Blick vom 05.03.2015
Von Sandro Inguscio (Text), Sven Thomann und Kathi Bettels (Fotos)
Die Münsinger Hobby-Kicker schieben gegen den Krösus zwar Überstunden. Entlöhnt werden sie dafür aber nicht.
Petrus und Frau Holle sind wirklich Münsingen-Fans. Die beiden gaben wirklich alles. Zogen alle Register, um dem Erstligisten beim Highlight gegen den FCB zu helfen. Petrus liess es tagelang schiffen. Machte den Boden tief und holprig, sorgte bis Stunden vor Anpfiff für Wirbel, ob das Spiel durchgeführt werden konnte. Genau so wie es sich Münsingens Kult-Trainer Kurt Feuz erhofft hatte. «Wir sind es uns gewohnt auf einem Acker zu spielen», sagte er im Vorfeld hoffnungsvoll. Und dann legte Frau Holle noch einen drauf, liess es schneien, liess die gut behüteten Muskeln der FCB-Stars beim Einlaufen widerwillig zucken.
Alles war bereit für ein Volksfest. Die Tribünen für 50 000 Franken montiert, das Arenchen mit 4000 Leuten gefüllt. In der Dorfbeiz gabs Pasta für die Hobbykicker. Die Amateure waren bereit für das grösste Highlight in der 87-jährigen Klubgeschichte. Die war Nervosität greifbar. Feuz bewies, dass er in der Schweiz wohl der einzige Trainer ist, der an der Seitenlinie noch hektischer ist als sein Pendant Paulo Sousa.
Und dann das! Die ganze Vorfreude. Die extra bezogenen Freistunden der Büezer bei der Arbeit. Zack. Alles für die Katz. Nach sieben Minuten ist Münsingens Plan, lange kein Gegentor zu kassieren, schon Makulatur. Goalie Müller flutscht der Ball aus den Händen. Hamoudi schiebt ein. Der Meister beruhigt. Die Kür folgt. Kakitani ballert sich den Frust von der Seele und knallt den Erstligisten gleich mit einem Dreierpack weg. Delgado trifft wie schon 2013 in Münsingen per Elfmeter und liefert noch zwei Assists. Embolo macht das halbe Dutzend voll. Der anwesende Verteidigungsminister Ueli Maurer wohnt selbst in Münsingen und sagt zur Pause: «Die Verteidigung hat noch Luft nach oben.» Doch auch Münsingens Departement Angriff zerschellt bis zum Ehrentreffer von Plüss an den FCB-Bollwerken Suchy und Samuel.
«Wir hatten zu viel Respekt. Wir wollten am Ende das Gesicht nicht verlieren», sagt Feuz. «Der Verein kann mit der Niederlage gut leben, ich nicht. Ich werde schlecht schlafen.» Bleibt zu hoffen, dass zu Münsingens Fanclub neben Frau Holle und Petrus auch das Sandmännchen gehört.
Luca Lavorato, Disponent
Münsingen –
Er trägt die Arbeit im Namen. Luca Lavorato chrampft auch gestern. Ausnahmsweise nur auf dem Feld, nicht wie sonst bei Münsingens Hauptsponsor CTA, wo sich der 26-Jährige um die Servicetechniker kümmert. Kurzfristig hat sich der Ex-Thun-Spieler für den Knüller freigenommen. «Eigentlich sind wir es uns gewohnt, nebenbei noch zu chrampfen.» Gestern aber ging er mit der Freundin nach Bern: «In Münsingen hätte ich keine Ruhe gehabt. Da drehte sich alles nur um den Knüller.» Zweimal sucht der Wirbelwind gegen Suchy den Penalty. Lohn gibts für diese Arbeit keinen.
Adrian Suter, Serviceberater
Bern –
Es dauert genau sieben Minuten. Adrian Suter verliert das Kopfballduell gegen Embolo. Hamoudi trifft zur Führung. Job nicht erledigt, Herr Suter? Von wegen! Der Arbeitstag des Verteidigers ist da schon 13 Stunden alt. Seit sechs Uhr ist er auf den Beinen. Um sieben stand der Serviceberater in der Mercedes-Garage in Bern. Ausnahmsweise nur bis am Mittag. «Am Nachmittag feierte ich noch den Geburtstag meiner Freundin», sagt der Ex-YB-Junior. «Das Dessert liess ich weg.» Hätte er den Kuchen doch genossen. Viel Süsses gab es für den gelernten Automechaniker am Abend nicht.
Patric Gasser, Fachberater
Münsingen –
Eigentlich verkauft FCM-Captain Patric Gasser Badewannen. Doch heute braucht der Torjäger selbst ein warmes Sprudelbad. Schliesslich lief er gestern gegen eine Wand! Der 28-Jährige traf auf den Basler Walter «il muro» Samuel. «Letztes Mal musste ich gegen Sauro ran, der tat weh», erinnert sich der Torjäger. Gestern haut ihn auch Samuel um. Bälle sieht er auch kaum. Ermüdend. Vor allem wenn man bis 14 Uhr noch am Arbeiten war. «Die Arbeit musste auch an einem solchen Tag gemacht werden», sagt Gasser. Auch heute rufen die Badewannen wieder.