Presseschau

Basler Zeitung vom 16.09.2015

Als der tüchtige Jürgen am Kopf getroffen wurde

Mätzchen, Flaschenwürfe und viele Tore: Erinnerungen an dreimal FCB–Fiorentina im Alpencup

Von Andreas W. Schmid

Basel/Schopfheim. «Sie werden lachen», sagt Helmut Hauser am Telefon, «aber an die Spiele gegen Fiorentina kann ich mich nicht mehr erinnern.» Dreimal ist der FC Basel in seiner Vereinsgeschichte auf den Club getroffen, der ihn am Donnerstag (21.05 Uhr/SRF?2) im Stadio Artemio Franchi in der 1. Runde der Europa-League-Gruppenphase empfängt. Hauser kann sich an Partien gegen andere italienische Vereine erinnern, an Sampdoria Genoa, Napoli und vor allem an Bologna, das im Final des Alpencups im Jahre 1969 mit 3:1 besiegt wurde. Von jenem Spiel besitzt der Schopfheimer, der von 1964 bis 1972 das rotblaue Dress trug, sogar noch eine alte Fernsehaufnahme, die seine Erinnerungen daran frisch hält. «Man sieht, wie Helmut Benthaus den Ball bei einem Freistoss zu mir rüberpasst, mein Schuss prallt an der Mauer ab, doch im Nachschuss treffe ich dann doch noch.»

Bologna ist gut, aber uns interessiert die Fiorentina. Hauser hat deshalb extra noch alte Fotoalben durchgestöbert, von jenen drei Partien gegen die Toskaner hat er indes nichts gefunden. Also rief der 74-Jährige noch Peter Ramseier an, der als das FCB-Gehirn gilt, wenn es um die alten Zeiten geht. «Leider hat auch er keinerlei Erinnerungen an Fiorentina, diese Spiele sind bei uns im Gedächtnis total verloren gegangen.» Das ist irgendwie auch begreiflich, wenn man bedenkt, wie viel die Spieler des FC Basel in jenen Zeiten erlebt haben. Andererseits hätten wir es am ehesten Helmut Hauser zugetraut, dass er uns etwas über jene Begegnungen erzählen kann. Denn bei allen drei Partien war er nicht nur dabei, sondern spielte eine Hauptrolle.

Also sind wir ins Archiv gestiegen und haben uns in alten Zeitungen über den Verlauf jener Spiele schlaugemacht. Es war ganz schön viel los damals im Alpencup.

29. Juni 1968 Alpencup, Gruppenphase

Erstmals trafen Rotblau und La Viola, wie die Fiorentina aufgrund ihrer violetten Vereinsfarben genannt wird, am 29. Juni 1968 im Alpencup aufeinander. «Es war heiss und schwül», heisst es in den Basler Nachrichten, «die Toskaner brillierten mit technischen Finessen. Doch war ihr Einsatz etwas leger und so klaffte eine Lücke zwischen perfekter Ballbehandlung und dem Erfolg der Überlegenheit. Die Basler operierten viel zielstrebiger.»

Weiter steht geschrieben, dass der linke Flügel Chiarugi die Schiedsrichterentscheide stets durch unmissverständliche Gesten kritisierte, bis ihn der Trainer ersetzte und so für Ruhe sorgte. «Bis in die Strafraumgrenze gerieten die Vorstösse der Südländer nicht schlecht, dort aber wurde jeder sehr eng markiert. So mussten sie ihre Schüsse behindert abgeben und deshalb flogen viele Bälle weit daneben.»

Bei den Baslern fiel besonders Otto Demarmels auf, der sich trickreich zeigte, «doch er wird bemerkt haben, dass man nicht so ohne Weiteres durch die Abwehrreihen von Profis spazieren kann, da diese doch einiges an Routinemätzchen einzusetzen verstehen». In der 16. Minute ging der FCB mit 1:0 in Führung: Spielertrainer Helmut Benthaus passte das Leder wieder einmal zu Helmut Hauser, der flankte vors Tor, wo der heraneilende Roland Paolucci traf. «Das Geschehen sorgte auch für Stimmung in den Rängen, wo aufgrund der mächtigen Hopp-FCB-Rufe doch festgestellt werden konnte, dass nicht nur Tifosi das Spiel verfolgten.» In der 66. Minute glichen die Gäste zwar aus, doch dem FCB reichte das Remis, um sich für den Alpencup-Final gegen Schalke 04 zu qualifizieren; dieser ging dann mit 1:3 verloren.

FC Basel–AS Fiorentina 1:1 (1:0)

St.-Jakob-Stadion, 12?000 Zuschauer. – Tore: 16. Paolucci 1:0. 66. Mariani 1:1.

FCB: Laufenburger; Kiefer, Michaud, Ramseier, Paolucci; Sundermann, Benthaus, Rahmen; Demarmels, Rüefli, Hauser.

13. Juni 1970 Alpencup, Gruppenphase

Die Basler Journalistenlegende Rolf Klopfenstein sah in den Basler Nachrichten eine mit zunehmender Spiel­dauer anregendere Auseinandersetzung. Dies auch dank der Italiener, die anders als noch vor zwei Jahren «auf die bekannten Mätzchen praktisch vollständig verzichteten und auch die Offensive pflegten, was sich gegen die sonst so abwehrstarken Basler in einem unitalienischen Ergebnis ausdrückte».

3:1 gingen die Toskaner in Führung, für den FCB-Treffer war unser Gesprächs­partner Helmut Hauser besorgt. «Zu siegessicher mussten die Gäste innert dreissig Sekunden gegen die entfesselten Einheimischen den nie und nimmer erwarteten Ausgleich hinnehmen.» Für die beiden Treffer sorgten abermals Hauser sowie Mundschin, der Nachfolger von Bruno Michaud auf dem Liberoposten. Laut National-Zeitung schauten sich die italienischen Spieler konsterniert an und die Tifosi auf den Rängen meinten: «So etwas kann doch nicht sein!» In den Basler Nachrichten hingegen wurde «das Verhalten der Fanatiker, die ihre Wut am unerwarteten Ausgang mit Flaschenwürfen auf das Spielfeld quittierten», angeprangert. Dabei hatten sich die Italiener auch so für den Alpencup-Final eine Woche später am selben Ort qualifiziert.

FC Basel–AS Fiorentina 3:3 (0:0)

St.-Jakob-Stadion, 12?000 Z. – Tore: 60. Mariani 0:1. 70. Gadiol 0:2. 71. Hauser 1:2. 84. Mariani 1:3. 87. Hauser 2:3. 88. Mundschin 3:3.

FCB: Laufenburger; Kiefer, Mundschin, Ramseier, Paolucci; Sundermann, Rahmen, Reisch; Balmer, Hauser, Wenger.

20. Juni 1970 Alpencup, Final

In der Vorschau auf den Final gegen Fiorentina stellten die Basler Nachrichten einen Bezug zur gleichzeitig stattfindenden Fussball-WM in Mexiko her: «Standen die Alpencup-Spiele bisher im Schatten der Weltmeisterschaft, so wird der Final in Basel als Vorspiel für den grossen Final in Mexiko bei den zahlreichen Gastarbeitern in unserer Gegend gewertet werden.» Nach der Partie lautete die Schlagzeile der National-Zeitung: «Der Alpencup-Pokal bleibt in Basel.» Und darunter: «Der FC Basel besiegte seinen Finalgegner Fiorentina knapp, aber verdient. Wahrlich ein schöner Erfolg der Basler!»

Als bester Basler wurde Jürgen Sundermann bezeichnet: Er hatte bei allen drei Treffern die Füsse im Spiel. Der Deutsche hatte aber auch Pech, wie die National-Zeitung schön veranschaulichte: «In der 70. Minute wurde der tüchtige Jürgen von einem fürchterlichen Knaller am Kopf getroffen und ging regelrecht k.?o.» Zum Glück erholte er sich wieder davon. Das konnte man nicht von allen sagen: Nachdem Fiorentina-Stürmer Mareschi in der 92. Minute die Rote Karte sah, wollte sich eine Minderheit der italienischen Fans nicht damit abfinden und stürmte auf den Platz. «Obwohl die Polizei den mutigen Spielleiter nach dem Schlusspfiff unverzüglich gegen die unsportlichen Elemente abschirmte, wurde er von einem unsichtbaren Wurfgegenstand am Kopf getroffen. Schade, dass dies noch passieren musste, denn der Grossteil des Publikums benahm sich korrekt.»

FC Basel–AS Fiorentina 3:2 (2:1)

St.-Jakob-Stadion, 13?000 Zuschauer. – Tore: 14. Hauser 1:0. 19. Wenger 2:0. 30. Longoni 2:1. 75. Wenger 3:1. 77. Esposito 3:2.

FCB: Laufenburger (60. Kunz); Kiefer, Mundschin, Ramseier, Paolucci; Sundermann, Rahmen, Reisch; Balmer, Hauser, Wenger.

Mitarbeit: Marcel Münch

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