Presseschau

Basellandschaftliche Zeitung vom 19.07.2014

Alles neu im Zirkus FCB

Analyse · zum FC Basel, der heute in Aarau in eine neue Ära startet

Sebastian Wendel

Murat Yakin? Wer sich dieser Tage umhört im Dunstkreis des FC Basel, der stellt fest: Der Mann, der den Klub zwei Mal in Folge zum Meistertitel und zu historischen Erfolgen im Europacup geführt hat, ist acht Wochen nach seiner Entlassung kein Thema mehr. Stattdessen: Paulo Sousa hier, Paulo Sousa da, Paulo Sousa überall. Zu spannend, zu aufregend ist der neue Trainer, als dass man irgendwo den Schatten seines Vorgängers ausmacht. Eine neue Amtssprache (Englisch), gemeinsames Frühstück und Mittagessen für die Spieler, grösstenteils geschlossene Trainings, die Überwachung der Spieler mittels GPS-Sender, streng geregelte Medienarbeit – der Portugiese hat in den letzten vier Wochen so ziemlich alles auf den Kopf gestellt. Sagen, dass unter Yakin weniger professionell gearbeitet wurde, will niemand. Aber sei es in der Klubleitung, auf der Geschäftsstelle, im Betreuerstab und nicht zuletzt in der Mannschaft – die Ordnung und die klaren Regeln, der frische Wind, der mit Sousa in den etwas festgefahrenen Betrieb gekommen ist, kommen überall gut an.

Irgendwann werden die Vergleiche zwischen Sousa und Yakin kommen

Die Aufbruchstimmung überdeckt zurzeit alles. In den ersten Wochen der Meisterschaft auch die Resultate – sollten diese wegen fehlender Automatismen und der verzögerten Integration etlicher Stammspieler noch nicht stimmen. Ein Vorteil ist die direkte Qualifikation für die Champions League. Das befreit Rot-Blau von der mentalen Last, schon jetzt bereit sein zu müssen für Alles-oder-nichts-Spiele. Doch irgendwann werden die Vergleiche zwischen Sousa und Yakin kommen. Spätestens dann, wenn die Tabelle in der Super League Aussagekraft hat und sich in der Champions League abzeichnet, ob der FCB eine Chance zum Überwintern hat. Läuft es gut, dann wird man sagen: Alles richtig gemacht. Der FCB gewinnt immer noch – und jetzt auch spektakulär! Nicht weniger erhoffen sich die Bosse von Sousa.

Der hat den Auftrag verstanden und sagt mit dem Selbstbewusstsein eines Mannes, der als Spieler zwei Mal die Königsklasse gewonnen hat: «Ich will nicht nur Siege, ich will die Siege fühlen. Glauben Sie mir, es wird so kommen!» Worte, an denen Sousa sich messen lassen muss. Sind die Fortschritte nicht erkennbar, gewinnt der FCB weiter mit nüchternem Resultatfussball, wird die Frage lauten: Was hat der Wechsel gebracht?

Damit der St. Jakob-Park wieder zur Zirkusarena wird, hat die Klubleitung kräftig in die Abteilung «Spektakel» investiert: Rund acht Millionen Franken haben Yoichiro Kakitani, Shkelzen Gashi und Derlis Gonzalez gekostet. Sie sorgen dafür, dass die FCB-Ausgabe 2014/15 auf dem Papier stärker ist als die bisherige. Neun A-Nationalspieler waren es in der letzten Saison, elf sind es jetzt. Doch trotz der verheissungsvollen Transfers – der eine oder andere im Stadion wird künftig ein bisschen Wehmut verspüren beim Blick auf den Rasen: Der Lokalkolorit, der die Mannschaft in der goldenen Ära mit fünf Meistertiteln in Serie geprägt hat, ist fast gänzlich verloren. Marco Streller, der vor seiner letzten Saison als Profifussballer steht, und Fabian Frei sind die zwei einzigen verbliebenen Identifikationsfiguren.

National fehlt es dem FC Basel auch weiterhin an ernsthafter Konkurrenz

Alles neu im Zirkus FCB – nur eines ist geblieben: Macht er keine grossen Fehler, wird der FC Basel auch am Ende der neuen Saison von ganz oben grüssen. Solange die Konkurrenz weiterhin schon vor der Saison ehrfürchtig vor dem Riesen vom Rheinknie in die Knie geht, wird sich daran nichts ändern. Die wahre Herausforderung bietet sich dem FCB woanders – auf der europäischen Bühne: Champions-League-Achtelfinal! Das erwarten die Bosse. Am besten schon in dieser, spätestens aber in der Saison 2015/16. Darum haben sie die Mannschaft in der Breite nochmals verstärkt.

Für die Spieler wird die Herausforderung eine grössere sein als bisher. Nimmt man Paulo Sousa beim Wort, dann sind Erholungspausen in der Super League nach kraftraubenden Europacup-Reisen passé. Unter Murat Yakin war dies noch anders. Raus aus der Komfortzone – Sousa verlangt immer Vollgas. Seine Spieler sollen sein wie Zirkusartisten, die auch noch beim Zeltaufbau mithelfen: Hier die Super League, wo sie Woche für Woche Verteidigungswälle durchbrechen und dabei auch noch Spektakel bieten müssen. Dort die Champions League, wo sie im Scheinwerferlicht stehen und scheinbar übermächtige Gegner leichtfüssig überspringen sollen. Manege frei!

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