Basler Zeitung vom 23.04.2013
Noch zweimal schlafen, dann empfängt der FC Basel den Chelsea FC – ein Vergleich
von Oliver Gut und Tilman Pauls
FCB / Chelsea
Die Aura
Verbindend.Es gibt nur einen Club in der Nordwestschweiz. Der FCB verbindet Jung und Alt, Arm und Reich, Stadt und Land in den jeweils 90 Minuten, in denen er seine Darbietung präsentiert. In der Schweiz spielt kein anderer Sportverein in seinen Stammlanden eine vergleichbar dominante Rolle – und nirgendwo sonst zwischen Rhein und Rhone hat ein Club mit seinen Resultaten so viel Einfluss auf das Wohlbefinden und das Selbstbewusstsein einer ganzen Region.
Steinreich. Die Umfragewerte des Oligarchen-Clubs liegen bestenfalls im Bereich von Paris St-Germain. Auf der Insel ist Chelsea die unbeliebteste Mannschaft, umweht den Club doch seit seiner Gründung die Aura des Geldes. Schon damals kaufte ein Bauunternehmer wahllos die besten Spieler zusammen. Schämen tut man sich deswegen nicht. Wenn ärmere Clubs an der Stamford Bridge zu Gast sind, singen die Fans stolz: «We are fucking loaded» – «Wir sind steinreich».
Der Chef
Eloquent. Intelligenz, Kompetenz, Eloquenz: Es sind dies die häufigsten Attribute, wird der Kopf des FC Basel beschrieben. Worte, die nicht vorkommen, sind «Jacht», «Privatflugzeug» und «Milliarden». Jedenfalls nicht mehr, seit Bernhard Heusler 2012 von Gigi Oeri das Präsidium übernommen hat. Als Chef würde sich der 49-jährige Wirtschaftsanwalt nie bezeichnen. Vielmehr betont er die Notwendigkeit der Demut. Mehr Interviews als Roman Abramowitsch gibt er trotzdem.
Schüchtern. Jacht, Privatflugzeug, Milliarden – es sind die häufigsten Attribute, wenn man den Chef Chelseas beschreiben will. Worte, die man eher selten hört, wenn es um Roman Abramowitsch geht, sind «rücksichtsvoll», «demütig» oder «sparsam». Hat seit 2003 eine Milliarde Pfund verpulvert und acht Trainer verschlissen. Privat will der schüchterne Russe lieber in Ruhe gelassen werden. Vielleicht hat er sein Boot darum mit einem Raketenabwehrsystem ausstatten lassen.
Der Trainer
Cool.Will man Murat Yakin emotional sehen, muss man ihn während einer Fussballpartie beobachten. Den Rest seines öffentlichen Daseins ist der 38-jährige Münchensteiner so cool wie ein Eiswürfel, der lieber noch einen lockeren Spruch nachschiebt, anstatt sich aufzuregen. Seine taktische Spezialität ist die Unberechenbarkeit: Fast immer beinhaltet seine Aufstellung ein unerwartetes Element. Damit überrascht er meist den Gegner – und manchmal auch die eigenen Spieler.
Unbeliebt.Das Publikum erhob sich, empfing Rafael Benitez mit anerkennendem Applaus, es wurden sogar «Danke, Rafa!»-Schilder gesichtet – wenn Chelseas Trainer doch bloss von den eigenen Fans in London auch so herzlich empfangen würde wie bei seinem ehemaligen Club aus Liverpool. An der Stamford Bridge malen sie zwar auch Plakate, dort steht aber meistens «Hau ab, Rafa!». Deswegen wird der Spanier Chelsea wieder verlassen. Die Fans freut es. Benitez wohl auch.
Der Star
Liebenswürdig.Captain, Topskorer, Berufsbasler: Seit Alex Freis Abgang ist Marco Streller die klar grösste Nummer im Kader. Vom eigenen Anhang verehrt, wird er schweizweit respektiert, hat doch inzwischen jeder gemerkt, wie liebenswürdig der 31-jährige Aescher ist. Gilt seit Herbst überdies als König der Schmerzen, da er mit Maske, gebrochener Nase und angerissenem Meniskus spielte. Ein Problem war das nur für die Gegner, denn Streller traf und traf und traf.
Modisch.Chelsea wäre nicht Chelsea, wenn es nur einen Star in seinem Team hätte. Es fängt hinten mit dem modischen Helm-Träger Petr Cech an, geht über die Wuchtbrummen John Terry und Frank Lampard – und endet bei Fernando Torres. «El Nino» hatte mal lange blonde Haare und schoss viele Tore. Die Haare sind mittlerweile kurz und braun, und Torres sieht mit einer Maske aus wie das Phantom der Oper. Manche behaupten, seit er bei Chelsea sei, spiele er auch so.
Die Skandalnudel
Unbeschwert.Er ist weder Bad Guy noch schlampiges Genie, kein Schürzenjäger und kein Trinker. Also eigentlich harmlos. Den Titel der Skandalnudel macht Aleksandar Dragovic dennoch so schnell keiner streitig. Im Spiel ein toller Verteidiger, leistet er sich daneben in seiner Unbeschwertheit ab und zu einen aufsehenerregenden Fehltritt. Ob Torjubel, Glatzen-Jubel oder Feuerwerks-Jubel auf dem Balkon: Seine Freude weiss der Wiener vielfältig zum Ausdruck zu bringen.
Beleidigend.Im Nachtclub in ein Glas gepinkelt und es auf den Boden geworfen. Die Frau mit einer 17-Jährigen betrogen. Die Frau erneut betrogen – mit der Frau von Mitspieler Wayne Bridge. Rio Ferdinands Bruder beleidigt. John Terry ist bekannt für seine Skandale – und damit in bester Gesellschaft. Schliesslich gibt es Ashley Cole, der seine Frau auch betrügt. Oder Eden Hazard, der störrische Balljungen – anders als Geoffroy Serey Die – nicht ohrfeigt, sondern gleich niedertritt.