Basler Zeitung vom 25.09.2017
BaZ-Buvettengespräch: FCB-ler Massimo Ceccaroni und Grossratspräsident Joël Thüring über Männlichkeit und Tränen
Von Nina Jecker und Dominik Heitz
BaZ:
Wir sitzen hier, um mit Ihnen über das Mannsein und Schönheitswahn zu sprechen. Hand aufs Herz, wie lange haben Sie heute morgen im Bad verbracht?
Massimo Ceccaroni: Höchstens 20 Minuten. Da ich ja nicht so eine Haarpracht habe, geht das bei mir relativ zügig. Da reicht Duschen, und fürs Gesicht habe ich eine Crème. Das ist das Einzige, was ich benütze. Und jeden dritten, vierten Tag kommt noch das Rasieren dazu.
Joël Thüring: Bei mir ist das ähnlich. Auch ich muss meine Haare ja nicht einmal föhnen. Und seit einem Jahr trage ich einen Bart, da geht das Ganze noch schneller.
Den Bart muss man ja aber auch trimmen und pflegen ...
Thüring: Dafür gehe ich alle zwei Wochen zum Barbier.
Ceccaroni:
Im Ernst?
Thüring:
Klar. Da mache ich dann 20 Minuten die Augen zu, lehne mich zurück und entspanne mich. Danach ist mein Bart wieder in Form.
Herr Thüring, warum haben Sie sich für den Bart entschieden? Steht er für Sie auch für Männlichkeit?
Thüring:
Ich wollte es letzten Sommer mal ausprobieren, und in meinem Umfeld kam der Bart gut an. Und ja, wenn ich mir Fotos von davor anschaue, denke ich schon, dass ich mit Bart etwas männlicher wirke.
Ceccaroni:
Also ich könnte das ja nicht. Ab dem dritten Tag beginnt das doch zu jucken, der vierte Tag ist dann ganz schlimm.
Thüring:
Das vergeht. Spätestens am achten Tag ist es wieder ok.
Ob mit oder ohne Bart – sind Sie beide zufrieden mit Ihrem Spiegelbild?
Ceccaroni:
Damit befasse ich mich gar nicht so sehr. Männer schauen sich da anders an als Frauen. Ich suche im Spiegel nicht nach einer neuen Falte im Gesicht. Man hat einfach so ein Ritual: Duschen, Gesichtscrème, Sachen packen und los.
Ist das nicht auch eine Generationensache? Junge Männer verbringen doch sehr viel Zeit vor dem Spiegel.
Ceccaroni:
Da hat sich definitiv etwas geändert. Ich merke das auch bei unseren jungen Fussballern. Die sind teilweise schon sehr eitel und springen einem Ideal hinterher. Da werden Augenbrauen gezupft und Beine rasiert.
Sind Fussballer nicht sowieso eitel?
Ceccaroni:
Da ist schon etwas dran. Das hängt wohl damit zusammen, dass man nach dem Training viel Zeit hat, um vor dem Spiegel zu stehen. Sport bedeutet ja allgemein, auf den eigenen Körper zu achten. Der Körper ist ein Motor, der eben nicht nur nach innen, sondern auch nach aussen wirkt. Das hat auch die Pflegeindustrie erkannt und bombardiert einen ständig mit neuen Produkten.
Haben die Werber damit bei Ihnen Erfolg? Wie suchen Sie denn Ihre Gesichtscrème aus?
Ceccaroni:
Es muss eine Kombination sein aus Feuchtigkeit, nicht fettend und am besten auch noch Anti-Aging. Ich habe auch gern, wenn die Crème gut riecht. Was mich selber irritiert, ist, dass ich schon ein bisschen auf Marken schaue.
Herr Thüring, was lassen Sie an Ihre Haut?
Thüring:
Gar nichts. Nur im Sommer etwas Sonnencrème. Im Sommer braun zu sein, ist mir wichtig. Dafür gehe ich viel an die Sonne und helfe ein wenig nach.
Mit Solarium oder Selbstbräuner?
Thüring:
Weder noch, aber es gibt eine Crème, die das Bräunen unterstützt oder dieses verlängert. Wenn ich braun bin, fühle ich mich besser, das sieht attraktiver und gesünder aus.
Ceccaroni:
Das kenne ich. Wenn ich in den Ferien richtig braun bin, finde ich, das sieht schöner aus.
Was tun Sie sonst noch fürs Aussehen; wann haben Sie zum Beispiel das letzte Mal Sport getrieben?
Ceccaroni:
Letzte Woche war ich Joggen. Das mache ich etwa zweimal pro Woche und dazu mache ich auf dem Fussballplatz mit, wenn ich die Jungen trainiere.
Thüring:
Ich betreibe wirklich gar keinen Sport. Ich habe zwar ein Fitnesscenter-Abo, aber das benutze ich ausschliesslich für die Sauna, das Schwimmbad und den Whirlpool. Früher habe ich mal Tennis gespielt, doch das ist länger her. Aber ich gehe viel zu Fuss.
Den eigenen Körper durch Sport optimieren – war das nie ein Thema?
Thüring:
Im Vergleich zu Massimo bin ich natürlich nicht so sportlich und entsprechend auch nicht so gebaut. Aber ich bin doch noch relativ gut in Form. Ich habe jedenfalls keinen dicken Bauch.
Würden Sie sich wie andere bürgerliche Politiker in den Badehosen zeigen?
Thüring:
Das wär nicht so meine Sache. Ich schwimme zwar gerne im Rhein, bin dann aber immer einer der ersten, der sich das T-Shirt wieder anzieht. Ich schäme mich nicht, aber man muss mich nicht unbedingt oben ohne und nur in Badehosen sehen.
Was würden Sie an Ihrem Aussehen verändern, wenn es einfach möglich wäre?
Ceccaroni:
Jetzt in meinem Alter nichts mehr. Vielleicht gab es das früher einmal. Es ist eine grosse Veränderung, wenn man mit dem Leistungssport aufhört und gleichzeitig auch älter wird. Dazu kommt, dass man die schönen Dinge, die man als Profi nicht tun durfte, nachholen will. Nur hat das eine gewisse Konsequenz: Der Körper reagiert und sieht nicht mehr gleich gut aus. Zuerst wollte ich mit Ernährung oder mehr Training dagegen ankämpfen. Aber irgendwann entwickelt man einen anderen Bezug zum Körper, wird entspannter. Ich habe aber schon den Anspruch, fit zu sein und entsprechend einigermassen auszusehen. An irgendwelche Beauty-Operationen dachte ich aber nie.
Herr Thüring, was könnte eine gute Fee für Ihre Optik tun?
Thüring:
Ich würde nichts ändern wollen, wäre aber froh, es würden nicht noch mehr Haare ausfallen.
Ist es ein schlimmer Moment im Leben eines Mannes, wenn die Haarpracht lichter wird?
Thüring:
Nicht so sehr. Ich hatte das ja schon relativ früh, also mit Anfang 20. Fies finde ich hingegen, dass stattdessen mittlerweile an anderen Stellen plötzlich Haare wachsen (zeigt auf seinen Rücken).
Ceccaroni:
Das kenne ich! Die kommen plötzlich überall raus.
Wachsen lassen oder entfernen?
Thüring:
Ich entferne sie. Noch schaffe ich das selber, später würde ich auch zur Kosmetikerin gehen dafür.
Gibt es für Sie einen idealen Mann, was Aussehen angeht?
Thüring:
Ich glaube nicht, dass es ein Idealbild gibt. George Clooney beispielsweise, finde ich, ist eher Durchschnitt, aber sehr sympathisch. Das macht ihn insgesamt attraktiv.
Ist Attraktivität denn eine Charakterfrage?
Ceccaroni:
Das zu verbinden, finde ich schwierig. Bei einem Mann kommt es aber schon darauf an, dass man die positiven und weniger positiven Spuren des Lebens in einem Gesicht sieht. Die neue Hollywood-Generation beispielsweise – da sehen doch alle gleich aus: breitschultrig, Sixpack, Dreitagebart. Charakter und Individualität fehlt ihnen aber. Es gibt viele Filmschauspieler, die ich toll finde, die jetzt ins Alter kommen. Bruce Willis beispielsweise, dem merkt man an, dass sein Leben nicht immer schön war.
Hat also Lebenserfahrung mit der Wirkung eines Mannes zu tun?
Ceccaroni:
Ja, sie macht ihn interessanter. Männer sind sowieso eher interessant, der Begriff Schönheit trifft eher auf Frauen zu.
Ob schön oder interessant – wofür bekommen Sie Komplimente?
Thüring:
Am häufigsten für meine blauen Augen. Schon als Kind war das so.
Ceccaroni:
Ein schönes Kompliment ist, wenn man Leute antrifft von früher, die sagen, man sehe heute besser aus als damals. Das hat eben mit dem Alter zu tun, dass man mehr Züge im Gesicht hat. Ich sehe das auch an mir selber – am Morgen im Spiegel. Dann sehe ich, was mich in letzter Zeit stark beschäftigt hat. Nicht an den Falten, aber am Ausdruck, den man morgens hat. Ist es ein fröhlicher, ein nachdenklicher, einer mit Perspektiven, ein verbitterter?
Welcher ist es denn bei Ihnen?
Ceccaroni:
Einer mit Lösungsansätzen. Mit sehr viel Blick in die Zukunft. Sicher nicht verbittert, aber zwischendurch gab es das auch.
Abgesehen von Bizeps und Sixpack – was ist für Sie Männlichkeit?
Thüring:
Man kann auch ohne dicken Bizeps männlich sein. Durch Kleidung oder das Verhalten. Es ist das Gesamtpaket, das überzeugend daherkommen muss.
Ceccaroni:
Männlichkeit definiert sich bei mir nicht über den Körper, sondern eine gewisse Verantwortung. Nicht beruflich, sondern der Partnerin und der Familie gegenüber. Männlichkeit ist auch, wenn man als Mann auch mal Schwäche zeigen kann und trotzdem diese Verantwortung übernimmt. Immer den Starken zu spielen finde ich hingegen total unmännlich.
Wann haben Sie sich zum letzten Mal schwach gefühlt, sogar geweint?
Ceccaroni:
Das ist noch gar nicht so lange her. Der Grund waren familiäre Probleme. Da darf man auch mal weinen; ich persönlich tue das aber, wenn ich alleine bin, nicht in der Öffentlichkeit. Wichtig ist für mich, dass ein Mann nach einem Moment der Schwäche wieder Verantwortung übernimmt und nach Lösungen sucht.
Haben Sie als Mann denn einen Beschüzterinstinkt?
Ceccaroni:
Auf jeden Fall, besonders was meine Familie angeht. Früher musste der Mann ja seine Familie körperlich verteidigen, heute ist es eine Kombination zwischen körperlicher und intellektueller Stärke.
Thüring:
Ich habe auch den Reflex, andere zu schützen. Da ich alleinstehend bin und keine Kinder habe, betrifft dies aber eher meinen Kollegenkreis. Da gibt es auch manchmal Situationen, die mich betroffen machen und die mich dann lange Zeit beschäftigen. Weinen tue ich da weniger. Das kommt wohl auch aus meiner Kindheit. Als Scheidungskind musste ich häufig funktionieren. Aber ich finde wie Massimo, dass Tränen dazu gehören. Bei mir kommen sie aber eher bei einem traurigen Film.
Ceccaroni:
Das kann ich mittlerweile auch zulassen. Früher hätte ich mich geschämt, im Kino nasse Augen zu bekommen. Heute ist mir egal, was Fremde von mir denken.
Egal um was es geht? Als Trainer der jungen FCB-Kicker sind Sie auch ein Vorbild.
Ceccaroni:
Ja, das ist mir schon nicht ganz egal, wie man mich draussen sieht. Wenn ich in der Steinenvorstadt sitze mit Kollegen und weiss, dass bald die jungen Fussballer vom Training hier durchkommen, dann bestelle ich das Bier lieber erst danach.
Herr Thüring, auch als Grossratspräsident kann man sich keine Aussetzer erlauben. Ein Stress?
Thüring:
Ich schaue schon, dass ich Alkohol auch eher einmal im privaten Rahmen trinke. Aber da habe ich mich schon immer wohler gefühlt.
Was ist der grösste Unterschied zwischen Männern und Frauen?
Ceccaroni:
Frauen sind viel genauer, sie können stärker in Details hineingehen und sich darauf konzentrieren. Frauen sehen auch sehr viele Dinge, die Männer gar nicht wahrnehmen. Beispielsweise im Haushalt. Da ist dem Mann doch egal, wo welches Kissen liegt. Eine Frau sieht viel besser, wie etwas besser wirkt. Es ist schön, wenn man als Mann auf solche Dinge aufmerksam gemacht wird. Ausserdem verkörpert eine Frau Schönheit, ohne dass ich Frauen darauf reduzieren möchte, im Gegenteil.
Thüring:
In der Politik haben wir dieses Genderthema immer wieder. Für mich spielt es überhaupt keine Rolle, ob jemand ein Mann oder eine Frau ist, wenn die Person kann, was gefragt ist. Ich glaube aber, Frauen schauen mehr auf ihr Äusseres als Männer, selbst die angeblich uneitlen. Und das ist auch gut so, denn eine Frau, die sich toll anzieht, ist halt schöner anzuschauen als eine, die sich keine Mühe gibt. In Beruf oder Politik ist das Geschlecht für mich aber kein Thema.
Hatten Sie schon mal eine Situation, in der Sie gerne eine Frau gewesen wären?
Beide:
Nein!
Ceccaroni:
Ich habe gar nie so weit gedacht. Ich bin gerne Mann, definitiv!
Thüring:
Absolut!