Presseschau

NZZ am Sonntag vom 31.08.2014

Erfolg verengt den Weg

Weil sich der FC Basel auch auf die Champions League ausrichtet und über Mittel verfügt, treibt er die interne Konkurrenz an. Das betrifft auch die eigenen Jungen.

Von Peter B. Birrer

Der 17-jährige Stürmer Breel Donald Embolo debütiert im St.-Jakob-Park. Er schiesst im März gegen Aarau das bedeutungslose 5:0. Torhüter Yann Sommer rennt zur Gratulation quer über den Rasen. Im Stadion ist die Frische spürbar, die Sehnsucht auch. Ein Neuer ist da, der Baseldeutsch spricht. Ein Junger, in Kamerun geboren und früh in die Schweiz gekommen. Er erhält weitere Einsätze, oft sind es ein paar Minuten wie in der Europa League gegen Valencia, in einem Spiel, in dem er sich schleppend bewegt und kein Bein vors andere bringt.

Oder beim Saisonauftakt in Aarau, als der FCB Youngsters forciert, auch Embolo, der einmal das leere Tor nicht trifft, weil er allein vor dem Tor zu lange zögert und zur Youtube-Nummer wird; doch das andere Mal placiert er den Ball in die hohe Ecke. Auf und ab geht's. Ein Beobachter attestiert ihm «fast unanständig viel Begabung». Das wissen sie in Basel, das weiss auch Erdin Shaqiri. Der Bruder und Berater Xherdan Shaqiris sucht die Nähe zu Embolo, weil einer wie er ökonomisch betrachtet Geldquelle werden kann – wie Shaqiri, Granit Xhaka und Sommer, «eigene» FCB-Spieler, die für über 30 Millionen Franken in die Bundesliga verkauft wurden.

Die Momentaufnahmen mit dem 17-Jährigen sind Versprechen und Gefahr, sie zeugen von Talent, Wechselhaftigkeit, Unbekümmertheit. Der Prolog mit Embolo beflügelt die Phantasie. Mehr nicht. Noch nicht. Vielleicht ist er auch am Sonntag im Spiel gegen YB zu sehen. Für ein paar Minuten.

Walter Samuel, 36-jährig

Mit dem Erfolg steigt der Anspruch. Der FC Basel muss sich auch auf die Champions League und Gegner wie Real Madrid und Liverpool ausrichten. Aber nicht zuvorderst mit Embolo. Der FCB holte für ein paar Millionen Franken Vaclik (Tschechien), Kakitani (Japan), Gonzalez (Paraguay), Hamoudi (Ägypten), den Torschützenkönig Gashi (GC), das Talent Zuffi (Thun), aber auch den 36-jährigen Routinier Walter Samuel (Inter Mailand).

Walter Samuel? Auch ihn kann man sich dank der finanziellen Basis leisten, für wie lange auch immer. Er ist erfahren und hat 68-mal Champions League gespielt. Samuel kann auch neben dem Rasen wertvoll sein, gerade im Bernabéu gegen Real Madrid. Gleichzeitig könnte die Verpflichtung Samuels zulasten der Einsatzzeiten Arlind Ajetis gehen. Ajeti hat Jahrgang 1993 und ist ein Eigener, der sich in der letzten Saison oft zeigen durfte. Jetzt steht er hinten an. Der Trainer Paulo Sousa setzt Ajeti wie Embolo (1997) und Naser Aliji (1993) wenig ein, im Gegensatz zu Taulant Xhaka (1991), der Stammspieler ist. Mit dem steigenden Anspruch geht der Eindruck einher, dass im Moment in Basel der Weg für die Jungen verstellter ist als auch schon.

Dem halten die Verantwortlichen entgegen, dass die Qualitätsfrage entscheide. «In anderen Vereinen kommt ein qualitativ gleichwertiger 20-Jähriger zum Teil schneller ins Team als in Basel, da die Konkurrenz kleiner ist», sagt Thomas Häberli, der für YB gearbeitet hat und jetzt die U 21 des FCB trainiert. Man müsse sich bewusst sein, dass Xhaka und Shaqiri Ausnahmefälle seien, «von denen man nicht drei pro Jahr entdeckt». Der FC Basel hat als Nummer 1 in der Schweiz über die Jahre die Kultur des Selbstbewusstseins verinnerlicht, «das spüren auch die 19- und 20-Jährigen», sagt Häberli. Abbild davon ist die Infrastruktur des FCB-Campus, von der YB nur träumen kann.

Jeder Weg bleibt im FCB offen und die Durchlässigkeit vom Nachwuchs nach oben bestehen. Das betont Adrian Knup, der im FCB-Vorstand die Akademie leitet. Aber Knup gibt zu bedenken, dass es schwieriger geworden sei für die Jungen, zu Einsatzminuten zu kommen, «also braucht es noch mehr, muss unsere Abteilung noch besser arbeiten». Den Transfer Samuel könne man «gut finden oder nicht», sagt Knup, «aber man muss ihn auch in der Schnelllebigkeit des Geschäfts sehen, im Vergleich zur letzten Saison sind neun Kaderspieler der 1. Mannschaft nicht mehr da». Bis 40 bleibt Samuel nicht in Basel.

Reicht es für den Jungen nicht sofort, gibt es den Umweg über einen anderen Klub, den Fabian Frei (St. Gallen), Sommer (Vaduz, GC) und Taulant Xhaka (GC) gingen. Zuletzt wechselten die 1994er Jahrgänge Aurélien Chappuis und Musa Araz zu Le Mont, Michael Weber zum FC Wohlen und der Goalie Mirko Salvi zum FC Biel. Darko Jevtic (1993) schloss sich Lech Posen an. Die Transfers werden meistens auf Leihbasis abgewickelt. Der FCB bezahlt mit, der Abnehmer-Klub erhält Verstärkung und der Fussballer Spielpraxis.

Ein Drittel aus der eigenen Schule

Gemäss der Philosophie des FC Basel sollte ein Drittel des Kaders aus der eigenen Schule stammen. Das wird erfüllt, rechnet man neben Marco Streller und Philipp Degen den dritten Goalie Pascal Albrecht hinzu. Vier Junge wurden diesen Sommer integriert. «Wir würden gerne mit 20 Spielern arbeiten, die bei uns ausgebildet wurden. Aber das ist nicht realistisch», sagt der FCB-Sportdirektor Georg Heitz. Das ist auch darum nicht realistisch, weil schnell weg und auf einer höheren Stufe ist, wer zu den Hochbegabten zählt. Klubs wie Chelsea, Manchester City und Real sind seit je fast nur mit fremden Steinen gebaut.

Man ortet die Strategie des FCB im kalkulierten Risiko, das finanziert werden kann, aber nicht unbedingt die Jungen bevorteilt. Für den argumentativen Konter greifen Heitz und Knup auf das legendäre Champions-League-Jahr des FCB 2002/03 zurück. Damals kamen einzig die beiden Yakin-Brüder aus der Region, die erst noch bei Concordia und nicht im FCB ausgebildet worden waren.

Am besten erzählen die Verantwortlichen Breel Donald Embolo nicht von damals. Die Namen Shaqiri, Xhaka, Sommer und Frei genügen. Aber Embolo muss auch wissen, dass viele Talente steckenbleiben.

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