Presseschau

Basler Zeitung vom 13.05.2014

Steckbrief für Fussball-Chaoten

Zum zweiten Mal greift die Staatsanwaltschaft zum Mittel des Internet-Prangers, um Hooligans zu fassen

Von Daniel Wahl

Basel. Die Auseinandersetzung zwischen FCB-Hooligans und Schalke-­04-Schlägern ging fast unter – vor jenem Champions-League-Spiel am 1. Oktober im letzten Jahr, als Greenpeace ein Transparent gegen den Schalke-­Sponsor und russischen Energiekonzern Gasprom entrollte. Die Aktion der Umweltorganisation, die für einen Spielunterbruch sorgte, beherrschte die Schlagzeilen. Dass aber im Vorfeld des Spiels Schäden von über 100 000 Franken verursacht, Gummischrot, Reizgas, ein Superpuma und mehrere Dutzend Polizisten eingesetzt worden waren sowie nach einer Schlacht unter Fussballchaoten 23 Verletzte ins Spital eingeliefert werden mussten und die Polizei 27 Anhaltungen zählte, fand in den Medien kaum Erwähnung.

Jetzt aber ruft die Basler Staatsanwaltschaft (Stawa) den Gewaltexzess vor jenem Spiel in Erinnerung: Sie droht den durch Fotos identifizierten Chaoten mit einem Internet-Pranger. Dabei verfahre die Stawa nach einem Drei-Stufen-Modell, sagt Mediensprecher Peter Gill. Zuerst werden die an den Ausschreitungen beteiligten Personen aufgerufen, sich in den nächsten Tagen bei der Staatsanwaltschaft zu melden. Wer sich selber bis zum 26. Mai anzeigt, verhindert damit die Veröffentlichung seiner Person im Internet. Die Bilder aber von Personen, die sich nicht melden, werden in einer zweiten Phase gepixelt im Netz publiziert. Sofern die Verdächtigen immer noch nicht ermittelt werden können, werden die Bilder ungepixelt im Netz aufgeschaltet, schreibt die Staatsanwaltschaft weiter.

In drei Phasen den Druck erhöhen

Mit diesem dreistufigen Vorgehen halte man sich an die Empfehlung der Staatsanwältekonferenz (SSK). Damit erhielten die Gewalttäter die Chance, eine Publikation ihres Bildes im Internet abzuwenden. Dieser Tipp der SSK entspreche ungefähr dem Prozedere, wie es die Stawa im Jahr 2009 zum ersten Mal angewandt hatte. Damals, nach dem Cup-Spiel im November, zerlegten rund 200 Zürcher Chaoten den Gästesektor im St.-Jakob-Park und einen ­Getränkestand. Es gab 25 Verletzte. Ein knappes Jahr nach dem Vorfall – nachdem die herkömmliche Ermittlungsarbeit abgeschlossen war und kein weiterer Täter identifiziert werden konnte – drohte die Staatsanwaltschaft mehrmals, die Bilder ins Netz zu stellen, und machte schliesslich die Drohung wahr.

Das habe sich bewährt und war ein Erfolg, sagt Stawa-Sprecher Peter Gill. Von den damals 17 im Netz publizierten Chaoten wurden elf erwischt: «Sie ­wurden entweder von der Bevölkerung identifiziert oder haben sich selber ­gemeldet.»

Laut Gill ist sich die Stawa bewusst, dass der Internet-Steckbrief nachhaltig für den Täter ist und wie ein Pranger wirkt: «Einmal im Netz, immer im Netz», sagt er. Deshalb wende man das Prozedere sehr sparsam an. Im Rahmen von Ermittlungen gegen Fussball-­Chaoten ist es darum innerhalb von vier Jahren erst das zweite Mal, dass sich die Stawa zu diesem Vor­gehen entschlossen hat.

Im Vorfeld seien auch jetzt alle ­möglichen Ermittlungen abgeschlossen worden – man habe mit Betroffenen gesprochen, sich in Fankreisen erkundigt und so weiter. Auf diesem Weg hat die Stawa bisher mehrere gewalttätige Fussballanhänger identifiziert. Gegen sie wurden bereits Verfahren wegen ­Angriff, Gewalt und Drohung gegen ­Behörden und Beamte und Landfriedensbruch eingeleitet.

Zahlreiche Schläger konnten aber noch immer nicht identifiziert werden. Die Stawa hat sich darum entschieden, die Fotos der verbliebenen Gesuchten zu veröffentlichen.

Missmut unter FCB-Fans

Wie viele Chaoten «internet-steckbrieflich» ausgeschrieben werden, will Peter Gill aus ermittlungstaktischen Gründen nicht mitteilen. Es könnte sein, dass sich sogar Personen selbst anzeigen, von denen die Stawa keinen Hinweis auf Gewalttätigkeiten hat – ­alleine aufgrund des jetzigen Fahndungsaufrufs und dem Druck, am Pranger zu landen.

Auf den einschlägigen Diskussions-plattformen drücken FCB-Fans bereits ihren Missmut aus: Wenn schon müssten alle Verbrechen im Internet angeprangert werden; es sollten nicht bloss Hooligans und Schläger im Internet ausgeschrieben werden, heisst es. Und dann fordert man die Stawa auf, auch Bilder von gesuchten Einbrechern und mutmasslichen Vergewaltigern ins Netz zu stellen.

Ermittlung gegen Vergewaltiger

Neben der Tatsache, dass die Wahrscheinlichkeit geringer ist, Bilder von Einbrechern oder Vergewaltigern zu ­erhalten als Fotos von einer Chaoten-­Schlacht, gibt Gill Folgendes zu bedenken: «Wir greifen auf das Mittel des Internets nur zurück, wenn eine gewisse Schwere vorliegt und wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind.» Offenbar liegt dieser Schweregrad vor, obschon alle Verletzten rund um das Schalke-­FCB-Spiel im Oktober ambulant behandelt werden konnten.

Aber allen Hooligans, die sich einseitig oder ungerecht von der Fahndung verfolgt sehen: Bereits zweimal ermittelte die Stawa mittels Fotos im Internet ausserhalb der Fussballszene – nach ­einem Vergewaltiger und einem gefährlichen Schläger, wie Gill sagt.

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