Presseschau

Basler Zeitung vom 21.03.2015

«Marco war ein richtiger Spargel»

Luzern-Trainer Markus Babbel über Streller, Ochsen als Verteidiger und seine Entlassungen

Von Andreas W. Schmid, Luzern

BaZ:

Markus Babbel, Sie haben sich von Ihren Vereinen ein Tattoo machen lassen. Wann kommt der FC Luzern auf Ihren Oberarm?

Markus Babbel:

Noch nicht jetzt, sondern erst, wenn ich sicher bin, dass die Mission hier gelungen und das Tattoo mit positiven Gefühlen verbunden ist. Ende Saison habe ich auch mehr Zeit, um mich näher damit auseinanderzusetzen. Aber gut vorstellen kann ich es mir schon. Schliesslich ist es ein schönes Wappen und ich fühle mich sehr wohl in Luzern. Zudem ist es meine erste Auslandsstation, was ja auch etwas Besonderes ist.

Von den Resultaten her sieht es gut aus. Seit der Winterpause hat Ihre Mannschaft in 13 Spielen – inklusive Testpartien – bloss einmal verloren und auch da nur ganz knapp. Sie müssen hochzufrieden sein.

Ach, hochzufrieden ist etwas zu hoch gegriffen. Aber wir sind auf einem guten Weg, das stimmt. Meine Maxime lautet: Wenn wir schon nicht gewinnen, wollen wir wenigstens nicht verlieren. Im letzten Heimspiel gegen Vaduz standen wir mental unter Druck, man erwartete von uns einen Sieg und das haben wir gut geschafft, auch wenn es keine Superleistung war. Wichtig ist, da weiterzumachen. Und das geht nur mit harter Arbeit.

War das der wichtigste Punkt, an dem Sie seit Ihrem Amtsantritt herumgeschraubt haben: harte Arbeit?

Als ich das Team übernahm, war es nicht in dem Zustand, der es erlaubt hätte, öfter als Sieger vom Feld zu gehen. Deshalb habe ich in der Vorbereitung grössten Wert auf die Fitness gelegt, damit wir auch mal einen Sieg nach Hause schaukeln können, wenn wir in Führung liegen. Die Jungs mussten deshalb ziemlich viel arbeiten, was ich allerdings nicht anders kenne. Ich bin sicher, das wird sich auszahlen. Den Klassenerhalt schaffen wir nicht jetzt, entschieden wird im Mai. Wenn wir dann noch genug Körner haben, werden wir in den entscheidenden Spielen punkten.

Dann haben Sie in der Vorbereitung also den Quälix rausgehängt.

Ich habe am eigenen Leib erfahren, was der Quälix bedeutet (lacht). Als ich noch beim HSV spielte, war Felix Magath Assistenztrainer von Benno Möhlmann. Da habe ich richtig hartes Brot gegessen. Der Felix hat uns 40 Minuten lang aufwärmen lassen, danach war das Training für mich schon vorbei, so platt war ich. Im Vergleich dazu kommen meine Jungs bei mir noch gut davon. Ich lasse auch viel mit dem Ball trainieren, aber nicht nur. Beim Training mit dem Ball besteht schnell einmal die Gefahr, dass einer sich versteckt. Wenn er aber einfach nur von A bis B laufen muss, ist das nicht möglich.

Ihre letzte deftige Niederlage haben Sie ausgerechnet gegen den FC Basel, den Gegner vom Samstag, kassiert: Im Dezember verloren Sie 0:3. Liegt dieses Mal mehr drin?

Bei diesem Spiel ist für mich nicht entscheidend, was am Ende herausschaut, sondern wie wir uns präsentieren. Ich will Leistung sehen, ich will eine Mannschaft sehen, die das stärkste Team der Schweiz fordert. So deftig war das 0:3 übrigens gar nicht. Wir haben lange Paroli geboten, sind dann aber wegen individueller Fehler und körperlicher Defizite eingebrochen. Klar ist, dass wir das Spiel nicht von vornherein herschenken?…

… so wie dies die Mannschaften gegen Ihren Ex-Club Bayern München tun.

Zu meiner Zeit wehrten sich die Vereine noch mit aller Kraft und Leidenschaft, wenn es gegen den FC Bayern ging. Das war für sie das Spiel des Jahres. Und deshalb setzte es für uns auch hin und wieder eine Niederlage ab. Heute vermisse ich das, da ist kein richtiger Widerstand mehr da. Viele Teams geben sich gegen Bayern schon vor Spielbeginn auf, lassen die besten Spieler draussen.

Wie haben Sie den FC Basel gegen Porto gesehen?

Er hat sich schwergetan, was aber vor allem am Gegner lag. Die Basler waren nicht schwach. Gegen dieses Porto hätten auch viele andere Mannschaften ihre Schwierigkeiten gehabt. Die Portugiesen liessen den FCB gar nicht richtig ins Spiel kommen. Also ich traue Porto noch richtig viel zu. Das ist kein Freilos für Bayern.

Was würden Sie dem FCB zutrauen, wenn er in der Bundesliga dabei wäre?

Mit dem Selbstbewusstsein, mit dem die Basler auftreten, würde ich ihnen zutrauen, dass sie um einen Europacup-Platz mitspielen.

2007 haben Sie mit Marco Streller zusammen beim VfB Stuttgart gespielt. Ihre Erinnerungen an damals?

Er war mein Roomie, das heisst, ich war mit ihm auf demselben Zimmer. Übrigens ganz zufällig. Aus welchen Gründen auch immer wurde ich aufs Schweizer Zimmer mit Streller und Diego Benaglio eingeteilt.

Sie waren zu dritt in einem Zimmer? Das wäre heute auch undenkbar.

Am nächsten Tag hiess es denn auch: Markus, das war ein Missverständnis! Natürlich bekommst du dein eigenes Zimmer. Da habe ich geantwortet: Ne, Freunde, das will ich gar nicht. Mir gefällts bei den beiden Jungs aus der Schweiz. Wir hatten es richtig gut zusammen. Heute freue ich mich, dass Marco zu dem geworden ist, was er ist: eine Club-Ikone. Damals konnte er sich nicht richtig durchsetzen, auch weil er nicht ganz so professionell war, wie man sein musste. Er hatte Flausen im Kopf. Nun gut, er war ja auch noch jung.

Haben Sie als erfahrener und erfolgreicher Spieler sich ihn nicht zur Brust genommen und ihm gesagt, dass er so keinen Erfolg haben könne?

Ich habe schon mit ihm gesprochen und ihm gesagt: Mach ein bisschen mehr, geh mal in den Kraftraum und schau, dass du stabiler wirst! Er war damals ein richtiger Spargel, da hast du in der Bundesliga als Mittelstürmer gegen die Ochsen, die sich dir in der Mitte entgegenstellen, keine Chance. Zum Glück hat er dann auch mehr gemacht und körperlich zugelegt.

Sie selber bauten ein paar Jahre vor der Zeit beim VfB körperlich dramatisch ab: Zuerst erkrankten Sie am Pfeifferschen Drüsenfieber, danach auch noch am Guillain-Barré-Syndrom, einer heimtückischen Nervenkrankheit. Eine Zeitlang konnten Sie sich gar nur noch im Rollstuhl fortbewegen. Wie schafften Sie die Rückkehr?

Mein Lebensmotto lautet: Jeder Schaden hat auch seinen Nutzen. Ich blieb positiv, bin zudem keiner, der in Selbstmitleid zerfliesst. Ich fand mich schnell mit meiner Situation ab und sagte mir: Es ist halt, wie es ist, nun schau, dass du wieder dorthin kommst, wo du warst. Erst im Nachhinein wurde mir bewusst, wie gefährlich die Krankheit war und wie viel Glück ich hatte.

Wie hat Sie die Krankheit verändert?

Ich war zuvor total auf den Fussball fokussiert, dachte an nichts anderes. Durch die Krankheit merkte ich, dass es auch ein Leben danach gibt. Als es mir wieder besser ging, war das zuerst kontraproduktiv, weil ich nicht so lebte, wie ein Profi leben sollte. Kam noch hinzu, dass ich nach meinem Wechsel von Liverpool zu Blackburn nicht gerade zur optimalen Truppe kam, um leistungsmässig wieder dorthin zu gelangen, wo ich einmal gestanden hatte. Wir waren eine starke Mannschaft – aber leider nur ausserhalb des Spielfeldes. Du lieber Scholli, da waren wir richtig gut! Einmal flogen wir alle zusammen während der Saison spontan für fünf Tage nach Marbella, um es so richtig krachen zu lassen. Lustigerweise haben wir nach unserer Rückkehr das nächste Spiel gewonnen.

Dann kennen Sie also das Rezept, wie man Spiele gewinnen kann.

Für den Teamspirit wars sicher nicht schlecht, fünf Tage lang an der Bar herumzuhängen (lacht). Im Ernst: Das gehört auch dazu, dass man mal die Seele baumeln lässt. Oder dass man am Wochenende nach einem Spiel feiert und ein, zwei Gläser trinkt. Aber alles mit Mass, nicht gleich sieben oder acht Gläser und auch nicht unter der Woche. Das wäre nicht leistungsfördernd.

Ihre ersten drei Trainerjobs endeten mit der Trennung. Sind Sie zu früh zu weit oben eingestiegen?

Das kann man so sehen, wenn man will. Fängst du unten an, kannst du Fehler machen, ohne dass du gleich im Fokus stehst. Du kannst Dinge ausprobieren. Als Cheftrainer in der Bundesliga ist das natürlich anders. Beim VfB hat es sich gut angelassen. In der ersten Saison haben wir es von einem Mittelfeldplatz in die Champions League geschafft. Dann gabs einen Qualitätsverlust: Mario Gomez, unser wichtigster Spieler, ging zu Bayern. Und ich hatte bloss fünf Tage Ferien, das war viel zu wenig. Ich war mental und körperlich richtig platt. Und weil ich noch den Trainerschein machen musste, war ich drei Tage pro Woche nicht bei der Mannschaft. Das geht natürlich nicht. Du bist viel zu weit weg, um die Spieler zu spüren.

Ihr Ruf litt nach den drei Entlassungen. Bekamen Sie danach noch Angebote?

Ja, aus … (winkt ab)… aus Russland und China. Aber ich brauchte da eine Pause. Und die habe ich auch genutzt. Um zu regenerieren und um mich zu hinterfragen: Was war gut, was weniger? Und ich besuchte Managerseminare, die mich weiterbrachten. Das eine oder andere hatte ich zwar schon mal instinktiv richtig gemacht, doch nun konnte ich erklären, weshalb ich es so mache.

Von welchem Trainer haben Sie am meisten gelernt?

Am beeindruckendsten war Ottmar Hitzfeld. Wie der es geschafft hat, so viele schwierige Charaktere zu führen, ohne einmal laut zu werden, das war der Wahnsinn. Und vor allem hatte er ein gutes Auge, wer mit wem am besten zusammenpasst. Das ist die wichtigste Qualität, die ein Trainer haben muss.

Was machen Sie in zehn Jahren?

Ich hoffe, dass ich dann immer noch bei einem Verein mit voller Leidenschaft für den Fussball, der mir so viel gegeben hat, arbeiten kann.

Könnte das auch beim FC Luzern sein?

Wenn es so wäre, dann wüsste ich, dass ich einiges richtig gemacht hätte.

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