Presseschau

Basler Zeitung vom 01.04.2017

Echte Demokratie ist transparenter

Wochenkommentar: Es wäre wünschenswert, die FCB-Mitglieder könnten sich vor der Abstimmung Gedanken machen

Von Oliver Gut

Noch sechs Tage. Dann entscheidet sich die Zukunft des FC Basel. Also jener Institution, die Stadt und Umland wie keine andere bewegt. Die Vereinsmitglieder stimmen am ­Freitag in einer ausserordentlichen Generalversammlung in der St.?Jakobshalle darüber ab, ob der aktuelle ­Verwaltungsrat seine Aktien an der ­ FC Basel Holding AG an Bernhard ­Burgener verkaufen soll. So, wie das Noch-Präsident Bernhard Heusler und seine Mitstreiter beabsichtigen, um damit gleichsam die in der FC Basel 1893 AG organisierte Profifussball-­Abteilung und de facto den ganzen Club in neue Hände zu legen. So, dass am 9. Juni an der ordentlichen Generalversammlung der formelle, letzte Schritt zur Machtübergabe erfolgt.

Heusler und Co. sind dazu weder gesetzlich noch statuarisch verpflichtet. Die fünf Verwaltungsräte vereinen 89 Prozent der Aktien der Holding auf sich, welche die Mehrheit an der FC Basel 1893 AG hält. Sie könnten ihre Anteile über Nacht an Burgener veräus­sern. Genauso wie an Red Bull, Bill Gates oder eine chinesische Interessengruppe. Verpflichtet haben sie sich nur moralisch zu dieser Vorgehensweise. Dies, indem Heusler an der Generalversammlung im Juni 2016 den Mitgliedern diese Abstimmung versprach.

Keine Reflexion, keine Diskussion

Es ist dies bis heute fraglos ein bemerkenswertes Zugeständnis hin zur Basis­demokratie. Wenn auch mehr von symbolischer Bedeutung, da nicht vorstellbar ist, dass die Mehrheit der Mitglieder in einer vitalen Frage gegen den Vorschlag des besten Verwaltungsrats der FCB-Geschichte stimmt, was den Club wohl lähmen würde. Zu gross ist das Vertrauen, dass die aktuelle Führung einen fähigen Nachfolger präsentiert. Erst recht, da dieser Nachfolger von einem Gremium geprüft wurde. Erst recht, da dieser Nachfolger aus Basel stammt, schon im FCB-Vorstand sass und mit den designierten Sport­direktoren Marco Streller, Alex Frei und Massimo Ceccaroni von drei Ikonen der rotblauen Geschichte flankiert wird.

Nur: Wenn bei der Vorgehensweise von einem demokratischen Prozess die Rede ist, dann ist dieser im aktuellen Fall nicht ohne Schwachpunkte. Basisdemokratie nach schweizerischem ­Verständnis ist transparenter. Denn die Mitglieder dürften erst an der ausserordentlichen Generalversammlung erfahren, worüber sie kurz darauf abstimmen. Es bleibt ihnen also nicht wirklich Zeit zur Reflexion und schon gar nicht zur breiten Diskussion. Das bei einem Thema, das viel komplexer und von weit grösserer Bedeutung ist als die Abstimmung über eine Einlauf-Musik oder das Vereinswappen. Es geht hier um eine Philosophie und ein Konzept, um dessen Besetzung und um die damit verbundenen Fragen. Darum, in welche Richtung der Club geht.

Zwar gibt es keinen Wahlkampf, keine Gegenkandidatur zu Burgener. Aber es existiert eine Alternative: ihn abzulehnen. Da wäre es wünschenswert, die Mitglieder würden vorab informiert. So, wie das vor jeder politischen Abstimmung über Propaganda-­Broschüren oder via Medien auch geschieht. Man mag nun anfügen, dass viele Stimmbürger sowieso abstimmen, ohne sich ausführlich zu informieren. Nur liegt die Intensität der Auseinandersetzung mit der Materie in der Verantwortung des Einzelnen und ist nicht den Interessenvertretern anzulasten.

Die Mitglieder des FC Basel jedoch scheinen gar nicht erst die Gelegenheit zur vertieften Auseinandersetzung mit der Materie zu erhalten, über die sie befinden müssen. In der Einladung wird lediglich erwähnt, dass es um das «Konzept Zukunft FC Basel 1893» geht. Dass dieses vorgestellt wird und dann zur Beschlussfassung geschritten wird. Weitere Informationen gibt es keine. Sogar der Name Bernhard Burgener kommt nicht vor (auch wenn natürlich längst via Medien bestätigt).

Das ist suboptimal. Der Entscheid pro Burgener kann sich als richtig oder falsch erweisen. Doch lässt sich ohne Vorab-Information nicht behaupten, die Versammlung habe den Entscheid nach reiflicher Überlegung gefällt. Die Legitimation, die sich die alte und die neue Führung bei dieser Abstimmung von den Mitgliedern einholt, ist damit nicht vom selben Gewicht, wie wenn frühzeitig aufgezeigt wird, wofür oder wogegen man sich am Freitag zu entscheiden hat. Zudem wird so der Anschein erweckt, man wolle eine kritische Debatte verhindern, indem man erst an der GV Klartext rede – sodass potenzielle Gegner (zum Beispiel die Muttenzerkurve) gar nicht erst Gelegenheit erhalten, dagegen mobilzu­machen, und das Resultat entsprechend glänzend daherkommt.

Noch weiss keiner, ob Burgener wirklich für Aufbruch steht. Es wird aufgrund von Namen wie Streller und Frei einfach mal angenommen, dass der Basler Touch der Mannschaft wieder stärkeres Gewicht erhält als zuletzt. Und auch andere Dinge sind unklar: Wie denkt Burgener genau über seine Rolle? Wie über das Geld, das im Club ist? Zahlt er sich im Falle des ­wirtschaftlichen Erfolgs etwa Dividenden aus, was der jetzige Verwaltungsrat unterliess? Wird er die Meinung der Mitglieder auch so stark gewichten – etwa dann, wenn es eines Tages um den Weiterverkauf geht? Und was kostet ihn die aktuelle Übernahme?

Letzte Frage mag auf den ersten Blick niemanden etwas angehen. Das Interesse an der Antwort ist trotzdem gross. Weniger, weil man wissen will, was Heusler und Co. erhalten, zumal es nur richtig ist, dass sie für die massive Wertsteigerung des Unternehmens Geld verdienen. Geld, das vom Käufer kommt. Sondern es geht vielmehr darum, dass man wissen will, was Bernhard Burgener dieser FC Basel nicht nur ideell, sondern auch finanziell wert ist, an dessen Spitze er künftig ­steht.?

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