Ostschweiz am Sonntag vom 22.05.2016
Als 16-Jähriger wurde Michael Lang Profi beim FC St. Gallen. Heute spielt der Egnacher beim Schweizer Meister Basel. Wenn es gut läuft, ist er an der EM in Frankreich dabei. Ein Gespräch über unpopuläre Transfers, Geld und lange Haare.
DAS GESPRÄCH FÜHRTEN ALEXANDRA PAVLOVIC UND CHRISTIAN BRÄGGER, BILDER: ANDY MUELLER/FRESHFOCUS
Herr Lang, Sie wurden mit dem FC Basel bereits fünf Runden vor Saisonende Schweizer Meister. Ist das nicht langweilig?
Michael Lang: Nein. Das kommt nur von aussen wahrscheinlich langweilig daher.
Warum?
Lang: Das Basler Publikum hat hohe Erwartungen. Wir müssen immer liefern. Möglichst das Double holen, in der Champions League mitmischen und europäisch überwintern – all dies gilt es zu erfüllen. Das ist es, was den Reiz am FC Basel ausmacht.
Nach Ihrem Wechsel von den Grasshoppers zu Basel sind Sie im ersten Jahr bereits Stammspieler und eine tragende Figur geworden. Haben Sie alles richtig gemacht?
Lang: Was den Clubwechsel anbelangt, vermutlich schon. Für mich ist alles aufgegangen. Ich habe eine Herausforderung gesucht, um in sportlicher Hinsicht einen Schritt weiter zu kommen. Bei Basel habe ich diese gefunden.
Wie wurden Sie in Basel aufgenommen? Immerhin sind die Grasshoppers die Erzrivalen des FC Basel.
Lang: Ich habe mich von Anfang an sehr wohl gefühlt in Basel. Nicht nur wurde ich vom Club sehr gut aufgenommen, auch die Fans haben mir den Einstieg einfach gemacht. Dafür bin ich sehr dankbar, gerade auch, weil es für manche wohl eher ein unpopulärer Wechsel war.
Vor den Grasshoppers spielten Sie beim FC St. Gallen. Als Sie mit den Zürchern in Ihre alte Heimstätte zurückgekehrt sind, wurden Sie – anders als andere Ex-St. Galler – nicht ausgepfiffen. Können Sie sich erklären, wieso?
Lang: Mir ist der Wechsel von St. Gallen sehr schwer gefallen. Ich habe mich bis zum letzten Tag mit den Espen identifiziert und alles für den Verein gegeben. Ich denke, die Anhänger des FC St. Gallen haben das nicht vergessen.
Hat Sie Ihr Talent oder eher Ihre Beharrlichkeit so weit gebracht?
Lang: Ich würde sagen, es ist ein Mix aus beidem. Ohne Talent wäre ich bestimmt nicht schon mit 16 Jahren Profi geworden. Und ohne mein akribisches Schaffen würde ich heute nicht für den FC Basel spielen.
Welches waren Ihre Tiefpunkte?
Lang: Der Abstieg des FC St. Gallen in die Challenge League war einer der Tiefpunkte. Nicht einfach war auch das Chaos bei den Grasshoppers vor zwei Jahren mit den Anfeindungen zwischen dem Trainer Michael Skibbe und dem damaligen Captain Veroljub Salatic. Aktuell schlägt mir meine Verletzung aufs Gemüt. Trotz allem hat jeder dieser Rückschläge auch etwas Positives.
Inwiefern?
Lang: St. Gallens Abstieg brachte mich zu den Grasshoppers. Und die Situation in Zürich um Salatic in Verbindung mit der schlechten Saison im vergangenen Jahr haben mich schliesslich nach Basel gebracht. Ich habe die Situation nicht einfach akzeptiert, sondern versucht, sie zu verbessern, um weiterzukommen. Genauso ist es jetzt mit der Verletzung. Ich will mich nicht zurücklehnen und das Saisonende herbeisehnen, sondern zumindest noch das letzte Meisterschaftsspiel bestreiten, um mich für die Schweizer Nati zu empfehlen.
Sie figurieren im erweiterten Schweizer EM-Kader. Kribbelt es schon bei Ihnen?
Lang: Nein. Überhaupt nicht (lacht). Für mich ist es vermutlich spezieller als für die anderen Nationalspieler. Ich trainiere täglich nur noch für die EM, während sie noch die Meisterschaft oder den Cup im Fokus haben. Für mich gibt es derzeit nur noch ein Ziel: mit der Schweiz in Frankreich dabei zu sein.
Wie gross ist die Gefahr, noch der Kaderreduktion zum Opfer zu fallen?
Lang: Vor drei bis vier Wochen wäre ich davon ausgegangen, dass ich im EM-Kader stehe. Doch wegen meines Muskelfaserrisses falle ich nun schon vier Wochen aus. Da sagt ein Trainer nicht einfach so, du bist dabei. Ich muss daher mit Basel unbedingt noch ein Spiel machen und mich fit zurückmelden. Trainer Vladimir Petkovic soll wissen, dass ich bereit bin, und dass er mich mitnehmen muss.
Mit welchem Gefühl würden Sie an die EM reisen nach den Anschlägen vom vergangenen November?
Lang: Mein Kopf wäre frei. Angst wegen des Terrors habe ich keine. Ich mache mir im Vorfeld keine Gedanken über Dinge, die passieren könnten. Ausserdem hat man als Spieler anderes im Sinn als mögliche Attentate. Der Sport steht bei jedem Einzelnen im Vordergrund.
Als 16-Jähriger debütierten Sie als Jüngling in der höchsten Schweizer Spielklasse. War es schon immer Ihr erklärtes Ziel, Fussballer zu werden?
Lang: Ja. Schon als kleiner Junge träumte ich davon, einmal Profi zu sein. Ich habe mich aber nicht blind in den Fussball gestürzt. Mit meinen Eltern habe ich immer wieder diskutiert, was möglich ist und was nicht. Und irgendwann habe ich für mich gemerkt, dass es für die Profikarriere reichen kann.
Was haben Ihre Eltern damals zu den Profiträumen gesagt?
Lang: Sie haben viel Zeit investiert, um mich in die Trainings und an die Turniere zu fahren. Ihnen war dabei einfach wichtig, dass ich mein Ding durchziehe. Sie haben mich zwar zu nichts gedrängt, aber gehofft, dass ich es eines Tages mal weit bringe im Fussball.
Welchen Beruf hätten Sie heute, wenn nicht jenen des Fussballers?
Lang: Ich hatte keinen Plan B, denn ich bin keine Person, die weit vorausdenkt. Solange es geht, verfolge ich fokussiert dieses Ziel. Nur so kann ich frei im Kopf sein und mein Bestes geben.
Können Sie sich gegen Ende Ihrer Karriere eine Rückkehr zum FC St. Gallen vorstellen?
Lang: Wer weiss, das kann gut möglich sein. Vielleicht wage ich aber auch ein Abenteuer à la Tranquillo Barnetta und wechsle in die USA.
Vom Fussballer Michael Lang hört man vieles, die Privatperson Michael Lang bleibt verborgen. Sind Sie eine langweilige Person?
Lang: Langweilig? Nein. Ich halte mein Privatleben bewusst aus der Öffentlichkeit fern. Ich bin in erster Linie Fussballer und Sportler und keine Berühmtheit.
Dennoch sind Sie eine öffentliche Person.
Lang: Ja, das ist so. Trotzdem hat es niemanden zu interessieren, was mein Vater von Beruf ist oder wie hübsch meine Freundin aussieht. Das behalte ich für mich. Ausserdem können private Informationen von gewissen Zeitungen schnell einmal gegen mich verwendet werden. Und ich lege keinen grossen Wert darauf, dass Privates in den Medien steht. Ich verdiene mein Geld als Fussballer auf dem Rasen und nicht, weil ich mein Privatleben mit der Öffentlichkeit teile.
Verraten Sie dennoch, was Ihr Vater von Beruf ist?
Lang: Er war Geschäftsführer einer Tiefbaufirma.
Es gibt den anderen Typ Fussballer, der alles über die sozialen Medien teilt.
Lang: Ja, den gibt es. Ich sehe darin kein Problem. Wenn jemand intime Momente von sich preisgeben will, soll er das tun. Ich bin nicht so veranlagt. Aber ich denke, dass es sich beispielsweise bei Fussballern von Weltformat anders verhält. Diese Spieler nutzen die sozialen Medien bewusst, um Sponsorenverträge zu erhalten oder auch, um sich besser zu vermarkten.
Trotzdem sind auch Sie seit Kurzem auf Instagram anzutreffen. Wozu?
Lang: Einerseits, um mit Kollegen im Kontakt zu stehen und andererseits, um zu schauen, was in der Fussballwelt sonst so alles passiert.
Wie würden Sie denn Ihren Charakter beschreiben?
Lang: Ich bin ein offener Typ, bin kommunikativ und habe – auch wenn man es nicht glaubt – einen sturen Kopf. Stur bin ich im positiven Sinne. Wenn ich mir ein Ziel in den Kopf gesetzt habe, tue ich alles, um es zu erreichen.
Manche Fussballer haben nicht nur das Bedürfnis, sich ständig zu präsentieren, sondern werden oft als dumm, protzig und eingebildet wahrgenommen.
Lang: Ich weiss nicht, was die Leute auf den ersten Blick von mir denken. Vielleicht glauben sie auch von mir, ich sei arrogant, dumm und protzig. Dann sollen sie das tun. Meiner Meinung nach darf man erst über einen Menschen urteilen, wenn man ihn richtig kennt und weiss, wie die Person denkt. Aber ja, Fussballer können polarisieren, ob mit dem Aussehen, dem Lebensstil oder dem Lohn.
Verdienen Sie viel Geld?
Lang: Was heisst viel Geld? Ich verdiene genug, um mir einen Lebensstil zu leisten, den ich mir wünsche. Über Geld mag ich nicht gross nachdenken. Ich will lieber auf dem Fussballplatz zeigen, dass ich das Geld wert bin.
Was bedeutet Ihnen die Familie?
Lang: Meine Familie ist mir das Wichtigste. Meine Eltern, mein Bruder und meine Freundin sind für mich ein wichtiger Rückhalt. Nicht nur das: Bei ihnen kann ich abschalten und auch mal über etwas anderes als immer nur über den Fussball sprechen.
Mit dem FC Basel bestreiten Sie viele Partien auf internationalem Niveau und sind entsprechend noch mehr unterwegs als mit den Vereinen, für die Sie früher spielten. Haben Sie überhaupt noch Zeit für Privates?
Lang: Es ist zwar schwieriger geworden, aber so oft es geht, treffen wir uns. Ansonsten telefonieren wir fast täglich, mein Handy ist ein treuer Begleiter geworden.
An Ihren trainingsfreien Tagen sind Sie öfters in der Ostschweiz anzutreffen. Können Sie unerkannt durch St. Gallen spazieren?
Lang: Ich bin zwar schon lange nicht mehr durch St. Gallen flaniert, aber noch ist es möglich. Logisch werde ich auch mal für ein Foto oder Autogramm angesprochen, aber so schlimm ist das nicht. In Basel ist die Sache schon etwas anders. Hier erkennen mich mehr Leute. An den Wirbel um meine Person musste ich mich anfangs erst gewöhnen.
Fussballer sind in der Regel «Wandervögel». Wie schwer ist es, Beziehungen aufzubauen?
Lang: Grundsätzlich gibt es eher weniger Freundschaften im Fussball. Und wenn doch, dann beschränken sie sich meistens auf Personen mit den gleichen Interessen – also mit Fussballern. Der Kontakt zu ehemaligen Klassenkameraden riss schnell ab.
Ihr Markenzeichen sind die langen Haare. Michael Lang mit Kurzhaarschnitt – wird es das einmal geben?
Lang: (lacht) In nächster Zeit eher nicht. Ich verbiege mich nicht für andere. Entweder passe ich den Leuten so, wie ich bin, oder eben nicht. Mein Aussehen beeinflusst mein Fussballspiel nicht. Es kann also egal sein, wie ich aussehe.
Zur Person Ein geschätzter Marktwert von 4,7 Millionen Franken
Im Mai 2007 lief der in Egnach aufgewachsene Michael Lang im Alter von 16 Jahren das erstemal für den FC St. Gallen in der Super League auf. Damit gehört der Ostschweizer zu den drei jüngsten Spielern, die je in der höchsten Schweizer Spielklasse eingesetzt wurden. Im Juni 2011 wechselte der Rechtsverteidiger zu den Grasshoppers und gewann zwei Jahre später den Schweizer Cup. Im Sommer 2015 nahm ihn der FC Basel unter Vertrag. Mit dem Serienmeister wurde er sogleich Schweizer Meister. Für die Schweiz absolvierte Lang 64 Junioren-Länderspiele. Als 22-Jähriger debütierte er für die A-Nati und kam 2014 an der WM in Brasilien zu einem Teileinsatz. (lex)