Basler Zeitung vom 04.10.2013
Die 21-jährige Fussballerin Samira Susuri ist beim FC Basel nicht nur sportlich, sondern auch menschlich gereift
Von Seraina Degen
Basel. «Ich brüchu wieder embiz Sunna», ruft Samira Susuri ihrer Teamkollegin Danique Stein in reinstem Walliser Dialekt zu. Vor dem Spitzenspiel gegen Yverdon (Samstag, 17 Uhr, Campus) will die Mittelfeldspielerin der FC Basel Frauen in ihrer Heimat nochmals Kraft tanken. Die Maturandin mit dem Berufswunsch Architektin hat Herbstferien und nutzt den freien Tag, um ihre Familie in Naters zu besuchen.
«Ich vermisse die Berge», sagt die 21-Jährige. So oft als möglich pendelt sie von Basel ins Wallis – neben der Schule und sechs Trainings pro Woche nicht ganz einfach. Meistens ist es jedes zweite Wochenende der Fall. «Wenn ich zu Hause bin, gehe ich wandern oder verbringe die Zeit mit meinen Freunden.» Mit ihren Eltern und ihren fünf Schwestern ist sie oft auf den Wegen von der Riederalp nach Belalp unterwegs und geniesst die Aussicht auf die Gletscher. «Erst als ich ausgezogen bin, merkte ich, wie schön wir es im Wallis haben. Ich bin sehr dankbar, dass ich an so einem wunderbaren Ort aufwachsen durfte», sagt sie mit leuchtenden Augen.
Karriere immer stetig bergauf
In ihrer Heimat ist Samira Susuri mittlerweile bekannt. «Säg, bisch dü die Tschutterin?», wird sie oft gefragt. Das freut sie, hat sie doch den Grundstein ihrer Karriere beim FC Naters gelegt. In der Gemeinde neben Brig, die den grössten Höhenunterschied der Schweiz hat. Der tiefste Punkt ist das Rhoneufer (673 Meter über Meer), der höchste das Aletschhorn (4195 Meter über Meer). Das passt gut zu Samira Susuri und ihrer bisherigen Karriere. Immer ging es stetig und weit bergauf.
In Naters gibt es neben der Furka- oder der Belalpstrasse auch einen Sportplatzweg. Und auf eben diesem Sportplatz absolvierte sie ihren ersten Fussballmatch bei den E-Junioren, sechs Jahre alt war Susuri damals. «Das werde ich nie vergessen. Ich sass alleine in der Kabine, war sehr aufgeregt und wusste nicht, wie ich die grossen, pinkigen Stulpen anziehen muss. Ich war völlig überfordert.» Bevor die kleine Samira in Tränen ausbrach, half ihr Cousin, der im selben Team spielte. Auf der Tribüne sass ihr Vater Vaid, der einst von Kosovo ins Wallis kam, und hatte Tränen in den Augen. Er war es auch, der seine Tochter oft mit an Spiele des FC Sion ins Tourbillon mitnahm. Heute ist sie immer noch eine Sympathisantin der Sittener und fügt nicht ohne Stolz an: «Im Cup sind wir ein Phänomen.»
Viel Zeit in Fussball investiert
Samira Susuri erzählt von ihrer Kindheit, wie sie «alles mögliche» gemacht, auch Tennis gespielt habe, und ihr Vater dachte, sie werde mal Skirennfahrerin. «Doch am meisten Zeit habe ich in den Fussball investiert», blickt sie zurück. In Naters durchlief sie alle Stufen bis zu den B-Junioren, danach konnte sie physisch nicht mehr mithalten. So kam das Angebot des FC Rot-Schwarz Thun gerade recht und Samira Susuri wechselte mit 16 Jahren ins Berner Oberland. Nebst regelmässigen Einsätzen in der Nationalliga A bekam sie schon bald ein Aufgebot für das U17-, U19- und später für das U20-Nationalteam. Der Höhepunkt in dieser Zeit war die Teilnahme an der U19-EM und an der U20-WM.
Der nächste Meilenstein liess nicht lange auf sich warten. Als im Winter 2009 der FC Basel an Susuris Tür klopfte, wechselte sie aber nicht sofort ans Rheinknie, sondern beendete das Schuljahr im Wallis und spielte die Saison in Thun zu Ende. Mit 19 Jahren zügelte sie im Sommer 2010 schliesslich nach Basel und schloss sich den FCB-Frauen an. «Anfangs hatte ich Mühe, mich in der Stadt zurechtzufinden. Mittlerweile fühle ich mich sehr wohl», sagt sie. Samira Susuri, die nächste Woche 22 Jahre alt wird, lebt im Kleinbasel in einer eigenen, kleinen Wohnung, ist oft mit dem Velo unterwegs, mag es aber auch, am Rheinufer zu spazieren. «Ds Läbu iner Stadt isch sehr lebändig, Basel isch multikulturell, ganz anersch wa ds Wallis.»
Früher, da war auch Samira Susuri noch ganz anders. «Ich war keine einfache Spielerin», ist sie sich heute bewusst. Die Mittelfeldspielerin kam noch zu Beginn ihrer Basler Zeit auf dem Feld schnell einmal aus dem Takt. Traten ihr ihre Gegnerinnen ein paarmal auf die Füsse, liess sie sich schnell provozieren und kassierte dafür öfters eine Verwarnung. «Durch mein Verhalten habe ich das Team manchmal geschwächt, das war nicht gut.» Die temperamentvolle Susuri merkte, dass es so nicht weitergehen kann: «Ich habe eingesehen, dass mir das zum Verhängnis wird, wenn ich mich nicht ändere.» Sie erzählt, wie ihr ihr Umfeld dabei geholfen habe, ruhiger zu werden und sich auf dem Feld zu beherrschen. «Doch letztlich musste ich es selber tun, und ich wollte es, für mich persönlich. Heute kann mich nichts mehr so schnell aus der Ruhe bringen», sagt sie. Gegnerinnen, mit denen sie sich früher auf dem Platz angelegt hat, kommen heute zu ihr und sagen, «wie unglaublich» sie sich verändert habe.
Zur Führungsspielerin gereift
Bei den FCB-Frauen ist Samira Susuri zur Führungsspielerin gereift. Sie ist zwar erst 21 Jahre alt, ihr Trainer Beat Naldi hält dennoch viel von ihr: «Susuri bringt alles mit, was ein Sechser braucht: Sie hat eine gute Übersicht, ist kopfballstark und verfügt zudem über einen harten Schuss.» Er war es auch, der sie vom offensiven ins defensive Mittelfeld beorderte. In der laufenden Saison hat sie bereits fünf Tore erzielt.
Gerne würde sie auch am Samstag gegen Yverdon wieder jubeln. Nach dem 4:0-Sieg im Cup gegen Thun am Sonntag liegt der Fokus seit Montag auf dem Spiel gegen den aktuellen Leader, der nach sieben Runden vier Punkte Vorsprung auf die Baslerinnen aufweist. Die Walliserin, die das Spielfeld immer mit dem linken Fuss betritt, weiss, was auf sie und ihr Team zukommen wird: «Wir wollen gewinnen, aber es wird ein hartes Spiel, das uns alles abverlangen wird. Wie immer gegen Yverdon.»
Mit konstant guten Leistungen wird Samira Susuri nun auch ein Thema für das A-Nationalteam. Im August bekam sie für ein Trainingszusammenzug das erste Aufgebot, für die WM-Qualifikationsspiele im September war sie auf Abruf. «Es ist schon immer mein Traum gewesen für die Schweiz zu spielen. Das Aufgebot sehe ich als Verdienst für all das, was ich bisher investiert habe. Mein Ziel ist es, bei den nächsten Qualifikationsspielen dabei zu sein.» Es wäre für Samira Susuri ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Gipfel.