Presseschau

Aargauer Zeitung vom 15.11.2012

Die Überläufer

Super League Am Sonntag reist Leader GC nach Basel. In jene Stadt, in die schon etliche Hoppers gewechselt haben. Zum ersten Mal seit 2003 dürfen sich beide Rivalen Hoffnungen auf den Titel machen.

Von François Schmid, Sebastian Wendel, etienne wuillemin und patrik schneider

Grasshoppers gegen den FC Basel. Es ist das Duell Erster gegen Vierter, meiste Punkte gegen meiste Tore, meiste Siege gegen meiste Unentschieden. Es ist das Duell des TitelAspiranten aus Zürich gegen den Titel-Favoriten aus Basel. Ein Duell vor allem, das am Sonntag (16 Uhr) im St. Jakob-Park auf Augenhöhe stattfindet.

Gerade dies kommt, betrachtet man die letzten Jahre, ziemlich überraschend. 2001 und 2003 gewannen die Grasshoppers noch den Titel, danach folgte ein jämmerlicher Absturz, von dem sie sich bis zu Beginn dieser Saison nie mehr erholten. In den letzten Jahren musste sich GC gegen den FCB mit einzelnen Prestige-Siegen begnügen, zum Beispiel im Mai 2009, als es mit dem 4:1 den FCZ zum Meister machte.

Doch nun scheint alles anders. Mit dem neuen Trainer Uli Forte weht ein frischer Wind bei den Grasshoppers. Das Team ist jung, aber dank der neuen Achse mit Stéphane Grichting, Milan Vilotic, Vero Salatic und Nassim Ben Khalifa äusserst stabil.

Im Jahr 2003 gewann GC den Titel mit einem Punkt Vorsprung auf den FCB. Es war ausgerechnet die Saison, als Boris Smiljanic in der Winterpause vom Hardturm in den St. Jakob-Park wechselte. Es war ein Wechsel, der hohe Wellen warf. Aber ein Wechsel, wie er nicht selten ist.

Die «Nordwestschweiz» präsentiert die Überläufer von Blau-Weiss zu Rot-Blau und umgekehrt und verrät den künftigen Wechselwilligen schon einmal, was sie in der «fremden» Stadt erwartet – mit einem Augenzwinkern.

Fluglärm im GC-Training

Landen. Dieses Gefühl kennen die GC-Spieler. Letzte Saison wären sie ohne die Fälle Xamax (Konkurs) und Sion (36 Punkte abgezogen) sogar in der Zweitklassigkeit gelandet. Und selbst ein drohendes Grounding konnte man in den letzten Jahren nie ausschliessen. Immer wieder klagte der Rekordmeister über finanzielle Engpässe. Erst die Installation des Owners Club hat die prekäre wirtschaftliche Situation etwas entschärft. Doch neuerdings kennen die Hoppers auch wieder das Gefühl des Abhebens. Platz 1 nach 15 Runden. Und das mit einer Mannschaft, die aufgrund ihrer talentierten Offensive noch Luft nach oben hat. Doch der Höhenflug hat auch seine Kehrseite. Die Lärmbelästigung auf dem GC-Campus in Niederhasli hat zugenommen. Nicht, was Sie jetzt denken. Vero Salatic spielt noch immer für GC und Izet Hajrovic noch nicht für Bosnien-Herzegowina. Nein. Aber parallel zum Höhenflug haben auch die Flugbewegungen über dem GC-Campus in Niederhasli zugenommen, worüber die Mehrzahl der 8568 Einwohner nicht erfreut ist. Weil die Hoppers nicht zu den Verursachern zählen – letztmals haben sie im August 2010 ein Europacup-Spiel bestritten –, ist das Verhältnis zwischen dem einstigen Nobelklub und der Bevölkerung in der Flugschneise ungetrübt. Umso mehr, als sich die meisten Hoppers mit den Zürcher Unterländern und -innen solidarisieren und ebenfalls in der Flugschneise leben. Deshalb gilt: Wer von Basel zu GC wechselt, muss lärmresistent sein.

Vielfliegerei beim FCB

Herr Fink wollte weg. Herr Vogel musste weg. Herr Yakin ist kein Vogel. Frau Meise ist nicht Fussballtrainerin, sondern Wirtin in Baden AG. Und den Hello-Vögeln wurden die Flügel gestutzt. Man könnte meinen, der FCB hätte wieder Boden unter den Füssen. Oder ist er doch eher wie ein Löschflugzeug, das nur mal schnell runter musste, um Wasser zu tanken? Fakt ist: Wenn die Basler abheben, sind die anderen Schweizer Fussballklubs meist am Boden. 57 Flugreisen zu Europacup-Spielen hat der FCB in den letzten zehn Jahren bestritten. Wer von GC zum FCB wechseln will, hat vorzugsweise keine Angst vor dem Höhenflug. Es geht zwar auch mit Flugangst. Wie ein langjähriger FCB-Funktionär beweist. Aber der Mann muss ja auch nicht zur Dopingprobe.

Die Überläufer der letzten Jahre

Direkt von GC zu Basel

1 Mario Cantaluppi

2 Miroslav König

3 André Muff

4 Feliciano Magro

5 Hakan Yakin

6 Boris Smiljanic

7 Mladen Petric

8 Carlos Bernegger (Co-Trainer)

9 Massimo Colomba

10 Yann Sommer

11 Kay Voser

Über Umwege von GC zu Basel

12 Reto Zanni

13 Baykal

14 Bruno Berner

15 Louis Crayton

16 Bernt Haas

17 Patrick Müller

18 Antonio Esposito

19 Christian Gross (Trainer)

20 Michail Kawelaschwili

21 Nenad Savic

Direkt von Basel zu GC

22 Stefan Huber

23 Boris Smiljanic

24 Yann Sommer

25 Taulant Xhaka

Über Umwege von Basel zu GC

26 Mario Frick

27 Orhan Mustafi

Hotspot Kaufleuten

Das Gute an der Schweiz sind die kurzen Distanzen. Das schätzen auch die Fussballer. Weil man nicht zwingend den Wohnort wechseln muss, wenn man den Arbeitgeber wechselt. Oder: Man kann weiterhin in Zürich in den Ausgang, wenn man in Basel wohnt und arbeitet. 82 Kilometer sind es vom St. Jakob Park bis ins Zürcher Kaufleuten. Als Basler ist es sowieso ratsamer, in Zürich Rambazamba zu machen. Warum? Weil die Leute in Zürich keine Fussballer kennen. Denn in dieser Stadt interessiert man sich nicht für Fussball. Das hat für Fussballer den Nachteil, dass man beim Aufriss nicht mit dem letzten Freistosstor punkten kann. «Freistoss? Wo ist dieser Club?». Deshalb sagen später auch viele WAGs (Wives and Girlfriends), beim ersten Date nicht gewusst zu haben, dass Er Fussballer ist. Doch die Anonymität bietet nur so lange Schutz, bis man (Eren Derdiyok) zur Flasche greift und von einem anderen Nachtvogel beschuldigt wird, mit dieser einen tätlichen Angriff verübt zu haben. Deshalb gilt für alle Ballkünstler: Das Kaufleuten hat euch gern, egal ob ihr für GC oder Basel spielt. Aber Hände weg von der Flasche!

Ampermoching ist nicht auf dem Balkan

Ob der bayrische Kabarettist Gerhard Polt als Referent eines Trainerlehrgangs aufgetreten ist, wissen wir nicht. Trotzdem wagen wir mal die Vermutung, dass es nicht Polt war, der FCB-Trainer Murat Yakin eingeredet hat: man spricht deutsch. Ausgerechnet unter Yakins deutschen Vorgängern, Fink und Vogel, wurde schon mal ein Ohr zugehalten, wenn es darum ging, den Ausländern die deutsche Sprache einzutrichtern. Deshalb, liebe Hoppers: Wer zu Yakins FCB wechseln will, sollte wissen, dass Ampermoching ein Ort in Bayern ist.

Wie man dem FCB widersteht – Salatic fragen

Da war sie wieder: diese unverschämte Kraftprotzerei des FC Basel. Jahrelang hatte man damit für beste Unterhaltung, Frustration bei der Konkurrenz und grosse Erfolge gesorgt. Als der FC Lugano noch undurchsichtig wirtschaftete und dadurch ein ernsthafter Gegner war, lockte man die besten Kräfte (Gimenez und Rossi) nach Basel. Als GC noch einigermassen gross war, holte man Hakan Yakin, Pascal Zuberbühler, Boris Smiljanic und Mladen Petric. Und als YB gefährlich wurde, war die Verpflichtung von Gilles Yapi der Schlüssel für die Berner Selbstzerfleischung. Diesen Spätsommer wollten die Basler Salatic verpflichten. Nicht, weil man mit den Neuverpflichtungen nicht zufrieden war. Natürlich nicht. Auch nicht, um GC zu schwächen. Natürlich nicht. Salatic hat dem Lockruf widerstanden. Vorläufig. Wie man das macht? Ganz einfach. Man sagt dem aktuellen Arbeitgeber, wie verlockend ein Wechsel zu Basel ist. Der nächste logische Schritt ist eine saftige Gehalterhöhung.

Wie man dem FCB nicht widersteht – Petric fragen

Fussballer ändern ihre Meinung so häufig wie die Unterhosen. Da zündet Lausbub Mladen Petric 2003 als 22-Jähriger an der GC-Meisterfeier einen Schal an, auf dem «Anti-Basel» steht. Ein Jahr später hat Petric seinen Ekel vor dem rotblauen Riesen vergessen und läuft, trotz Angeboten aus dem Ausland, ans Rheinknie über. Begründung: «Bei GC stagniere ich». Aha. Und Gigis Geldsäckel? Wir gehen mal davon aus, dass Petric das Klirren der Münzen gefallen hat. Gefallen hat den FCB-Fans, wie Petric als Notfallgoalie einen Penalty hielt. Dabei hatten sie bei der Ankunft des Überläufers noch eine Petric-Strohpuppe angezündet. Fazit: Was immer ihr im Leben verbrochen habt, liebe Fussballer, zum FCB dürft ihr immer. Denn erst dort fängt das Leben so richtig an.

Wie man keinem von beiden widersteht – Smiljanic fragen

Und wer ist nun der König aller Vielflieger, Partygänger und Denunzianten? Wir plädieren ganz scheu und ohne Überzeugung auf Boris Smiljanic. Ihm, seit 1993 bei GC, über die Jahre zum Chef der Heugümper gereift, fehlt plötzlich das grosse Kribbeln. Die Folge: Wechsel im Januar 2003, von Leader GC zu Verfolger FCB (2 Punkte Rückstand). «Beim Einlauf durch die Senftube, da war das Kribbeln wieder da», sagt er später. Der Wechsel ist ein voller Erfolg, Basel kann den Rückstand auf Meister GC bis Ende Saison halbieren. Vier Jahre später, Juli 2007: Die Karriere von Smiljanic neigt sich dem Ende zu. Statt «K» wie «Kribbeln» zählt jetzt «K» wie «Knete». Und wer könnte da besser in die Bresche springen als die Ex-Geliebte aus Niederhasli? Um sicher zu gehen, dass Smiljanic nie mehr nach Basel abwandert, offerieren ihm die Hoppers einen 27-Jahres-Vertrag – Smiljanic ist von nun an Spieler, Trainer, Scout, Marketingchef, Podologe und Stylingberater für die GC-Family.

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