Basler Zeitung vom 12.03.2016
18 Jahre nach Maurizio Gaudino gibt dessen Sohn Gianluca sein Debüt in Basel – in Grünweiss, nicht in Rotblau
Von Fabian Kern, St.?Gallen
«Papa, ich ruf gleich zurück.» Der berühmte Vater ist bei Gianluca Gaudino fast allgegenwärtig. Täglich telefoniert Gaudino junior mit Maurizio, der nicht nur sein Erzeuger, sondern auch sein Berater ist. Verständlich, wenn der 19-jährige Sohnemann allein im Ausland seine noch junge Profikarriere vorantreibt. Aber in der Ostschweiz fühlt sich Gianluca gut aufgehoben. «Alle helfen mir, wenn ich etwas brauche», sagt der talentierte Mittelfeldspieler. Er wohnt in einer Zweizimmerwohnung neben der Akademie des FC St. Gallen, nur hundert Meter von der AFG Arena entfernt. Kein Glamour für das Talent des FC Bayern München, das im zarten Alter von 17 Jahren unter Pep Guardiola in der Bundesliga und als 18-Jähriger in der Champions League debütierte. Glamour braucht Gaudino nicht. «Ich möchte mich in Ruhe ent- wickeln können.»
Ruhe ist das Schlüsselwort und wohl auch mit ein Grund dafür, dass es den begehrten Jüngling ausgerechnet zum familiären FC St. Gallen verschlagen hat. «Der Club hat sich am meisten um mich bemüht», verrät Gaudino. Schon ein halbes Jahr vor dem Wechsel nach einer Saison in der zweiten Münchner Mannschaft unter Ex-FCB-Trainer Heiko Vogel nahmen die Espen Kontakt auf. Und warben um Gaudino mit dem Versprechen, ihm das bieten zu können, was er braucht. «Er ist bereits ein hervorragender Spieler, der aber noch ganz viel Luft nach oben hat», erklärt FCSG-Trainer Joe Zinnbauer. «Gianluca ist aber noch grün hinter den Ohren und braucht Spielpraxis, deshalb ist er bei uns gut aufgehoben.»
Der ungeliebte Vergleich
Erinnerungen an die Schweiz oder den hiesigen Fussball hatte Gaudino nicht, als er im Januar in die Ostschweiz kam. Als sein Vater am anderen Ende der Deutschschweiz für den FC Basel die Schuhe schnürte, lag Gianluca wortwörtlich noch in den Windeln. In der Saison 1997/1998 brachte Maurizio Gaudino zusammen mit Oliver Kreuzer einen Hauch von Bundesliga ins alte Joggeli. Was aber nicht für Höhenflüge reichte. Als Zweitletzter der Nationalliga A musste der FCB in die Auf-/Abstiegsrunde, wo das Schlimmste allerdings vermieden werden konnte. Wenn Gianluca Gaudino am Sonntag (13.45 Uhr, BaZ-Liveticker) erstmals im St.-Jakob-Park aufläuft, dann ist nicht nur das Stadion gegenüber den Zeiten seines Vaters nicht mehr wiederzuerkennen. Sondern auch der ganze Verein. Das nimmt man auch im grossen Kanton wahr. «Wenn man in Deutschland Schweiz hört, dann hört man meistens auch Basel», erklärt Gaudino.
Der Junior hat sich mit den ständigen Vergleichen mit dem Senior abgefunden. Als er bei der Vorstellung in der AFG Arena gefragt wurde, was er besser könne als sein Vater, sorgte Gianluca brav für einige Lacher: «Ich kann Tricks mit dem Ball besser als er.» Aber eigentlich mag er solche Vergleiche nicht. «Er ist ein Vorbild für mich, als Mensch und Fussballer. Vor allem aber hat er mich gelehrt, mich nicht ablenken zu lassen.» Gerade in der Jugendzeit habe der Senior dem Junior immer wieder ans Herz gelegt, nicht zu oft in den Ausgang zu gehen und vorsichtig im Umgang mit den Sozialen Medien zu sein. Nicht mit Verboten, sondern mit fürsorglichem Rat. «Damit bin ich bisher gut gefahren», sagt die deutsche Zukunftshoffnung.
Dennoch verrät Gianluca, was Maurizio besser konnte. «Er hat mehr Tore geschossen als ich. Zumindest bis jetzt», sagt der 19-Jährige und zeigt jenes Lausbubenlächeln, das aus dem potenziellen Bayern-Star einen ganz normalen Teenager macht. Gaudino kann seine eigenen Fähigkeiten aber bereits sehr realistisch einschätzen. «Oh, da gibts genug Schwächen, an denen ich noch arbeiten muss», winkt der deutsche Nachwuchs-Internationale ab.
Die unverbaute Zukunft
St. Gallen scheint nicht nur der richtige Ort für Gaudino zu sein, sondern er scheint dort auch den richtigen Ausbildner zur Seite zu haben, der ihn fordert und fördert. «Er ist sehr akribisch», sagt Gaudino über Trainer Zinnbauer. «Er kann die Mannschaft motivieren, und aus dem Spieler das Letzte herauskitzeln.» Genau das, was ein Rohdiamant braucht. Zinnbauer, der eloquente Bayer, ist keiner, der seine Schützlinge ständig streichelt. Vielmehr belohnt er Leistung, unabhängig vom Namen des Spielers. So sagt er offen über Gaudino, dass dieser noch sehr viel zu lernen habe, vor allem im gegnerischen Strafraum. Genauso aber betont er, dass der junge Regisseur hinsichtlich Zweikampfverhaltens und Spieleröffnung in den knapp zwei Monaten, in denen er beim FCSG ist, bereits enorme Fortschritte gemacht habe.
Darauf gilt es nun aufzubauen, damit die grosse Karriere, welche ganz selbstverständlich von ihm erwartet wird, auch Tatsache wird. Aber ein Masterplan für die Laufbahn haben die Gaudinos nicht. Klar, Gianluca ist seit Kindesbeinen ein Bewunderer des FC Barcelona im Allgemeinen und von Andres Iniesta im Speziellen. Aber der Teenager will nicht zu weit voraus planen, auch nicht an die Rückkehr zu den Bayern im Sommer 2017 denken. «Ich bin hier, mein Fokus ist hier. Ich trainiere jeden Tag hart und schaue von Spiel zu Spiel», lautet sein Credo. Und das heisst diese Woche: «Wir sind nach dem Sieg gegen GC euphorisch und freuen uns auf das Spiel in Basel.» Das Basler Publikum wird Gaudino junior sicher ganz genau auf die Füsse schauen.?