Presseschau

Basler Zeitung vom 09.05.2015

«Heliane ist extremer als ich»

FCZ-Präsident Ancillo Canepa ist stolz auf seine Frau und hofft auf einen Exploit

Von Marcel Rohr und Tilman Pauls, Zürich

Ancillo Canepa erscheint 14 Minuten zu spät zum vereinbarten Termin in seinem Büro am Schanzengraben. Der 62-Jährige erzählt von einem kleinen Unfall, eine Ananasdose sei im Auto explodiert, die Sauerei sei gross. Den Humor verliert er trotzdem nicht. Dann setzt er sich an einen grossen Tisch und stopft seine Tabakpfeife.

BaZ:

Herr Canepa, wird der FC Basel am Sonntag im Letzigrund Meister?

Ancillo Canepa:

Eine gemeine Frage zum Anfang (lacht)! Da ich logischerweise auf einen Sieg des FCZ hoffe, denke ich, dass es unwahrscheinlich ist. Ich gehe davon aus, dass wir wieder einmal ein Erfolgserlebnis feiern dürfen.

Was ärgert Sie mehr: Dass der FCB ausgerechnet in der FCZ-Heimarena den Titel holen kann – oder dass der FCZ definitiv nichts mehr mit dem Ausgang der Meisterschaft zu tun hat?

Es ärgert mich schon, dass wir im Titelkampf keine Rolle mehr spielen. Wenn der FCB in Zürich den Titel holt, dann er hat diesen verdient, keine Frage. Ich hege keine negativen Gefühle gegen Basel, mit Bernhard Heusler pflege ich sogar einen ausgezeichneten Kontakt. Er und ich, wir sprechen auch aufgrund unseres ähnlichen beruflichen Backgrounds die gleiche Sprache.

Noch im Herbst schien es, als könnte der FCZ im Meisterrennen den Rivalen aus Basel in Bedrängnis bringen. Was ist seither passiert?

Ich finde es schön, dass Sie als Vertreter der Basler Zeitung auf unsere starke Vorrunde hinweisen?…?ich denke, die meisten Leute haben das schon lange vergessen (lacht wieder). Wir waren auf Augenhöhe, ja. Aber dann?…

…?kam der Absturz?…

Die Verletzung von Gilles Yapi hat uns schwer getroffen. Er war die Schaltzentrale im Mittelfeld, er war der Spieler, der uns zuvor schon gefehlt hatte. Wir konnten uns zwar in die Winterpause retten, aber dann kam im Januar der Afrika-Cup, unsere drei Spieler Chikhaoui, Chermiti, Etoundi verpassten die Vorbereitung und schieden obendrein noch unglücklich aus dem Turnier aus. Und der Start zum Rückrundenauftakt in St.?Gallen wog uns in falscher Sicherheit. An­­schliessend verloren wir zu Hause gegen Thun und seither stecken wir in einer Abwärts­spirale und spüren eine negative Dynamik. Und wer zu viel verliert, hat im Titelkampf gegen den FCB keine Chance. Wir wollen nun einfach unseren Platz verteidigen, der zur Teilnahme in der Europa League berechtigt. Auch deshalb erhoffe ich mir am Sonntag einen Befreiungsschlag.

Wie persönlich frustrieren Sie die vielen Niederlagen der letzten Wochen?

Schon sehr. Ich sage ja oft: Die 90 Minuten im Stadion sind für mich wegen der nervlichen Anspannung die schlimmsten 90 Minuten der ganzen Woche. Man sitzt auf der Tribüne, kann nur zuschauen und ärgert sich über Fehler oder Gegentore. Die mediale Nachbetrachtung dagegen nehme ich mittlerweile gelassen zur Kenntnis. Auch ich werde älter, reifer und ruhiger.

Hand aufs Herz: Welche Fehler können Sie sich selbst vorwerfen?

Über den Zeitpunkt des Goaliewechsels (Brecher für da Costa, die Red.) kann man sicher diskutieren, der 1. April war der letzte Termin innerhalb der Transferfrist. Dagegen war es richtig, Brecher zur Nummer eins zu küren. Wir hinterfragen uns ständig, was man besser machen könnte. Aber wir posaunen das nicht zum Fenster hinaus, sondern arbeiten lieber hinter geschlossenen Türen weiter.

Umstritten ist Captain Yassine Chikhaoui. Er hat eine sehr eigene Körpersprache, zuletzt fiel er auf dem Platz mit Undiszipliniertheiten auf. Wie nehmen Sie den Tunesier wahr?

Ich kenne Yassine seit vielen Jahren, wir vertrauen uns gegenseitig. Er ist einer der besten Spieler, der je in der Schweiz unter Vertrag gestanden hat. Ohne seine Verletzungen wäre er längst bei einem Topclub Europas. Menschlich ist er integer, loyal, deshalb wollten wir ihn mit der Captainbinde vermehrt in die Verantwortung ziehen. Das brachte uns Kritik ein. Aber als Chikhaoui im Sommer erstmals in der Öffentlichkeit deutsch redete und anschliessend auf dem Rasen gross aufspielte, war alles super. Nun wird wieder alles hinterfragt. Yassine ist ein stolzer Tunesier, die Rote Karte in Bern war nicht akzeptabel – aber wir würden ihn sofort wieder zum Captain machen, keine Frage.

Kann er in der Kabine auch laut werden?

Er schreit nicht herum wie andere. Aber er führt die Mannschaft gut und redet sehr viel mit den jungen Spielern. Ich will noch etwas zum Platzverweis in Bern ergänzen.

Nur zu!

Achten Sie sich doch mal, wie Chikhaoui während eines Spiels ständig gejagt, geschlagen und provoziert wird. Ich finde, im Ausland werden die Künstler von den Schiedsrichtern besser gegen grobe Fouls oder Unsportlichkeiten geschützt.

Im Sommer 2014 war Chikhaoui auch ein Thema beim FCB. Gab es Gespräche?

Ja, das kann ich bestätigen. Aber ­Yassine ist in Zürich geblieben.

Sind Sie trotz den vielen Niederlagen noch mit Trainer Urs Meier zufrieden?

Auf jeden Fall. Wir haben im letzten Sommer zusammen den Cupsieg gefeiert. Nun soll alles schlecht sein? Darauf lasse ich mich nicht ein. Er arbeitet akribisch und ist ein überdurchschnittlich guter Trainer.

Nochmals zurück zum FCB. Er wird bald zum sechsten Mal Meister en suite – welche Gefühle löst das in Ihnen aus?

Der FC Basel hat die hervorragenden Rahmenbedingungen perfekt genutzt und sich den Erfolg deshalb redlich verdient. Aber klar, auch wir müssen uns hinterfragen und versuchen, in allen Bereichen besser zu werden. Ein richtiges Fussballstadion in Zürich wäre als Anfang auch nicht schlecht?… Seit ich 2006 Präsident des FC Zürich geworden bin, warte ich auf ein neues Stadion. Mittlerweile sind wir beim dritten Projekt. Eine kleine, schmucke und finanzierbare Arena mit 16?000 Zuschauern auf dem ehemaligen Hardturm-Areal würde uns schon genügen. Aber wir müssen weiter warten.

Die Bürotüre geht auf, Cookie stürmt herein. Der schneeweisse Schweizer Schäferhund war auf einem Spaziergang mit Heliana Canepa. «Cookie ist dreckig», sagt die Gattin atemlos, Ancillo entgegnet: «Möchtest du nicht die Gäste aus Basel begrüssen?» Schwungvoll und mit viel Energie in der Stimme stösst Heliane Canepa zur Interviewrunde und sagt: «Mir gehts immer gut. Wenn man gesund ist, gibts keinen Grund zum Klagen.»

Herr Canepa, wie muss man sich das Zusammenspiel mit Ihrer Frau Heliane beim FCZ vorstellen?

Vor eineinhalb Jahren erklärte sich meine Frau bereit, interimistisch die Funktion eines CEO zu übernehmen. Der ganze Verwaltungsrat begrüsste diesen Schritt und wünschte später, dass Heliane eine Führungsrolle behält. Nun ist sie Delegierte des Verwaltungsrates. Bei allen relevanten Entscheidungen ist sie dabei und bringt sich ein. Ausserdem besitzen wir heute nach diversen Kapital­erhöhungen 90 Prozent der FCZ-Aktien. Auch deshalb ist ihre Mitarbeit mehr als legitim.

Was bedeutet das für Sie?

Dass die FCZ-Clubspitze deutlich an Qualität gewonnen hat. Sie hat ja bekanntermassen sehr viel Führungserfahrung. Und sie geht auch in die Details, ihr entgeht nichts. Aber es bedeutet auch, dass zwischen uns schon mal die Funken sprühen?…

Tatsächlich?

Klar. Aber wir finden immer eine Lösung, zusammen mit anderen wichtigen Köpfen wie Thomas Schönberger, Trainer Urs Meier oder Teammanager Massimo Rizzo. Vor zwei Jahren haben wir den Führungsapparat verschlankt, das hilft allen, vor allem mir.

Ist es nicht problematisch, wenn man sich den Bürostuhl und das Bett teilt?

Die Schweiz ist ein Land der KMU. Sehr oft arbeiten ganze Familien zusammen, auch mit ihren Brüdern oder Schwestern. Meistens funktioniert es hervorragend. Bei uns ist das genauso.

Wird es nie zu viel?

Das kann schon mal sein, dann lege ich mein Telefon für eine Weile weit weg oder drehe gemeinsam mit dem Hund eine Runde auf dem E-Bike. Aber die Vorteile überwiegen. Wir tauschen uns aus und müssen uns am Abend gegenseitig nicht immer alles von vorne erzählen, wenn einer heimkommt. In Sachen Fussball ist Heliane extremer als ich; sie kann bis tief in die Nacht noch irgendein EuropacupSpiel schauen.

Sie haben eine sehr spezielle Frau!

Ja, das habe ich. Vor allem deshalb, weil sie aus einer Lehrer- und Bürgermeisterfamilie kommt und zunächst keinen Bezug zum Fussball hatte. Das ist heute anders, zum Glück. Wir sind seit bald 42 Jahren verheiratet. Und solange wir beide Spass haben, machen wir beim FCZ weiter.

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