Presseschau

Basler Zeitung vom 23.04.2016

Spieler, Spielerberater, Sportchef

Ex-FCB-Verteidiger Bernt Haas hat beim FC Vaduz eine neue Rolle gefunden, die ihm passt

Von Marcel Rohr

Basel/Vaduz. Die Frage, die sich jedem prominenten Fussballer irgendwann stellt, sie kam bei Bernt Haas im Frühling 2010, also vor sechs Jahren. Was mache ich jetzt?

Die Karriere des zweikampfstarken Rechtsverteidigers war in irgendeinem Arztzimmer in St.?Gallen zu Ende gegangen. Knorpelschaden und Arthrose im Knie. «Ich war drei Jahre lang praktisch nur verletzt», erinnert er sich. Fussballspielen mit Kollegen geht bis heute nicht, «ich kann dann zwei Wochen lang nicht mehr laufen.»

Was mache ich jetzt? Haas entschied sich für einen Weg in die Selbstständigkeit und wurde Spielerberater. Er nutzte sein Netzwerk. Und er wollte seine Kunden beraten, nicht verkaufen. Wie hart die Zweikämpfe in dieser Unterabteilung des Fussballs geführt werden, merkte er schnell. «Haifisch­becken», sagt Haas über die Branche, «früher war die Loyalität zwischen Spieler und Berater viel grösser. Heute will jeder schnell verkaufen und verdienen.»

Auch mit dem alten Bernt Haas war früher gutes Geld zu machen. 1996 debütierte er als 17-Jähriger mit dem Grasshopper Club in der Champions League gegen Ajax Amsterdam. Ajax-­Flügel Marc Overmars hatte gegen ihn fast keinen Stich. Haas war der neue Posterboy des Schweizer Fussballs, blendend aussehend, voller Energie und Talent.

Der Vorgänger von Philipp Degen

Fünf Jahre blieb er noch bei GC, dann rief ein erstes Mal die Insel, er wechselte zum FC Sunderland. Doch im August 2003, der FC Basel mit Trainer Christian Gross hatte sich gerade nach zwei packenden Spielen gegen Celtic Glasgow für die Champions League qualifiziert, kehrte Haas zurück in die Schweiz. Die zehn Monate in Basel bezeichnet er heute noch als «sensationell, wir hatten tolle Typen in der Mannschaft, richtige Persönlichkeiten».

Haas war der Nachfolger von Massimo Ceccaroni und der Vorgänger von Philipp Degen. Er war nicht so populär wie «Cecca» und nicht so lauffreudig wie Degen. Aber er brachte diesen Biss auf den Platz, diese Hartnäckigkeit in den Duellen, die den Gegnern den Zahn zog.

Nach nur einer Saison rief West Bromwich Albion, die Liebe zum englischen Fussball liess ihn wieder weg aus Basel ziehen. In Birmingham gab es dann diese legendäre Weihnachtsfeier der Mannschaft. Haas kam verkleidet als Robin Hood, die aufregende Nacht endete im Spital, weil er etwas Falsches gegessen hatte. Die englische Boulevardpresse erfand dazu zwei leere Wodka­flaschen, was bei Haas keine weihnachtlichen Gefühle auslöste.

Via Bastia (2005/2006) und Köln (2006/2007) schloss er sich dem FC St.?Gallen an, doch die Verschleiss­erscheinungen im Knie machten sich auch in der wesentlich kleineren Super League schnell und schmerzhaft bemerkbar.

Was mache ich jetzt? In einem der vielen Aufbautrainings in St.?Gallen spielte Haas auch mal in der U21 der Ostschweizer, wo der Trainer Giorgio Contini hiess. Früher hatte er den ehemaligen Stürmer noch auf dem Platz beinhart abgemeldet, doch irgendwann entstand eine Männerfreundschaft, die sich beruflich auszahlen sollte.

Dieser Contini setzte sich beim FC Vaduz im Herbst 2015 dafür ein, dass der neue Sportchef im Ländle Bernt Haas heisst. «Ein guter Schritt für mich», sagt er. Kleiner Club, familiäres Umfeld, kurze Entscheidungswege, grosses Vertrauen. Genau das, was der ehemalige Spieler und Spielerberater Haas brauchte. Mit 38 Jahren.

Brisant, aber nicht hoffnungslos

Noch immer wohnt er in Wollerau und pendelt mit dem Auto die 40 Minuten ins Fürstentum. Seine Zwillingsschwester Dina, einst eine talentierte Sportfotografin und bestens bekannt im Fussballbusiness, lebt am Zugersee.

Im motorisierten Nahverkehr hat Bernt Haas genug Zeit, sich Gedanken zur aktuellen Situation des FC Vaduz zu machen. Die Lage ist brisant, aber keinesfalls hoffnungslos. «Wir haben schon vor der Saison gewusst, dass wir nicht um den Meistertitel kämpfen werden, sondern gegen den Abstieg.»

Käme es nach zwei Jahren in der höchsten Schweizer Spielklasse zum Sturz in die Challenge League, gäbe es laut Haas einen Schnitt im Budget, aber bestimmt keinen Kollaps. Haas und sein Team profitieren von einfachen Strukturen und einem ruhigen Umfeld in Liechtenstein. Kein Vergleich mit Alex Frei, einem anderen ehemaligen Nationalspieler, der sich in jungen Jahren beim FC Luzern als Sportchef die Sporen abverdiente – und in eineinhalb Jahren in der Öffentlichkeit durch den Fleischwolf gedreht worden war.

Haas’ Situation ist eher mit jener von Andres Gerber in Thun zu vergleichen. Vernünftige Funktionäre in gesunden Strukturen, die auch nach zwei Niederlagen in Serie nicht gleich in Schnappatmung verfallen.

Doch die Aufgabe am Sonntag gegen den FC Basel löst auch bei Haas dieses Kribbeln aus, das alle Sportler vor dem Wettkampf gleichzeitig lieben und hassen. Die Sympathien für Rotblau schiebt der 36-fache National­spieler zur Seite: «In unserem Stadion soll der FCB nicht Meister werden.»

Er betrachtet die 90 Minuten als Bonusspiel, in dem der Kleine nichts zu verlieren hat. Haas sagt: «Unsere Zukunft liegt in unseren Füssen. Die letzten vier Runden in dieser Meisterschaft werden entscheidend sein.»

Haas denkt da auch an das allerletzte Heimspiel am 22. Mai, wenn es gegen Mit-Abstiegskonkurrent Lugano geht. Sollte dieser kapitale Match verloren gehen, ist eine Frage wohl wieder aktuell: Was mache ich jetzt?

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