Presseschau

Schweiz am Sonntag vom 29.07.2017

Der Brillen-Trick

Thomas Renggli

Basel sei Dank! Der Start in die Super League vermittelte das Gefühl, die neue Saison könnte zum Krimi werden. YB zerlegte den ewigen Titelhalter nach allen Regeln der Kunst – und «Züri West» liefert den Refrain zur Berner Glückseligkeit: «Hütt hei sie äbe wieder mau gwunne».

Doch leider ist die Spannung bloss von virtueller Natur – nicht nur, weil YB im Februar 2018 mit mindestens 36 Punkten Vorsprung führen müsste, um letztlich den Meisterkübel zu stemmen. Denn der wichtigste fussballerische Grundsatz bleibt in Stein gemeisselt: «Am Schluss gewinnt Basel.»

Neue Führung hin, Fehlstart her. Wer genauer hinhört, muss eingestehen, dass Harmonie und Eintracht beim FCB bereits wieder auf einem meisterlichen Niveau liegen. Sportchef-Lehrling Marco Streller trat den Journalisten nach der Bauchlandung in Bern mit semi-esoterischer Gelassenheit entgegnet: «Wir bleiben ruhig und optimistisch.» Sein Trainer Raphael Wicky demonstrierte Selbstvertrauen und Zuversicht: «Wir wissen, dass wir gut sind.» Wäre Lothar Matthäus ein Basler, er hätte vermutlich gesagt: «Das Chancen-Plus war ausgeglichen.»

Was aber weit wichtiger ist als die kurzfristige Bestandesaufnahme: Wicky hat über Nacht den Schritt vom Juniorenaufpasser zum Super-League-Strategen geschafft. Um diesen Eindruck zu verschärfen, besorgte er sich in der lokalen Fielmann-Filiale eine Hornbrille und beförderte sich damit auf kurzem Dienstweg zum Fussball-Weisen: Wird der Bauer ein Edelmann, guckt er den Pflug mit der Brille an.

Den Verdacht der Kurzsichtigkeit noch nicht ganz zu entkräften, vermochte dagegen der neue Basler Sturmtank Ricky van Wolfswinkel. Er schien nicht einmal zu sehen, wo im Stade de Suisse die Tore stehen.

Trotzdem ist auch sein Durchbruch bloss eine Frage der Zeit. Denn die Identifikation mit seinem neuen Arbeitgeber geht bis ins eigene Bett. Van Wolfswinkel verwendet ein FCB-Trikot von Marco Streller als Pyjama. Das Textil ist im Tauschverfahren nach einem Europacup-Match in seinen Besitz gelandet. Die Konstellation vermittelt eine natürliche Nähe zum Chef. Bianca Neeskens, die Freundin des FCB-Holländers, soll im Halbschlaf schon öfters «Ich liebe Dich Marco» gehaucht haben. Ricky nimmt’s gelassen. Denn er weiss, dass Loyalität und Treue über allem stehen. Oder wie es Lothar Matthäus sagen würde: «Wir sind eine gut intrigierte Truppe.»

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