Presseschau

St. Galler Tagblatt vom 01.04.2017

Ein Goalie auf der Achterbahn

David Gadze

Evergreen · Thomas Grüter galt als eines der grössten Goalietalente im Schweizer Fussball. Beim FC St.Gallen erlitt seine junge Karriere Ende der 1980er-Jahre jedoch den ersten Dämpfer.

Als der FC St.Gallen in der Saison 1989/90 mit Iván Zamorano zum Wintermeister stürmt, steht Remo Brügger im Tor. Dabei sollte der Schlussmann eigentlich Thomas Grüter heissen. Ihn hatte der FC St.Gallen zwei Jahre zuvor verpflichtet und sich damit einen der begehrtesten jungen Torhüter der Schweiz gesichert. Doch die sportliche Talfahrt und ein paar Fehler führen dazu, dass Grüter nur während eines halben Jahres und in 25 Spielen für die «Espen» auf dem Platz steht. «Trotz allem möchte ich diese Zeit nicht missen. Ich habe in St.Gallen gelernt, mit Tiefschlägen umzugehen, und dass man sich nicht auf die sportliche Karriere verlassen kann.»

Von der halben Liga gejagt

Thomas Brügger kommt im Sommer 1987 zum FC St.Gallen. Der damals 20-Jährige gilt als grosses Talent. Schon mit 16 Jahren ist er Stammgoalie beim FC Emmenbrücke in der 1. Liga und spielt später für verschiedene Schweizer Juniorenauswahlen. Ihm liegen Angebote von Sion, Luzern, Lausanne, Aarau und Lugano vor. Dennoch entscheidet sich der junge Innerschweizer für den FC St.Gallen, obwohl der Verein damals finanziell schwierige Zeiten durchmacht. «Die Verantwortlichen legten Wert darauf, dass man neben dem Fussball arbeitet. Das war mir wichtig.» So legt Grüter bei der Firma Polygon die Basis für seine spätere Berufslaufbahn.

Seine erste Saison in der höchsten Spielklasse nimmt Grüter als Nummer 2 hinter Bruno Huwyler in Angriff. Im April ist es dann so weit: Im Heimspiel gegen Servette hütet Grüter erstmals das FCSG-Tor und absolviert damit sein erstes Spiel in der Nationalliga A. Bei der 0:2-Niederlage wird er von Karl-Heinz Rummenigge, heute Vorstandsvorsitzender von Bayern München, und John Eriksen bezwungen. Huwyler hingegen wird eröffnet, dass man nach sechs Saisons ohne ihn plane.

«Dann beende ich meine Karriere sofort»

In die Saison 1988/89 geht Grüter als Stammtorhüter. Doch der sportliche Absturz hat Folgen. Zunächst wird Trainer Markus Frei durch Kurt Jara ersetzt. Die Kritik richtet sich auch an Grüter, der einige haltbare Gegentore kassiert. «Vor den Spielen bekam ich nachts Anrufe. Und eines Tages lag ein Paket mit einer toten Krähe in meinem Briefkasten», erzählt er. Auch von den Verantwortlichen wird er öffentlich an den Pranger gestellt. Jara hält zwar zunächst an Grüter fest. Als der FCSG Anfang November nach einer Niederlage gegen YB wieder ans Tabellenende abrutscht, wird Tatsache, was längst im Umfeld gemunkelt wird: Der FCSG holt Bruno Huwyler als Nummer 1 bis Ende Saison zurück, Grüter wird zur Nummer 3 degradiert. In der Winterpause wechselt er leihweise bis Ende Saison zum damaligen B-Ligisten FC Basel, der einen Ersatz für den verletzten Stammgoalie Remo Brügger sucht.

Obwohl Kurt Jara für die folgende Saison nicht mit Grüter plant und dieser um einen definitiven Wechsel zum FC Basel bittet, zieht der FCSG im Mai die Option auf den Goalie. Für diesen kommt eine Rückkehr an die alten Wirkungsstätte nicht mehr in Frage: «Ich fuhr nach St.Gallen, platzte in eine Vorstandssitzung und erklärte, meine Karriere per sofort zu beenden, falls mich der FC St.Gallen nicht freigibt.» Schliesslich einigen sich die Vereine auf einen Tausch: Grüter darf zum FC Basel wechseln, im Gegenzug kommt Remo Brügger aufs Espenmoos.

Vom Fussballer zum Verleger

Beim FCB lanciert Grüter seine Karriere neu. «Mir gefiel es sehr in Basel. Vor allem schätzte ich, dass man Fussballspielern ohne Vorurteile begegnet», sagt er. Mit dem FCB gelingt ihm 1994 die Rückkehr in die Nationalliga A. Er ist zwar nicht Stammgoalie, bleibt dem Club aber bis zu seinem Karriereende treu.

Im Sommer 1997 hängt Thomas Grüter im Alter von 30 Jahren die Fussballschuhe an den Nagel. Er macht sich selbstständig und gründet eine Werbeagentur. Später verlegt er unter anderem das Magazin «50 plus», das inzwischen von Kurt Aeschbacher herausgegeben wird. Dem FC Basel bleibt der heute 50-Jährige jedoch weiterhin verbunden, emotional wie beruflich: Er bringt jahrelang das Matchprogramm des FC Basel heraus und arbeitet unter Christian Gross von 1999 bis 2009 als Goalietrainer. Mit Gross’ Entlassung endet auch Grüters Zeit im Fussballbusiness. Heute konzentriert er sich auf seine Projekte im Verlagsbereich. Das Fussballgeschehen verfolgt Thomas Grüter, der im Basler Vorort Binningen wohnt, nicht mehr sehr intensiv. «Ich habe nicht einmal einen Fernseher.»

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