Presseschau

Tages-Anzeiger vom 16.12.2015

«Urs musste in die Tischkante beissen»

Mit Georg Heitz sprach Florian Raz in Basel

FCB-Sportdirektor Georg Heitz erzählt vom Ärger seines Trainers und fordert einen Lehrgang für Sportchefs.

Eine Vertragsauflösung mit Innenverteidiger Ivan Ivanov, ein Meeting mit dem Ausrüster, ein Dinner mit einem wichtigen Spielerberater, Telefonate mit weiteren Agenten, schliesslich das Interview mit dem TA: Nach dem Aus im Cup gegen Sion ist bei Georg Heitz von Winterpause noch wenig zu spüren.

Sind Sie auch leicht enttäuscht?

Wovon?

Ein grosser Umbau beim FCB im Sommer, angriffige Gegner: Wir hätten gedacht, Basel würde in der Liga endlich unter Druck kommen.

Dass es nicht so gekommen ist, kann uns ja nicht enttäuschen. Wir freuen uns lieber, dass unser Umbau relativ reibungslos abgelaufen ist. Dabei war ein Vorteil, dass wir Zeit hatten, uns vorzubereiten. Und dann ist die Konkurrenz sicher nicht so aus den Startlöchern gekommen, wie sie sich das vorgestellt hat.

Haben Sie sich gefreut, dass immerhin die Young Boys vor der Saison erklärt haben, dass sie einen Titel gewinnen wollen?

Aber das wurde ja sofort wieder zum Bumerang. Darum scheuen sich die Clubs auch, hohe Ambitionen zu verkünden. Weil sich sofort Häme über sie ergiesst, wenn es nicht funktioniert. Für uns ist wichtig, dass diese Liga kompetitiv ist, dass es gute Spiele gibt.

Aber Sie sind doch zehn Punkte voraus. Von einer kompetitiven Liga kann da ja kaum die Rede sein.

Man kann jetzt natürlich wieder die Liga schlechtreden. Man könnte auch den FCB gutreden. Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Fakt ist, dass wir mehr Möglichkeiten haben als die anderen Clubs. Das sollte sich idealerweise auf die Dauer schon auch auf dem Platz zeigen. Dass es sich nun über so viele Saisons immer zeigt, ist schon etwas überraschend.

Vier Clubs haben ihre Trainer bereits in der ersten Saisonhälfte gewechselt. Fühlen Sie sich da in Ihrer Politik bestätigt? Basel tauscht seine Trainer normalerweise direkt nach einem Titelgewinn aus.

(Lacht) Nein, ich glaube, diese vielen Wechsel haben in der Schweiz auch damit zu tun, dass es nur zehn Teams in der Liga hat. Da haben die meisten die Ambition, um internationale Plätze mitzuspielen. Und wenn sie das Ziel davonfliegen sehen, reagieren sie.

Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem neuen Mann, Urs Fischer?

Sehr zufrieden. Ich scheue mich zwar immer, öffentlich ein Zeugnis für den Trainer auszustellen. Aber man kann ja an der Rangliste ablesen, dass er sicher einen sehr guten Herbst abgeliefert hat.

Aber der FCB hat im Cup und der Champions League gleich zwei Saisonziele verpasst.

Gut, im Cup in Sitten darf man schon einmal ausscheiden. Das Aus in der Qualifikation zur Champions League hat uns wehgetan. Das sollte uns bei allem Respekt vor dem Gegner auch nicht passieren gegen eine Mannschaft wie Maccabi Tel Aviv. Da haben wir nicht zweimal die Leistung auf den Platz gebracht, die es gebraucht hätte. Allerdings war die Reaktion auf das Ausscheiden sehr gut.

Aber trotz all der Siege bleiben in diesem Halbjahr vor allem die Niederlagen des FCB im Gedächtnis haften. Das 3:4 in Bern war spektakulär, das 2:3 gegen die Grasshoppers ebenso.

Die erste Halbzeit gegen Luzern war spektakulär, als wir 3:0 gewonnen haben. Das Auswärtsspiel in Florenz war für mich unser bestes Spiel des Herbstes. Aber es ist einfach so: Wenn man so viel gewinnt, wie der FCB in den letzten Jahren gewonnen hat, kapriziert man sich auf Niederlagen. Es ist inzwischen ja schon ein Ereignis, wenn der FCB auf nationaler Ebene eine Partie verliert. Da spüren wir eine gewisse Häme. Die haben wir uns jedoch auch erarbeitet.

Aber Niederlagen wecken in Basel derzeit mehr Emotionen als Siege.

Klar. Das Aussergewöhnliche schürt immer mehr Emotionen als das Normale. Offenbar ist es in der Schweiz Normalität, dass der FCB gewinnt. Und offenbar soll es auch Normalität sein, dass der FCB in die Champions League kommt. Sonst wäre unser Ausscheiden nicht dermassen thematisiert worden.

Urs Fischer schien irritiert darüber, wie schnell die öffentliche Meinung kippen kann, wenn der FCB verliert. Hat er sich inzwischen an diesen Teil der Arbeit gewöhnt?

Es sind zwei verschiedene Paar Schuhe, ob man weiss, was einen erwartet. Oder ob man es tatsächlich am eigenen Leib erfährt. Da ist er in der einen oder anderen Situation schon etwas erschrocken. Wenn er sieht, was alles thematisiert wird, obwohl wir eigentlich einen guten Herbst spielen. Zum Beispiel diese Neigung zum Ersatzbankjournalismus: Da gibt es mehr Geschichten über Spieler, die nicht spielen, als über jene, die spielen. Doch ich will nicht ins Jammern verfallen. Damit müssen wir einfach leben. Und damit muss auch Urs Fischer leben.

Aber er musste etwas dazulernen?

Ja, da musste er ab und an in die Tischkante beissen, weil er sich geärgert hat. Aber ich glaube, er hat diese Erfahrungen jetzt gemacht. Wir mussten ihn ja nicht trösten. Aber wenn er sich wieder einmal ärgerte, erklärten wir ihm, dass das hier in Basel Courant normal sei.

Apropos Ersatzbankjournalismus: Wie geht es Shkelzen Gashi?

Auch ein sehr beliebtes Thema im Herbst. Er war zuletzt verletzt, davor hat er seine Chancen gehabt. Aber natürlich stellt er sich als zweifacher Torschützenkönig seine Saison anders vor. Logisch, dass er nicht zufrieden sein kann.

Ganz im Gegensatz zu Breel Embolo. Der Hype um ihn ist riesig. Bleibt er über den Winter hinaus in Basel?

Es ist mit ihm so besprochen, dass es im Winter sicher keinen Transfer gibt. Weil er das Gefühl hat, dass er in Basel immer noch am richtigen Ort ist. Man darf Breel nicht unterschätzen, er ist ein sehr intelligenter junger Mann. Er wird keinen Fehler machen bei der Wahl seines nächsten Arbeitgebers.

Rufen andere Sportchefs bei Ihnen an und fragen, wie ein Fussballclub nachhaltig geführt wird?

Jeder Club hat andere Voraussetzungen. Darum ist es unfair, wenn es heisst, die einen arbeiten besser als die anderen. Wir können es uns leisten, im Winter eine nicht unerhebliche Summe in einen jungen slowenischen Stürmer zu investieren (Andraz Sporar, Red.), obwohl wir ihn mit Blick auf das Kader momentan vielleicht noch nicht brauchen. Andere können das nicht.

Fragt Sie nie jemand, wie ein Meisterteam zusammengestellt wird?

Auch ich frage Dinge nach. Ich bin ja nicht der Guru! Sportchef ist ein Beruf, in den man hineinwachsen muss. Du bewegst dich auf einem schwierigen Markt. Du musst Spieler und Agenten kennen, du musst ein Netzwerk haben, das wichtige Informationen liefert.

Es gibt aber keinen Lehrgang für angehende Sportchefs. Wo kommt der Nachwuchs her?

Ich denke, der Verband müsste so etwas tatsächlich irgendwann einmal anbieten. Weil es eine Position ist, auf der – je nach Konstrukt – im Alleingang Entscheidungen getroffen werden, die unglaublich wichtig sind für einen Verein. Ich bin froh, ist dieser Prozess beim FCB auf mehrere Schultern verteilt. Denn teilweise geht es um unanständig hohe Summen.

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