Schweiz am Sonntag vom 27.11.2016
Nach dem enttäuschenden 0:0 gegen Ludogorets in der Champions League spricht FCB-Präsident Bernhard Heusler über hohe Erwartungen, einen möglichen Image-Verlust und das Team mit dem legendären Sieger-Gen.
Sébastian Lavoyer, Sofia
Bernhard Heusler, Sie haben zu Beginn dieser Champions-League-Kampagne gesagt, dass Sie das Gefühl hätten, dass die vergangenen Erfolge einen Kabinen-Geist hervorgerufen hätten, der unabhängig von den Individuen sei, die diese Er folge feierten. Haben Sie dieses Gefühl nach den bisherigen Champions-League-Auftritten immer noch?
Bernhard Heusler: Ja, das habe ich. Wir müssen den verpassten Sieg am Mittwoch nicht grösser machen, als er war. Es war ein 0:0, bei dem die Mannschaft alles probiert hat. Jetzt hat es halt nicht gereicht zum Sieg und so haben wir nun dieses Arsenal-Spiel vor der Brust. Wir können immer noch weiterkommen, aber wir müssen das jetzt auch nicht zu gross machen. Toll ist, dass wir ein Spiel vor uns haben, das keine Kehraus-Partie ist. Ein Szenario, das ich nicht unbedingt geschätzt hätte, wäre gewesen, wenn Arsenal mit der B-Mannschaft gekommen wäre und wir als bereits Ausgeschiedene um die Ehre gespielt hätten. Es haben schon 35 000 Leute ein Ticket gekauft.
Wie schätzen Sie die bisherige Leistung des FCB ein?
Wir haben eine Mannschaft, die in der Meisterschaft nach 15 Runden 41 Punkte auf dem Konto hat. Das spricht für grosse Konstanz und Leistungsbereitschaft. Jetzt kann man dies natürlich kleinreden, indem die anderen Teams schlechtgemacht werden. Dass ich die Qualität der Schweizer Meisterschaft aber als oft von uns selbst unterschätzt sehe, ist bekannt. Und gegen den bulgarischen Meister habe ich eine gut eingestellte und engagierte Mannschaft am Werk gesehen. Sowohl PSG als auch Arsenal haben in Sofia richtig gelitten.
Ludogorets ging bisher in fünf Heimspielen fünfmal in Führung, blieb also nie ohne Tor.
Wir haben ihnen keine echte Torchance zugestanden. Gerade dies ist für mich ein Indiz, dass nicht alles so schlecht ist. Uns fehlt in dieser Kampagne, das hat Matias Delgado richtig gesagt, das Quäntchen Glück. Es gab es auch schon, dass wir zweimal aufs Tor geschossen hatten und zwei Tore erzielten. Diese Effizienz haben wir in dieser Kampagne noch nicht gehabt. Das hat nichts mit Schönreden zu tun, sondern ist meine aufrichtige Be urteilung der Situation.
Dafür war das Glück in der Meisterschaft ein paar Mal aufseiten des FCB.
Es ist so, das meine ich ehrlich, dass wir das Wettkampfglück in der Meisterschaft in den letzten Wochen das eine oder andere Mal gehabt haben. Ich denke etwa an die zwei Siege gegen Lausanne oder das Last-Minute-Unentschieden gegen Thun. Ich lasse mich deshalb von der angeblichen Überlegenheit in der Schweiz aufgrund einer Momentaufnahme der Tabelle ebenso wenig blenden wie von Ergebnis-Statistiken in fünf Spielen der Champions League verunsichern.
In den vergangenen sieben Jahren hat sich der FC Basel einen Ruf erarbeitet. Er ist zum Giganten-Schreck geworden. Leidet dieser Ruf?
Nein, auch da sollten wir nicht übertreiben. Wenn wir als Giganten-Schreck bezeichnet wurden, haben wir das stets relativiert. Es gibt immer wieder kleinere Klubs aus kleineren Ligen, die Über raschungen schaffen. Diese Saison ist uns die grosse Überraschung noch nicht gelungen. Aber wir wissen auch, dass diese Überraschungen immer seltener sind.
Wie meinen Sie das?
Schauen Sie sich die Gruppen-Rang listen an. Die Mehrheit ist entschieden, bevor die letzte Runde gespielt ist. Und wo sind beispielsweise die Meister von Holland, Belgien, Tschechien, Polen oder Schweden? Sie haben entweder weniger Punkte als wir oder sind gar nicht dabei. Das ist die Realität. Wir müssen auf einer realistischen Basis das Maximum herausholen und nicht herumheulen. Die Realität ist die, dass es immer schwieriger ist, eine Über raschung zu schaffen. Es gelang uns früher, in der bisherigen Kampagne noch nicht.
Jetzt kommt es zum Kracher gegen Arsenal.
Ob es ein Kracher wird, steht jetzt noch in den Sternen. Auf jeden Fall sind unsere Chancen noch intakt.
Leidet der FCB manchmal unter dem Ruf des Giganten-Schrecks?
Natürlich. Erfolge aus der Vergangenheit können immer auch ein Nachteil sein. Weil sie einen Massstab setzen. Kombiniert mit einer gewissen Ver klärung, die häufig auftritt, wenn man über Vergangenes spricht. So vergessen wir schnell, dass die Mannschaft mit dem legendären Sieger-Gen, mit Streller, Frei, Huggel, Stocker, Shaqiri, Abraham und Costanzo diejenige war, welche letztmals das Ziel des europäischen Überwinterns verpasst hatte – und das nicht in der Champions League, sondern in der Europa League.
Inwiefern haben Sie zu spüren bekommen, dass dem FCB ein gewisser Ruf vorauseilt?
Ich glaube, beim Spiel gegen Arsenal haben wir es zu spüren gekriegt, dass es in der englischen Presse überall hiess: «Paris Saint-Germain ist bestimmt gefährlich, aber bloss nicht den FCB unterschätzen.» Das war vor fünf Jahren noch nicht so. Ich glaube, dass Arsenal dieses Spiel noch konzentrierter und dezidierter angegangen ist als Chelsea vor ein paar Jahren, als sie erstmals gegen uns spielten.
Wie beurteilen Sie das 0:0 gegen Ludogorets?
Wie schon gesagt: Leistung und Einsatz haben gestimmt, aber es hat das Ausserordentliche gefehlt. Wenn Elyounoussi den Ball in der 76. Minute reindrückt, hätte es allenthalben geheissen, dass der Matchplan aufgegangen sei. Auch wenn Janko gegen PSG kurz vor Schluss den Ball über die Linie brächte. Dann sprächen alle von diesen tollen Siegen. Obschon die Leistungen des Teams genau gleich waren, werden sie aufgrund des Resultats und eines missglückten Abschlusses ganz anders beurteilt. Nicht zu Unrecht heisst es, dass «wenn, hätte, wäre» die Sprache der Verlierer ist.
Beschäftigt Sie das?
Ich versuche immer, im Hype und in der Hysterie, die den Fussball umgeben, gelassen zu bleiben. Das ist nicht mein Naturell, sondern meiner Funktion und Rolle geschuldet. Denn letztlich bin ich verantwortlich für einen Klub mit vielen Mitarbeitenden und einer grossen Anhängerschaft. Und alles basiert auf Sport. Einem Sport, der als Ballspiel nur begrenzt kontrollier- und planbar ist.
Was heisst das?
Nur weil wir in der Vergangenheit grossartige Siege feiern durften, Teams wie Liverpool oder Chelsea geschlagen haben, heisst das noch lange nicht, dass das nun der Massstab sein soll, an dem wir uns immer messen lassen müssen. Wenn wir solche Überraschungen nicht schaffen, müssen wir nicht gleich alles infrage stellen, sondern ruhig weiterarbeiten im Vertrauen darauf, dass wir früher oder später eine «magische Nacht» im St. Jakob erleben werden – warum nicht schon am St.-Niklaus-Tag?