Presseschau

SonntagsZeitung vom 26.02.2017

Der ultimative Test

Der FC Basel steht vor einem Führungswechsel, die Stadt fällt in überwunden geglaubte Muster zurück – und der designierte neue Besitzer steht in einem Machtkampf um sein Firmenimperium

Florian Raz

Basel Die Szene klingt, als sei sie erfunden. Aber sie spielt sich genau so ab. Bernhard Heusler, demnächst abtretender Präsident des FC Basel, kommt eben von der letzten Medienpräsentation der Geschäftszahlen seiner Amtszeit, als er vor dem St.-Jakob-Park angesprochen wird. «Dass Sie gehen, das finde ich total schade», sagt eine ältere Frau, «so ein integrer Mensch.»

Heusler lächelt, er bedankt sich. Es scheint an diesem Freitagnachmittag, als gehe wieder einmal ein cleverer Plan des FCB minutiös auf: Nach fünfeinhalb Jahren des sportlichen und wirtschaftlichen Erfolgs tritt die aktuelle Führung ab – und übergibt im Juni reibungslos an eine neue Crew um die einstigen Basler Fussballhelden Marco Streller, Alex Frei und Massimo Ceccaroni sowie den Unternehmer Bernhard Burgener.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Natürlich haben Heusler und seine Vorstandskollegen schon letzten Sommer ihre Bereitschaft signalisiert, den FCB irgendwann in andere Hände zu übergeben. Aber dass es nun so schnell geht, dass der Wechsel noch in diesem Juni, vor dem 125-Jahr-Jubiläum 2018 kommen soll, das war so nicht von vornherein geplant. Ein Beteiligter nennt Streller/Frei/Ceccaroni «das Triumvirat», das im Hintergrund ungeduldig mit den Hufen gescharrt habe.

Ein wenig werden sie zum Glück auch gezwungen

So ist der kommende Machtwechsel wohl einer Mischung geschuldet: Ein wenig haben die heutigen Führungsleute ihren Abgang gesucht, ein wenig werden sie nun zu ihrem Glück gezwungen. Denn objektiv betrachtet, das ist allen klar, gibt es keinen besseren Zeitpunkt, um den FCB einem neuen Besitzer zu überreichen. 29 Millionen Franken Gewinn haben die Basler im Jahr 2016 erwirtschaftet, mit dem praktisch feststehenden Meistertitel werden auch im laufenden Jahr allein aus der Champions League 27 Millionen Franken in die Kassen fliessen.

Die Zahlen des Jahres 2016 wurden besonders detailliert präsentiert. Der Grund ist einfach: In Basel wird nicht bloss die Führung ausgetauscht, der FCB erlebt auch einen Besitzerwechsel. Die fünf aktuellen Verwaltungsräte werden ihre insgesamt rund 90 Prozent der Aktien an der FC Basel Holding AG verkaufen, die ihrerseits 75 Prozent jener AG hält, zu der die Profimannschaft gehört.

Ein paar Millionen werden an den heutigen Vorstand fliessen

Als die damalige Präsidentin Gigi Oeri Anfang 2012 abtrat und die Aktien an Heusler weiterreichte, wurde der Verkaufspreis nie öffentlich. Jetzt ist bekannt, dass ein paar Millionen an den aktuellen Vorstand fliessen werden. Über die Summe wird heftig spekuliert. Die «Basler Zeitung» warf gleich zwanzig Millionen Franken in die Runde, womit sie allerdings deutlich zu hoch liegen dürfte. Realistischer erscheinen fünf bis acht Millionen, wobei die Verhandlungen mit dem designierten Besitzer Burgener noch gar nicht begonnen haben.

Klar ist: Es gab mindestens zwei konkrete Interessenten aus dem deutschsprachigen Ausland. Gemäss Informationen der SoZ wären beide Gruppierungen bereit gewesen, für den prosperierenden FCB einen höheren Betrag auszugeben, als nun fliessen wird. Doch Heusler ist bewusst: Wären die Aktien ins Ausland gegangen, er würde vor dem Stadion auf vieles treffen, aber nicht auf nette Damen mit Komplimenten. Schon so zeigt sich der in Basel nicht zu unterschätzende Neid-Reflex. Wenn Geld für den Verkauf der FCB-Aktien fliesst, ist schnell jemand da, der der heutigen Crew vorwirft, sich zu bereichern.

Von null Franken zu sechzig Millionen in Cash

Auch darum informierte Finanzchef Stephan Werthmüller am Freitag gezielt über die finanzielle Entwicklung der FCB-Aktiengesellschaften: Als die Crew um Heusler 2012 übernahm, lag in den beiden AG, die den FCB kontrollieren, kein Geld. Ihr «Vermögen» bestand aus dem Transferwert der Spieler. Heute dagegen besitzen die Holding und die 1893 AG zusammen 60 Millionen Franken. «In Cash», wie Werthmüller sagt.

Die Botschaft ist klar: Auch wenn sich die heutigen Besitzer mit dem Aktienverkauf für ihre gute Arbeit in den letzten fünf Jahren belohnen, geht dem FCB kein Rappen verloren. Im Gegenteil, die Rotblauen stehen so gesund da wie noch nie in ihrer 124-jährigen Geschichte.

Trotzdem ist der Besitzerwechsel ein diffiziler Drahtseilakt, weil der FCB in der Region als Allgemeingut verstanden wird. Das ist auch der Grund, weswegen Burgener und sein Team Mitte März ihr Konzept einer «unabhängigen Findungskommission» vortragen müssen. Und später den Mitgliedern des Vereins FC Basel, ohne deren Zustimmung der Aktienverkauf auch nicht über die Bühne geht.

Das klingt alles reichlich kompliziert, und dürfte kaum etwas am Verkauf ändern. Aber es soll dem aktuellen Verwaltungsrat Vorwürfe ersparen, sollte sich die neue Führungscrew nicht bewähren. Schliesslich geht es um den ultimativen Test für das von Heusler und seinen Mitstreitern aufgebaute Konstrukt. Sie waren mit dem Anspruch angetreten, den FCB so aufzustellen, dass er unabhängig von einzelnen Personen funktioniert. Auf die Position des Trainers bezogen, hat das zuletzt geklappt. Jetzt wird sich zeigen, ob der FCB auch den Wechsel zu einem neuen Führungsgremium stemmt.

Auf dessen Ideen wartet man gespannt. Ausser, dass alles sehr baslerisch werden soll, ist wenig bekannt. Doch das reicht, um in der Region vorerst Anklang zu finden. Was auch mit der diffusen Gefühlslage rund um den Club zu tun hat, wo sich Fans und Teile der Medien nach mehr Unterhaltung sehnen. So merkwürdig das mit Blick auf die aktuelle Erfolgsgeschichte wirken mag: Für einen Teil der Anhängerschaft ist der FCB in seiner heutigen Form scheinbar zu professionell, zu glatt, eine zu perfekt tickende Maschine, als dass er noch die grossen Emotionen wecken mag. Heusler selbst hat einmal von einem «Monster» gesprochen, das geschaffen worden sei.

Typisch Basel: Das Leck über den Verkauf entstand an der Vorfasnacht

Irgendwo lebt in Basel eben stets die nostalgische Sehnsucht nach einem etwas ungehobelteren FCB, der zwischendurch für einen kleinen Eklat, für eine kleine Indiskretion gut ist. Nicht, dass es das Ziel der neuen Crew ist, das zu erfüllen. Aber der Start war schon einmal klassisch baslerisch. Das Leck, über das der bevorstehende Besitzerwechsel an die Medien ging, entstand an einer Vorfasnachtsveranstaltung.

Seither steht einer im Rampenlicht, der stets betont, dass er im Hintergrund bleiben will. Nun erlebt Bernhard Burgener, wie ihm Fotografen vor seinem spektakulären Wohnsitz im Hollywood-Stil auflauern. Für die Übernahme des FCB wichtiger ist, dass er auch wegen juristischer Händel in den Schlagzeilen steht. Der Medienunternehmer ist mit seinem ehemaligen Mitstreiter Dieter Hahn in einen Machtkampf verwickelt um die Vorherrschaft bei Highlight Communications und Constantin Medien. Beide besitzen rund dreissig Prozent der Aktien von Constantin, die Firmen sind in einem komplizierten Geflecht miteinander verbunden.

Ein juristischer Streit mit Haken und Ösen

Der Streit wird vor mehreren Gerichten und mit Haken und Ösen ausgefochten. Burgener wurde von Aktionärsversammlungen ausgeschlossen. Er selbst hat eine Versammlung abgeblasen, weil sich, wie er sagt, 110 Prozent der ausgegebenen Aktien angemeldet hatten. Der 59-Jährige fühlt sich im Recht. Aber er weiss auch, dass recht haben und recht bekommen nicht immer dasselbe sind.

Die Botschaft, die er transportiert: Es wird bald eine Lösung folgen. Wobei die eigentlich nur so aussehen kann, dass entweder er genügend Geldgeber findet, um Hahn auszuzahlen, oder dass er selbst ausbezahlt und aus seinen Firmen gedrängt wird. Die bevorstehende Übernahme des FCB vereinfacht seine Situation nicht. Die Highlight-Tochter Team vermarktet die Champions und die Europa League; zwei Wettbewerbe, in denen die Basler regelmässig antreten. Spätestens, wenn er die FCB-Aktien kauft, wird er sich aus allen Ämtern bei Team zurückziehen. Und das in einem Moment, in dem ein Kampf um die Firmen tobt.

Auf den FC Basel soll der Streit keinen Einfluss haben, betont Burgener. Den will er «als Privatmann» übernehmen. Und tatsächlich bringt er vieles mit, was dem FCB nützen kann. Für die Nostalgiker sind es seine Freundschaft mit Karli Odermatt, der Kultfigur aus den goldenen Siebzigerjahren, und die Tatsache, dass er die Beinahe-Pleiten Anfang der Neunziger im Vorstand miterlebte. Und für die gesicherte Zukunft steht sein Fachwissen im Fussballbusiness. Schliesslich hat der Vermarkter Team unter ihm aus der Champions League ein Milliardengeschäft gemacht.

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