Basler Zeitung vom 29.07.2017
FCB-Leihgabe Cedric Itten entwickelt sich beim FC Luzern vom Junior zum Mann
Von Marcel Rohr, Luzern
Provokante Frage gleich zu Beginn des Gesprächs. «Was kann Dimitri Oberlin, was Cedric Itten nicht kann»? Cedric Itten lacht kurz, überlegt jedoch keinen Moment und sagt: «Das weiss ich nicht. Ich weiss aber, dass ich meinen Plan verfolge. Und der stimmt.»
Mit Plänen ist das ja so eine Sache im Fussball. Viele gehen perfekt auf, andere zerbrechen schon nach zwei Torschüssen. Der Plan von Cedric Itten sieht vor, dass er sich beim FC Luzern weiterentwickelt. Und so gut wird, dass er im Sommer 2018 zum FC Basel zurückkehrt. Als fixer Stürmer, der das rotblaue Ensemble bereichert. Vielleicht zusammen mit Dimitri Oberlin. Vielleicht anstelle von Dimitri Oberlin, wer weiss das schon.
Das 19-jährige Talent aus Kamerun und Lausanne ist von FCB-Sportchef Marco Streller jetzt schon berufen worden, jene Lücke im Sturm zu schliessen, die der Abgang des 33-Tore-Duos Doumbia/Janko gerissen hat. Für Cedric Itten dagegen führt der Weg ein weiteres Mal zunächst nach Luzern.
Wenn es aber einen Fussballer aus der Region gibt, der die rotblaue DNA in sich trägt, dann ist es der 20-jährige Allschwiler. Vater Thomas spielte einst mit seinem Bruder Christian, der Götti von Cedric, zusammen mit Adrian Knup und Massimo Ceccaroni bei den Inter-A-Junioren des FCB. Doch aus den grossen Karrieren der Ittens wurde nichts; Götti Christian trat wegen des Berufs kürzer, Cedrics Vater Thomas wechselte zu Baudepartement und einem gewissen Karli Odermatt.
Die ersten Schritte
Dennoch nahmen die Ittens den kleinen Cedric immer mit an die FCB-Spiele ins Joggeli, ihre Stammplätze hatten sie im Stadionsektor B6. Auch die eine oder andere Meisterfeier auf dem Barfüsserplatz erlebte der Junior. Und setzte sich zum Ziel: Dort, oben auf dem Balkon, will ich auch mal stehen! In der vorletzten Saison stand er dann tatsächlich dort oben, mit dem FCB.
Dennoch ist die rotblaue Wunderwelt ein Stück weit weg. In der Swissporarena soll Itten vom Jugendlichen zum Mann reifen. Gewichtsmässig ist schon viel passiert. «Fünf, sechs Kilo bin ich schwerer geworden, vor allem Muskeln sind dazugekommen», berichtet der Angreifer. Im Bereich Schnellkraft hat er enorme Fortschritte gemacht. «Die Mitspieler», berichtet FCL-Co-Trainer Patrick Rahmen, «spielen nicht gerne gegen Cedric. Er ist athletisch und tut den anderen weh.» Itten ist weder Filigrantechniker noch Künstler, der die Bälle aus einem Zylinder zaubert. Eher ein tüchtiger Arbeiter, der sich für keinen Meter zu schade ist und dorthin geht, wo es wehtut, in den Strafraum des Gegners. Dort bereitete er am letzten Sonntag den 1:0-Siegtreffer von Tomislav Juric gegen Lugano vor – ein eminent wichtiges Tor für die Zentralschweizer, nachdem sie in der Europa League früh hängengeblieben waren. Itten sagt: «Ich habe hier gemerkt, wie wichtig der eigene Körper im Fussball ist. Ich arbeite mich Stück für Stück nach vorne.» Es ist der Plan der kleinen Schritte.
Letzte Saison war er noch die Nummer drei im FCL-Angriff. Nach dem Abgang von Torjäger Marco Schneuwly hat es Luft gegeben ganz vorne, Luft für Itten. Bei allen körperlichen und spielerischen Fortschritten, die auszumachen sind – viel Luft nach oben hat Itten in Sachen Toreschiessen. Itten braucht zu viele Chancen für ein Goal. Drei Volltreffer sind es bislang für Luzern in 32 Liga-Spielen. Für den FCB traf er einmal, beim 4:1-Sieg in Lugano am 13. April 2016.
Die letzte Geste vor dem Tor ist bekanntlich die Schwierigste. Itten weiss, dass er auch daran arbeiten muss. «Tore schiessen», findet er, «hat viel mit Erfahrung zu tun. In der Super League kommst du oft nur einmal pro Match zum Schuss – der muss dann halt sitzen.» Und es sei halt schon ein grosser Unterschied, ob 300 oder 30 0000 Zuschauer im Stadion sitzen und zuschauen. Von wegen Druck und so.
Die Premiere im Joggeli
Am Sonntag werden es eher 30 000 als 300 Menschen sein, die Itten zuschauen, wenn er im St.-Jakob-Park aufläuft. Es wäre eine Premiere, wenn er von Beginn an spielt. In der letzten Saison war er einmal krank, einmal kam er zu einem Teileinsatz. Selbstredend, dass es schwierige 90 Minuten werden könnten. Doch Itten glaubt daran, im Joggeli zu punkten. «Wille und Ehrgeiz sprechen für uns. Der Teamgeist ist exzellent.»
Natürlich wäre es wunderbar, er könnte ein Tor schiessen, ausgerechnet vor den Augen jenes Mannes, der lange sein Vorbild war: Marco Streller. Ein bisschen Eigenwerbung, und dann werden sie vielleicht schon bald wieder zusammen der Frage nachgehen, was Dimitri Oberlin hat, was Cedric Itten nicht hat. Und Antworten finden.