Blick am Abend vom 15.10.2014
Von Micha Zbinden und Tobias Fankhauser
SKANDAL
Abbruch des brisanten Spiels zwischen Serbien und Albanien. Gleich vier Akteure aus der Super League sind involviert.
Es sind wüste Szenen, die eher an einen Wild-West-Film als an ein Fussballspiel erinnern. In der Euro-Quali zwischen Serbien und Albanien kommt es in Belgrad am Dienstagabend zu ganz üblen Ausschreitungen: Auf dem Spielfeld prügeln sich mit Stühlen bewaffnete Zuschauer, aufgebrachte Spieler, Funktionäre und Ordner! Und mittendrin sind mit FCB-Star Taulant Xhaka, St. Gallens Ermir Lenjani, FCZler Burim Kukeli und Amir Abrashi (GC) vier Albaner, die sonst in der Schweiz spielen.
Kurz vor der Pause, es steht 0:0, beginnt der Wahnsinn. Pyros fliegen aufs Spielfeld, Schiri Atkinson (GB) unterbricht die Partie. Doch damit nicht genug – kurz darauf fliegt eine Drohne (!) ins weite Rund – und bringt eine albanische Flagge in den Hexenkessel. Die Botschaft: Die Forderung nach einem potenziellen albanischen Grossreich. Für die Serben eine riesige Provokation. Olsi Rama, der Bruder des albanischen Regierungschefs Edi Rama, soll die Drohne vom VIP-Bereich aus per Fernbedienung gesteuert haben. Er wird laut serbischen Medien noch im Stadion festgenommen.
Der Serbe Stefan Mitrovic, Teamkollege von Mehmedi und Bürki beim SC Freiburg, reisst die Flagge runter, worauf die Situation völlig eskaliert. Taulant Xhaka (23), der ältere Bruder von Nati-Spieler Granit Xhaka (22), mischt kräftig mit bei den Tumulten. Die Nummer 14 der albanischen Nationalmannschaft rennt mitten ins Getümmel, beteiligt sich aktiv an der Auseinandersetzung. Die albanischen Nationalspieler flüchten in die Kabine. Auf dem Weg in die Katakomben werden sie mit Steinen beworfen. Es kommt zum Spielabbruch.
Die Stimmung ist aufgrund politischer Interessenskonflikte bereits vor der Partie mächtig aufgeladen (siehe Box rechts). Die Uefa gibt deshalb aus Sicherheitsgründen im Vorfeld bekannt, dass sowohl beim gestrigen Spiel wie auch beim Rückspiel in Albanien keine Gästefans ins Stadion gelassen werden.
Rund 1000 Kilometer entfernt stellt der Schweizer Nati-Star Granit Xhaka unmittelbar nach dem Spiel in San Marino (4:0-Sieg) ein Foto seines Bruders Taulant auf Instagram. Granit solidarisiert sich mit ihm, schreibt: «Das zeigt die Stärke der Albaner. Wir gedenken Adem Jashari.» Zur Erklärung: Jashari war ein Mitbegründer der Befreiungsarmee des Kosovo.
Granit heute zu Blick am Abend: «Was in Belgrad passiert ist, hat nichts mehr mit Fussball zu tun. Es tut mir sehr leid für alle Fans.» Taulant sei leicht an der Backe verletzt. Es sei aber nichts Schlimmes.
Die Uefa übergibt den brisanten Fall ihrer Ethik- und Disziplinarkammer.