Presseschau

Sonntagsblick vom 29.03.2015

«Beim Bäcker rede ich Deutsch»

FCB-Coach Paulo Sousa

VON SANDRO INGUSCIO , ANDREAS BÖNI (TEXT) UND TOTO MARTI (FOTO)

Von Trauer bis Euphorie. Paulo Sousa über den Verlust eines geliebten Menschen, warum er nie so wichtig war wie Streller und wie er mit dem FCB die Champions League gewinnen will.

Herr Sousa, am Dienstag konnten Sie Ihr 300-Tage-Jubiläum als FCB-Coach feiern. An dem Tag, als es zum Drama mit der Germanwings-Maschine kam. Ein trauriger Tag auch für Sie?

Paulo Sousa (44): Natürlich. Der Mensch tut sich sehr schwer mit Verlusten. Wenn man jemanden auf solch tragische Weise verliert, verlangt das von einem alles ab. Es erdrückt einem.

Mussten Sie auch schon solch tragische Verluste hinnehmen?

Ja, wir alle haben schon jemanden verloren, den wir lieben. Es kommt auf den Moment an, in dem wir ihn verlieren. Auf die Dinge, die wir mit ihm verbringen durften. Auf die Bedeutung, die er im eigenen Leben hatte. Am Ende geht jeder anders mit solchen Verlusten um. Mir zeigen solch tragische Vorfälle immer wieder, dass wir unser Leben Tag für Tag maximal geniessen müssen.

Rücken solch tragische Ereignisse die Bedeutung des Fussballs in eine realistischere Dimension?

Fussball ist ein grosser Teil unseres Lebens. Natürlich kann man den Verlust eines geliebten Menschen nicht mit den Emotionen im Fussball gleichsetzen. Aber die Emotionen, die einem der Fussball gibt, können einem helfen, mit einem solch schwierigen Moment besser umgehen zu können.

Sie antworten immer noch auf Englisch. Warum sprechen Sie kein Deutsch? Ihre Frau hat doch Verwandte aus Deutschland.

Ihr Vater ist Deutscher, sie spricht aber kein Deutsch. Wenn man im Rampenlicht steht, muss man ein Vorbild sein für diejenigen, die dir folgen. Deshalb will ich mich erst auf Deutsch ausdrücken, wenn ich es so gut beherrsche, dass ich diesem Anspruch gerecht werden kann

Für die Bestellung beim Bäcker reicht es aber schon?

Es ist nicht so, dass ich mich im Alltag nicht ausdrücken könnte, Einige Worte beim Bäcker kriege ich hin. (lacht) Wenn ich es aber als Trainer benutze, dann soll es professionell sein. Ich will es lernen, weil es auch meinen Markt öffnen wird.

Hatten Sie auf dem Schweizer Markt weniger Kritik erwartet?

Nein. Kritik ist extrem wichtig für den Erfolg. Umso mehr Kritik es gibt, desto erfolgreicher ist man. Umso erfolgreicher man ist, desto mehr wird erwartet. Nichts ist mehr gut genug. Da wird auch ein neuer Trainer, der viele neue unpopuläre Dinge einbringt, kritisch begutachtet.

Haben Sie sich verändert?

Veränderungen sind für alle gut. Ich habe klar meine Ideen und Wertvorstellungen, aber ich bin flexibel, um Dinge zu verstehen und mich anzupassen.

Die klare Linie kann gefährlich sein. Die Spieler getrauen sich nichts mehr zu sagen, weil sie sonst nicht mehr spielen.

Das stimmt nicht! Jeder von uns ist dafür verantwortlich für das, was er sagt. Ich finde es gut und schätze es, wenn die Spieler unzufrieden sind, wenn sie nicht spielen. Der Konkurrenzkampf fördert die Entwicklung jedes Einzelnen. Das ist das, was ich will!

Dann verstehen Sie den Frust eines Philipp Degen?

Sie sagen, dass er frustriert ist. Ich sehe einen Spieler, der trainiert und alles gibt. Das will ich sehen. Dann treffe ich klare und konsequente Entscheidungen, um den maximalen Erfolg zu haben. Egal, wie die Spieler heissen.

Wie sehr interessieren Sie sich für die privaten Sorgen Ihrer Spieler?

Um meine Spieler zu verstehen, versuche ich, das Maximum zu wissen. Man merkt so, dass die Körpersprache eines Spielers anders ist, dass etwas passiert sein kann und wir ihn unterstützen könnten.

Bei Marco Streller ist ziemlich viel passiert. Der FCB wird einen Ersatz brauchen. Hätten Sie Guillaume Hoarau gerne in Ihrem Team?

(lacht) Ich habe die Spieler gerne, die in meinem Team sind.

Ein Nein klingt anders.

Für mich ist das ein Nein. Ich kann nicht auf Hoarau zählen, er ist im Moment nicht bei uns. Wir ersetzen keine Spieler, wir fügen neue zum Kader hinzu. Und einen Marco Streller kann man auch nicht ersetzen.

Waren Sie als Spieler jemals so wichtig für Ihren Klub, wie es Streller für den FCB ist?

In der Dimension von Marco – nein. Die Bedeutung, die Marco als Mensch und als Spieler für Basel, den FCB und den Schweizer Fussball hat, hatte ich nie.

Sehen Sie jemanden im FCB-Kader, der in seine Fussstapfen treten kann?

Wir achten darauf, dass niemand die volle Verantwortung hat. Das war auch bei Marco so. Natürlich gibt es Spieler, die mehr Verantwortung haben, aber es soll sich nicht alles auf einen Einzelnen konzentrieren.

Was ist mit Fabian Frei oder Fabian Schär?

Sie haben eine grosse Bedeutung in unserem Team. Wie auch Matias Delgado.

Haben Sie Bedenken, dass Sie auch Schär und Frei im Sommer verlieren könnten?

Ich bin keine Person, die sich Sorgen macht. Wenn das eintreffen sollte, müssen wir Lösungen suchen. Solche Situationen können eine Chance für andere sein, um in den Vordergrund zu treten.

Wären Frei und Schär bereit für den Schritt ins Ausland?

Es kommt auf die Liga und den Klub an. Sie haben Fähigkeiten, um in verschiedenen ausländischen Ligen bestehen zu können. Persönliche und fussballerische.

Wird es im Sommer auch Diskussionen um Ihre Person geben?

Nein, überhaupt nicht. Ich denke nicht einmal an etwas anderes. Ich bin total auf den FCB fokussiert. Aber: Das Leben eröffnet einem Möglichkeiten, und wenn jemand Interesse an seiner Person zeigt, dann muss man zumindest aus Respekt Zeit damit verbringen, dies zu analysieren.

Sie träumen als Trainer vom Gewinn der Champions League. Das wird nicht mit dem FCB der Fall sein.

Warum nicht? Stellen Sie sich vor, dass alle unsere Spieler in einer Saison auf ihrem besten Level sind, dass alle Details zu unseren Gunsten verlaufen, dass das Losglück auf unserer Seite ist. Es gibt immer wieder Aussenseiter, die überraschen können. Im Leben ist alles möglich.

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