Neue Luzerner Zeitung vom 27.05.2014
Nationalteam Der erste Trainingstag der Schweizer in Weggis ist bereits Geschichte. Der Krienser Valentin Stocker (25, Bild) spricht über die Fans, Berlin und die Swissporarena in Luzern.
Valentin Stocker, das Trainingscamp in Weggis hat begonnen. Wie haben Sie die Atmosphäre am ersten Tag in der Thermoplan-Arena erlebt?
Valentin Stocker: Klar ist es «härzig» zu sehen, wie die Leute lachen, wie gut sie drauf sind. Es sind unsere Fans, und ich hoffe, es werden in dieser Woche weiterhin so viele Leute zu uns kommen.
Wie ist es für Sie als Krienser, in der Zentralschweiz ein Trainingslager zu absolvieren?
Stocker: Es ist sehr speziell, am Morgen aufzustehen und den Vierwaldstättersee zu sehen. Ich fühle mich sehr wohl. Ich war auch schon privat im Hotel Park Weggis, es gibt in dieser Hinsicht nicht viel Besseres auf der Welt. Meine Familie und meine Freundin leben in der Umgebung und werden in dieser Woche sicher mal auf einen Kaffee vorbeikommen.
Vor kurzem haben Sie bei Hertha Berlin einen Vierjahresvertrag unterzeichnet. Weshalb haben Sie sich für diesen Verein entschieden?
Stocker: Hertha hat mich während Jahren beobachtet, der Chefscout sah rund 40 Spiele von mir. Die Begeisterung und die Vorfreude in Berlin waren beeindruckend. Klubs aus England, Russland oder der Ukraine hatten mehr Geld für mich geboten. Doch wenn mir ein russischer Trainer sagt: «Nimm den Ball und bring Leistung», dann gehe ich ein. Ich brauche im Klub eine gewisse Wärme. Wenn ich mich verpflichtet fühle, komme ich auf mein optimales Leistungsniveau. Das habe ich schon in Basel gezeigt. Ich bin dem FCB daher sehr dankbar, dass er Hertha ermöglichte, diesen Transfer zu stemmen. Hertha hat letztlich viel für mich bezahlt (3 Millionen Euro, Anm. d. Red.), nun möchte ich mindestens gleich viel zurückgeben.
In Berlin haben sich die Medien mit Superlativen überschlagen, nachdem der Transfer bekannt geworden war. Von einem «Big Bang» oder einem «Königstransfer» war die Rede. Was geht Ihnen bei solchen Wortmeldungen durch den Kopf?
Stocker: Ich sehe mich nicht als Königstransfer. Deshalb mache ich mir keinen Druck. Hertha hat bereits drei, vier Transfers getätigt, es findet ein Umschwung statt, man will künftig personell breiter abgestützt sein.
Wie wichtig war es für Sie, Ihre Zukunft vor der WM geregelt zu haben?
Stocker: Für den Kopf ist das sehr wichtig. Wir wollen ja nicht nach Brasilien gehen, um zu schauen, wie es da so ist. Der Fussball kann fast zur Nebensache werden, wenn man jede Woche zu hören bekommt, dass es schon lange an der Zeit wäre, den Wechsel ins Ausland zu machen. Nun kann ich in Brasilien befreit aufspielen.
Welchen Wert hat für Sie die Schweizer Nationalmannschaft?
Stocker: Einen sehr grossen Wert, manchmal fast zu gross. Ich bin extrem stolz, für die Schweiz spielen zu können, wenn ich die Nationalhymne höre, bekomme ich noch immer Gänsehaut. Wir haben nun eine Mannschaft beisammen, die über extrem grosse individuelle Klasse verfügt. Alle sind gut drauf, einige haben zwar noch kleine Blessuren, aber jeder will dabei sein. Wir sind optimal in die WM-Vorbereitung gestartet. Wenn ich dann im Flugzeug Richtung Brasilien sitze, werde ich sicherlich eine Schlaftablette brauchen, um einschlafen zu können.
Was assoziieren Sie mit Brasilien?
Stocker: Für mich ist Brasilien das Land der Freude, der Inbegriff von Spass. Das schlägt sich auch auf den brasilianischen Fussball nieder. Ich war schon als Kind ein Fan von Brasilien. Ich glaube, dass Brasilien Weltmeister wird. Oder wir.
Am nächsten Freitag spielt die Schweiz das erste von zwei Länderspielen in Luzern. Gegner ist Jamaika. Wie schauen Sie diesem Duell entgegen?
Stocker: Ich freue mich sehr darauf. Das Stadion in Luzern ist wunderschön, wirklich gelungen. Ich hoffe, dass es ausverkauft sein wird und dass uns die Fans unterstützen werden. Für mich als Luzerner wird es etwas Spezielles sein, weil in Luzern für einmal ein grösserer Teil des Publikums für und nicht gegen mich sein wird.
Spielt die Angst vor Verletzungen mit?
Stocker: Nein, ich denke nicht. Wir werden Vollgas geben. Klar geht man nicht in Zweikämpfe, die von vorneherein nicht gut ausgehen können. Doch wir ziehen weder im Training noch im Testspiel die Schuhe an, um nur zu hoffen, dass nichts passiert. Meistens passiert genau dann etwas. Letztlich könnte ja auch einer krank werden. Mit dieser Situation muss man gelassen umgehen.
Interview Stephan Santschi