bruch mit Heiko Vogel war zwingend.» Im Hause Heusler wird man das gerne gelesen haben. Doch die Zweifel bleiben. «Es ist alles speziell an diesem Wechsel, sehr speziell», sagt ein Basler Journalist, der den FCB seit Jahren begleitet, «aber es bleibt nichts anderes übrig, als der Vereinsführung zu glauben.» Das liegt auch an Vogel selbst, der keinerlei Medienfragen beantwortet.

Doch wäre das Herumdrucksen seines Arbeitgebers nicht nur dann verständlich, wenn Vogel einen wirklich kapitalen Bock geschossen hätte? Nein, meint der ehemalige GC-Manager und FCB-Sportchef Erich Vogel: «Es waren Mosaiksteinchen, die zu Vogels Entlassung führten. Dass die Basler die genauen Gründe nicht kommunizieren, spricht für ihre Professionalität.» Bleibt noch eine andere Möglichkeit: Vogel musste gehen, weil die Basler Yakin wollten. Der Spross türkischer Einwanderer stammt aus einfachen Basler Verhältnissen, er ist bei Concordia Basel gross geworden und hat die letzten sechs Jahre seiner Karriere (2001 bis 2006) beim FCB verbracht. Die Bande zum Verein hat er nie gekappt, als er seine Trainerkarriere bei Concordia, GC, Frauenfeld, Thun und Luzern verfolgte. Mit Sportchef Georg Heitz sitzt gar ein Yakin-Fan in der FCB-Vereinsleitung. Der ehemalige Journalist schrieb 2004 ein Buch über die Yakin-Brüder. Darin erfährt man, dass Vertragstreue und Loyalität für die Brüder etwas dehnbare Begriffe sind, dass sie aber doch zwei flotte Kerle seien.

Die Zuneigung beruht auf Gegenseitigkeit. Murat Yakin machte nie ein Hehl daraus, dass es ihn nach Basel zieht. So kokettierte er bereits vor einem Jahr mit einem Wechsel, als er beim FCL unter Vertrag stand und der FCB einen Nachfolger für Thorsten Fink suchte. Die Luzerner tobten, doch der FCB entschied sich letztlich dafür, Heiko Vogel vom Assistenten zum Cheftrainer zu befördern. Bernhard Heusler, damals designierter Nachfolger der exzentrischen Vereinspräsidentin Gigi Oeri, versicherte: «Wir werden wie eine Eins hinter ihm stehen.» Dass sich das geändert hat, hängt nach Ansicht eines Insiders, der mit dem Umfeld des FC Basel vertraut ist, nicht mit Vogels Qualitäten zusammen – sondern mit Heuslers Lage als Präsident. «Er braucht dringend Geld, und Yakin soll ihm helfen, es hereinzuholen. Hinter Vogels Entlassung steckt eiskaltes Kalkül.» Tatsache ist, dass Heusler Geldgeber sucht, die den Klub finanziell absichern sollen – Experten schätzen, dass ein Klub von der Grösse des FCB ein Polster von rund 30 Millionen Franken benötigt. Bisher garantierten dafür die schwerreichen Oeris aus dem Basler Daig, die sich Ende 2011 aus dem Verwaltungsrat zurückzogen. Bernhard Heusler hat als Rechtsberater und Verwaltungsrat von Oeris Gnaden im FCB Karriere gemacht. Die Oeris konnten sich dank der Krönung ihres Vertrauensmanns aus dem Fussballklub zurückziehen, ohne das Gesicht zu verlieren. Wieweit die Familie ihre Finger heute noch im Verein hat – etwa über Aktien-Vorkaufsrechte –, ist nicht bekannt. Sicher ist: Für die Geldbeschaffung ist jetzt mit Heusler ein unscheinbarer Rechtsanwalt zuständig, der als besonnene, differenzierte Seele gilt, Welten entfernt von polternden Vereinspatrons wie Christian Constantin (Sion) oder Walter Stierli (FCL-Ehrenpräsident). Gegenüber dem Sonntag bestätigte Heusler, dass ihm die Bildung einer Trägerschaft vorschwebt, die im Raum Basel verwurzelt sein soll. Entsprechende Gespräche hätten aber noch zu keinen Ergebnissen geführt.

Der oben zitierte Insider vermutet, dass Heusler nach der verpassten Qualifikation für die Champions League die Nerven verloren hat. «Jetzt will er schnellstens Murat Yakins Glamour nutzen, um Geldgeber anzulocken.» Heiko Vogel, der für seine natürliche, aber weniger für seine eloquente Art bekannt war, sei dazu überhaupt nicht geeignet gewesen. Also habe ihn Heusler abserviert, um seine eigene Haut zu retten. Yakin, der als charmantes, ­dandyhaftes Schlitzohr gilt, war demnach «von Anfang an» als Ersatz vorgesehen.

Beweisen lässt sich das nicht. Georg Heitz bestreitet die Glamour-Theorie vehement: «Wir hätten Vogel auch entlassen, wenn Yakin nicht auf dem Markt gewesen wäre. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.» Gemäss der offiziellen Version wurde Yakin erst kurz vor Vogels Entlassung angefragt. Beweise gibt es auch dafür keine. «Es ist alles gesagt worden, was es zu sagen gibt», sagt Georg Heitz, «Sie können das glauben oder nicht.»

Yakin selbst gab sich am letzten Sonntag der Hoffnung hin, dass «die Nebengeräusche vorbei» seien und er sich nun auf den Fussball konzentrieren könne. Tatsächlich wird der Wirbel um den Wechsel niemanden mehr interessieren, wenn Yakin Erfolg hat. Am Donnerstag spielt der FCB im Europacup auswärts gegen den FC Videoton, einen Nobody aus Ungarn; in der Meisterschaft wartet der FC Zürich. Falls Basel aber weitere Spiele verpatzt wie in Luzern, dürfte die Vereinsleitung endgültig in Erklärungsnot geraten – gerade ­gegenüber potenziellen Geldgebern.

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