Presseschau

Basler Zeitung vom 04.03.2017

Der Fall Muntwiler

Schon zehn Jahre ist es her, seit Philipp Muntwiler unverschuldet den FCB-Titelkampf prägte

Von Marcel Rohr

Basel/Vaduz. Kinder, wie die Zeit vergeht. «Alles ist so schnell an mir vorbeigezogen», sagt Philipp Muntwiler und lacht. Er ist soeben aus der Dusche gekommen, das Training mit dem FC?Vaduz ist vorbei, der Geist hellwach. Vor einer Woche hat er seinen 30.?Geburtstag gefeiert, nun drehen sich seine Gedanken um das Heimspiel am Sonntag gegen den FC Basel (13.45?Uhr). Die Vaduzer sind Tabellenletzter, gefragt sind Punkte. Munt­wiler, den alle nur «Munti» rufen, sagt: «Wir müssen alles raushauen. Rennen und kämpfen können alle.»

Für den FC Basel ist es ein Wieder­sehen mit einem Spieler, der vor zehn Jahren die Meisterschaft unverschuldet, aber entscheidend mitgeprägt hat. Heute können alle Beteiligten über die kuriose Story lachen, «Munti» selbst am meisten.

Die Geschichte beginnt am Samstag, 31. März 2007. Im Erstliga-Match Seefeld Zürich–FC St.?Gallen U21 kassiert Philipp Muntwiler zweimal Gelb und fliegt vom Platz. Der Mittelfeldspieler ist ein aufstrebendes Talent beim FCSG, er steht vor dem Durchbruch bei den Profis. Einen Tag nach seinem Platzverweis wird der Wiler denn auch tatsächlich in der Super League gebraucht. Beim 0:0 zu Hause gegen den FC Zürich wird er eine Viertelstunde vor Schluss eingewechselt. Dass der Match an einem 1. April stattfindet, ist die hübsche Pointe einer beispiel­losen Aufregung, die folgen wird.

«Die Reglemente waren unklar»

Das torlose Unentschieden wirft den FC Zürich im Kampf um den Meistertitel zunächst zurück. Die Zürcher spüren den FC Basel im Nacken, der seit der Winterpause Punkt um Punkt aufgeholt hat. Einen Tag nach dem Unentschieden in St.?Gallen verbreitet sich die Meldung wie ein Lauffeuer durchs Land: Muntwiler war nicht spielberechtigt. Die Ostschweizer hatten sich vor dem FCZ-Spiel zwar erkundigt, ob Muntwiler spielen dürfe – allerdings taten sie es bei der falschen Instanz.

«Die Reglemente waren völlig unklar», sagt Muntwiler. Erinnern mag er sich noch an einen Funktionär des FC Seefeld, der an diesem Sonntag eher zufällig in St.?Gallen weilte und die FCZ-­Delegation darauf aufmerksam machte, dass da ein Kicker auf dem Platz steht, der tags zuvor in der 1. Liga vom Platz geflogen war.

In den folgenden Tagen und Wochen versank die Super League in einen Reglements-Streit, bei dem keiner mehr den Durchblick hatte. Konkret ging es um die Auslegung einer Sperrperiode, die im Amateurbereich anders formuliert war als bei den Profis.

Nach endlosen Debatten und Sitzungen war am 23. April 2007 klar: Der FCZ gewinnt nachträglich 3:0 Forfait. Damit hatte die Mannschaft von Lucien Favre zwei zusätzliche Zähler auf dem Tabellenkonto. Die Zürcher klatschten, die Basler tobten.

Besonders an die letzte Runde am 24. Mai 2007 erinnert sich «Munti» bestens. Noch immer war das Duell FCZ–FCB in vollem Gang. Mit dem FC?St.?Gallen musste er in Aarau ran. Immer wieder blickte Muntwiler auf den Totomat. Und hoffte, dass einer der beiden Titel­anwärter in Basel oder Zürich gewinnt oder verliert – damit der Forfaitsieg des FCZ nach «seinem» Fall nicht die entscheidende Rolle spielt.

Doch es kam anders. Der FCB gewann gegen YB, die Zürcher bewahrten mit einem 2:0 gegen den Stadtrivalen GC die Nerven – und holten den Titel. Der Fall Muntwiler hatte mitentschieden. «Danach gings los», sagt der 30-Jährige, «pausenlos klingelte mein Telefon. Ich war schockiert – aber mir keiner Schuld bewusst.»

«Nicht kaputt gemacht»

Fortan erlebte Muntwiler die Härte des Geschäfts. In Zürich wurde er gefeiert, in Basel ausgepfiffen. Die Episode beschleunigte seinen Prozess vom unbeschwerten Jungspund zum gestandenen Profi. «Obwohl ich viel darauf angesprochen wurde, hat mich die Episode nicht kaputt gemacht», meint er.

2012 wechselte er zu Luzern, ein Jahr später ging er nach Vaduz. Im Ländle ist er seit Jahren Leistungsträger und Wortführer. Am Anfang der Saison mal kurz in der Innenverteidigung, meistens jedoch im zentralen Mittelfeld. Die Vaduzer haben Mühe, Konstanz in die Saison zu bekommen. «Jetzt schiessen wir zwar endlich Tore, aber wir bekommen sie auch», sagt er lapidar.

Den Abstieg verhindern: Das ist zehn Jahre später der nächste aufregende Fall Muntwiler.

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