Aargauer Zeitung vom 26.10.2013
Fussball · Innenverteidiger Ivan Ivanov über seine Karriere, den FC Basel und das bulgarische Nationalteam.
Markus Brütsch
Plötzlich runzelt der sonst so freundliche Bulgare die Stirn. Die Frage, weshalb er die Flanke zum Torschützen zugelassen habe, gefällt ihm nicht. «Sie kam ja von ganz aussen, fast von der Linie», sagt Ivan Ivanov, «ich aber bin Innenverteidiger.» Um wenig später dann doch einzuräumen, dass sich der FC Basel in Bukarest beim Gegentor zum 1:1 ziemlich naiv angestellt habe. «Aber», sagt Ivanov und lächelt bereits wieder, «wir haben noch immer alle Chancen, uns für die Achtelfinals in der Champions League zu qualifizieren. Das Schlüsselspiel wird vermutlich jenes auf Schalke sein.»
Apropos naiv: Dieses Wort gebraucht Ivanov auch, wenn er auf sein Debüt im Trikot des FC Basel zu sprechen kommt: «Wir haben zuerst hervorragend gespielt, uns dann aber naiv angestellt.» Auch er selber hatte beim einen der beiden Gegentore, die zur 1:2-Niederlage gegen den FCZ führten, nicht gut ausgesehen.
Gleichwohl lässt sich sagen, der 25-Jährige sei für den FCB ein sehr guter Transfer gewesen. Dank eines starken Stellungsspiels und viel Abgeklärtheit hat Ivanov seinen Anteil daran, dass die Basler nur noch beim 2:2 gegen Sion mehr als einen Gegentreffer hinnehmen mussten. «Ich habe mich gut eingewöhnt, wir spielen auf einem hohen Level und es macht Spass, mit Fabian Schär die Innenverteidigung zu bilden», sagt Ivanov. «Er ist ein Riesentalent und wird einmal in einer grossen Liga spielen.»
Weltmeisterschaft am Fernsehen
Und voraussichtlich auch in Brasilien. Dorthin wäre Ivanov im nächsten Jahr auch gerne gereist, doch mit einer 0:1-Niederlage gegen Tschechien hat Bulgarien die letzte Chance auf die WM-Teilnahme verspielt. «Wir waren nahe an der Barrage», sagt Ivanov, «wir haben so gut gespielt wie lange nicht mehr und werden nun mit aller Kraft versuchen, uns für die nächste Europameisterschaft zu qualifizieren.» 39-mal ist er bereits für sein Heimatland aufgelaufen. Besonders gern denkt er an seinen Einstand zurück, als er als 19-Jähriger beim 0:0 gegen Italien Stürmerstar Gilardino in Schach hielt.
Schon acht Jahre zuvor hatte er sein Elternhaus in der Provinzstadt Zlatitsa verlassen. Des Fussballs wegen war er ins 180 Kilometer entfernte Blagoevgrad gezogen, um sich beim FC Pirin zum Profi ausbilden zu lassen. Natürlich, die Schule besuchte er auch und schloss sie sogar ab, doch nichts war schon in seiner Jugend wichtiger als der Fussball. Es war jedoch nicht der Vater oder sonst jemand aus der Familie gewesen, der ihn mit diesem Virus infiziert hatte. Als knapp Sechsjähriger hatte er im Fernsehen miterlebt, wie Emil Kostadinov gegen Frankreich den 2:1-Siegtreffer und die Bulgaren an die WM 1994 in die USA schoss. Wo sie sensationell den vierten Platz belegten und mit Petar Aleksandrov einen Spieler im Kader hatten, der in der Schweiz Torschützenkönig geworden war und hier später sesshaft wurde.
Klar, dass sich Aleksandrov nach der Ankunft seines Kompatrioten in Basel um diesen gekümmert hat. «Ich habe ihm geholfen, wo es nötig war», sagt der 50-Jährige. «Ivan ist ein sehr bodenständiger Typ und wir pflegen einen guten Kontakt.» Am letzten Sonntag haben sich die beiden im Brügglifeld das Spiel Aarau gegen Zürich angesehen. Dabei habe, so Ivanov, der Schiedsrichter beim Verteilen der Karten keine glückliche Hand gehabt, und es sei für den FCZ ein Nachteil gewesen, mit dem dritten Torhüter weiterspielen zu müssen.
Ob dieser auch gegen den FCB im Tor steht, ist Ivanov egal. Sein Ziel neben dem Sieg sei aber schon, bald sein erstes Super-League-Tor zu schiessen. «Wenn ich Tore mache, dann meistens mit dem Kopf», sagt der 1,86-Meter-Hüne. Wie beim 1:0 im Cup gegen Old Boys. Wie für CSKA Sofia gegen Dynamo Moskau oder für Partizan Belgrad gegen Tromsö im Europacup. Mit beiden Vereinen ist er Landesmeister geworden, nur bei einem Leihaufenthalt in Plovdiv und später mit Wladikawkas hat es nicht zu einem Titel gereicht.
Fussballverrückt
Zwar hat sich Ivanov am Donnerstag bei den Swiss Indoors seinen Landsmann Grigor Dimitrov angeschaut und auch sonst interessiert ihn der Sport, doch Aleksandrov hatte schnell einmal festgestellt: «Sein Leben dreht sich um den Fussball.» So sehr, dass Ivanov in einem Interview gar behauptet hat: «Sie können mich alles fragen, ich kenne jede Antwort.» Den Test vor dem Gastspiel im Letzigrund besteht er indes nicht. «Ivan, wie heisst der Trainer des FC Zürich und in welchem Stadion ist der FCB am Sonntag zu Gast?» Ivanov druckst herum und sagt dann kleinlaut: «Sie können mich alles fragen – zu Italien, England und Deutschland. Für den Schweizer Fussball brauche ich aber noch Zeit.»
Da sind sie noch einmal für einen Augenblick, die Runzeln auf der Stirn des sonst so fröhlichen Bulgaren.