Basler Zeitung vom 30.09.2015
Bislang zählt der FCB in dieser Saison mehr Verletzte als üblich – meist kann er sie ersetzen
Von Oliver Gut
Basel. Die Leier ist altbekannt. Immer wieder taucht sie auf, wenn der FC Basel sein Kader zusammengestellt hat. Vom grossen Konkurrenzkampf auf dieser oder jener Position ist dann die Rede. Oder davon, dass dieses Kader womöglich zu gross sei und dies Unruhe erzeugen könne. Ganz so, als ob die Spieler, die da verpflichtet werden, nicht wüssten, worauf sie sich beim Schweizer Meister einliessen. Die Antwort aus den rotblauen Reihen ist auch immer die gleiche: Man müsse sich so ein Kader leisten, wolle man in Anbetracht der lange anhaltenden Doppelbelastung die Ziele erreichen, die man sich national und international setze.
Dass sie beim FC Basel wissen, wovon sie sprechen, belegt gerade diese Saison. Denn es ist bislang eine Spielzeit, in der es für den FCB nicht nur darum geht, den Spielern immer mal wieder Pausen zu gönnen. Sondern in der auch schon der eine oder andere Profi eine Zwangspause hat einlegen müssen, weil er sich verletzt hat. Darunter kann man massiv leiden, wenn es an der nötigen Kadertiefe fehlt. Das haben in der ersten Saisonphase die Berner Young Boys oder die Borussia aus Mönchengladbach in Form von fehlenden Punkten und einem damit verbundenen Trainerwechsel erfahren – auch, weil sie ihre Ausfälle qualitativ zu wenig gut ersetzen konnten.
Im Schnitt vier Ausfälle
Dem FC Basel ist dies nicht widerfahren – oder fast nicht: Dass ausgerechnet in den Champions-League-Playoffs gegen Maccabi Tel Aviv mit Zdravko Kuzmanovic, Matias Delgado und Marc Janko gleich drei routinierte Kräfte in zentralen Positionen ausfielen, wog womöglich so schwer, dass sich sagen liesse, dass das Verdikt (zwei Remis zu Basler Ungunsten) ein anderes gewesen wäre, hätte der FCB aus dem Vollen schöpfen können. Ansonsten bewegte sich Rotblau bislang nahe am Maximum des Erreichbaren, wie es 13 Siege aus den restlichen 14 Partien und die klare Tabellenführung in der Meisterschaft ausdrücken. Und dies, obwohl er pro Partie im Durchschnitt auf fast vier Kaderspieler (3,88) verzichten musste. Darin eingerechnet sind Ivan Ivanov (im Aufbau nach Kreuzbandriss) und jeweils gesperrte Kaderspieler, nicht aber Profis, die je nach Ankunft und Wettbewerb ohne Spielberechtigung waren oder sind.
Vieles deutet darauf hin, dass der Mittelwert kurzfristig eher steigt als sinkt: Im gestrigen Training fehlten mit Delgado, Jean-Paul Boëtius, Behrang Safari, Daniel Hoegh und Adama Traoré fünf Kaderspieler verletzt. Es ist damit zu rechnen, dass sie das nächste Pflichtspiel gegen Lech Posen verpassen, das der FCB morgen im Rahmen der Gruppenphase der Europa League (19 Uhr) zu Hause bestreitet.
Natürlich hat dieser Umstand bereits dazu geführt, dass vereinzelt die Frage nach den Gründen gestellt wurde, wenn es um die momentane Häufigkeit der Verletzungen geht. Im Zentrum standen dabei der neue Staff von Urs Fischer, namentlich Konditionstrainer Marco Walker, der in der vergangenen Saison nicht mit den Profis arbeitete. Zumal bekannt ist, dass der FC Basel in dieser Hinsicht in der Vorsaison unter dem Trainerstaff rund um Paulo Sousa gut abschnitt, gar in einer von der Uefa als Langzeitstudie angelegten Untersuchung aller möglichen Verletzungsarten im Vergleich mit den anderen Teilnehmern der Champions League 2014/2015 einen Spitzenplatz belegte.
Die Belastung ist höher
Nur ist diesbezüglich einiges zu relativieren. Zunächst einmal, wenn es um Walker geht, der bereits in der Saison 2012/2013 unter Murat Yakin Konditionstrainer war. Es war dies die Rekordsaison, was die Belastungen betraf, da der FCB durch den Run bis in die Europa-League-Halbfinals 62 Pflichtspiele bestritt – Belastungen, denen er auch deshalb erfolgreich standhielt, weil er ausserordentlich wenige verletzte Spieler zu beklagen hatte. Ausserdem ist es keineswegs so, dass der aktuelle Staff auf die technischen Hilfsmittel zur Leistungsdiagnostik pfeift, die unter Sousa Einzug hielten, sondern diese regelmässig anwendet – auch um präventiv Entscheidungen zu treffen.
Was stimmt, ist, dass unter Sousa mit exakt 3,0 Ausfällen pro Partie auf die ganze Saison gesehen ein tieferer Wert erreicht wurde, als es die momentanen 3,88 darstellen. Doch wenn man die ersten 16 Pflichtspiele vergleicht, wird die Diskrepanz bereits kleiner, stand dort doch unter dem portugiesischen Fussball-Lehrer die Marke bei 3,18.
Hinzu kommt, dass sich die 16 ersten Partien in der Vorsaison über einen längeren Zeitraum erstreckten, weil aufgrund der direkten Champions- League-Qualifikation lange keine Doppelbelastung herrschte. So flossen denn auch nur zwei internationale Begegnungen in die Rechnung ein, während es aktuell bereits deren fünf sind. Wer dies bedenkt und berücksichtigt, dass internationale Spiele in der Regel intensiver geführt werden, der kann nun schwerlich davon sprechen, dass die 3,88 Ausfälle unter Fischer im Vergleich zu den 3,18 Absenzen unter Sousa in der ersten Phase einen markanten Ausreisser nach oben darstellen, sondern die Differenz einer gewissen Logik folgt.
Einfach gesagt: Im Fussball gibt es Verletzungen und Sperren. Je grösser die Belastung ist, desto mehr häufen sich diese normalerweise. Wer dagegen gefeit sein will, der braucht Breite und qualitative Tiefe in seinem Kader. Genau das haben sie beim FC Basel schon lange begriffen.