Presseschau

Basler Zeitung vom 22.12.2017

Für immer rotblau

Das Basler Bestattungsinstitut Bürgin & Thoma hat für den zwölften Mann im Stadion den Bebbi-Sarg entworfen

Von Alessandra Paone

Basel. Für Heinrich Ueberwasser ist Fussball ein Gemeinschaftserlebnis, das die Akteure über den Tod hinaus miteinander verbindet. Dieser Gedanke und das Motto des FC Basel, «FCB – für immer rotblau», veranlassten den Basler SVP-Grossrat im vergangenen Frühling dazu, eine Interpellation zu diesem Thema einzureichen. Er fragte die Regierung nach der Möglichkeit einer thematischen Grabstätte auf dem kantonalen Friedhof am Hörnli oder dem Wolfgottesacker für die Anhänger des FC Basel. Baudirektor Hans-Peter Wessels zeigte sich offen für Ueberwassers Anliegen und sagte, dass grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden wäre. Auf den Basler Friedhöfen gebe es schon lange verschiedene Nutzungsrechte bei Familiengrabanlagen.

Die Aussicht auf ein Fangrab blieb in der Bestattungsbranche nicht unbeachtet. Von Ueberwassers Vorschlag inspiriert, liess das Basler Unternehmen Bürgin & Thoma einen Sarg und eine Urne in Rotblau, den Farben des FC Basel, herstellen. Es sei die Idee ihres Vaters gewesen, sagt Jana Thoma, Mitglied der Geschäftsleitung. Als sie im letzten Frühling erlebte, wie jemand im FCB-Trikot und mit Fanschal beerdigt werden wollte, wurde ihr klar, dass ihr Vater mit seinem Vorhaben ein gutes Gespür gehabt hatte. Sie geht mit ihrem Mann und ihrem Sohn oft an Spiele des FC Basel und bekommt dort hautnah mit, wie eng die Region Basel und deren Bewohner mit dem Club verbunden sind.

Eine Urne für den Vater

Jana Thoma sitzt an diesem Nachmittag im Dezember im Kundenraum ihres Bestattungsinstituts an der Rittergasse in Basel. Hinter ihrem Schreibtisch steht ein Regal mit verschiedenen Urnen, in denen später die Asche der Verstorbenen aufbewahrt werden soll. Der Gedanke daran mag verstörend sein, der Anblick der meist unifarbenen oder nur dezent verzierten Behälter ist es nicht. Vielmehr erinnern sie an eine Ausstellung in einem Museum für Gegenwartskunst. Ein rotblaues Exemplar sticht zwischen zwei schwarzgoldenen Urnen hervor. «Bebbi-Urne» steht auf einem kleinen, weissen Schild geschrieben. Sie ist aus massivem Buchenholz und kostet 450 Franken.

Bürgin & Thoma hat die Bebbi-Urne im September in ihr Sortiment aufgenommen. Kaum eingeführt, wurde sie auch schon verkauft. Ein Herr sei zur Bestattungsbesprechung zu ihnen ins Geschäft gekommen, erzählt Jana Thoma, und habe die Urne zufällig gesehen. «Er sagte, sie passe perfekt zu seinem Vater, der schon als Kind zu jedem Spiel des FC Basel gegangen sei und ein grosser Fan des Clubs war.»

Der Sarg, er heisst passend zur Urne Bebbi-Sarg, ist eine italienische Ausführung aus massivem Tannenholz, gekehlt und mit Kissen ausgepolstert. Er wird rotblau lackiert und kostet 2300 Franken. Jana Thoma rechnet mit einer bescheidenen Nachfrage. Einerseits, weil Erdbestattungen rückläufig seien. Andererseits, weil für Kremationen die meisten den einfachen Staatssarg wählten, der vom Kanton kostenlos zur Verfügung gestellt wird. «Die Leute geben nicht gerne Geld aus für einen Sarg, der dann verbrannt und mit dem Inhalt zu Asche wird», sagt Thoma. Auf dem Friedhof am Hörnli gilt ausserdem der Grundsatz, dass im Tod alle gleich sind. Deshalb wird der Sarg während der Abdankung bis zur Beisetzung mit einem Tuch bedeckt.

Gegen kommerzielle Verwendung

Zuerst wollte Bürgin & Thoma den Sarg und die Urne mit dem FCB-Logo versehen. Da es sich aber beim FCB-Logo um eine geschützte Marke handelt, hätte das Bestattungsunternehmen eine Lizenz für rund 10 000 Franken lösen müssen. «Das ist viel Geld, vor allem, wenn man nicht weiss, wie das Angebot bei den Kunden ankommt», sagt Thoma. Sie hätten sich deshalb auf die Farben rot und blau beschränkt. «Wir haben uns noch überlegt, die Zahl Zwölf draufzumalen – symbolisch für den Fan, den zwölften Mann im Stadion.»

Remo Meister, Kommunikations-Verantwortlicher des FCB, bestätigt die Anfrage von Bürgin & Thoma. Tatsächlich sei es grundsätzlich so, dass wenn das FCB-Logo für den kommerziellen Gebrauch vorgesehen sei, man es mit einer Lizenz-Situation zu tun habe. Zwischen dem Lizenznehmer und dem FCB müsse deshalb eine Vereinbarung getroffen werden. Allerdings habe der Club das Bestattungsinstitut darauf hingewiesen, dass ein derart sensibles Thema wie der Tod keinesfalls mit einer kommerziellen Angelegenheit vermischt werden dürfe.

Anders ausgedrückt: «Wenn es im Einzelfall der letzte Wunsch eines Verstorbenen wäre, sich mit einem FCB-Logo bestatten zu lassen, würde der FC Basel 1893 diesen Wunsch selbstverständlich respektieren und käme gerne entgegen», sagt Remo Meister. Schliesslich zeige dies die tiefe Verbundenheit, die zwischen einem Fan und dem Club bestehen kann. Das freue und ehre den FCB sehr. «Was wir aber nicht wollen würden, wäre etwa eine Massenproduktion von rotblauen Särgen mit dem FCB-Logo – das wäre zu kommerziell und nicht emotional motiviert.»

Die enge Beziehung zum eigenen Club über den Tod hinaus ist in fussballbegeisterten Ländern weitverbreitet. Der elfjährige Rhys Jones aus Liverpool wurde in einem Sarg in den Farben und mit dem Emblem seines Lieblingsclubs FC Everton in die Kathedrale getragen. Er war auf dem Heimweg vom Fussballspielen erschossen worden. Im deutschen Gelsenkirchen existiert seit 2012 auf dem Sutumer Friedhof das Schalke-Fanfeld. Die Gemeinschafts-Grabstätte, wo die Anhänger des FC Schalke 04 ihre letzte Ruhe finden, ist einer Stadion-Optik nachempfunden. Der walisische Traditionsclub Swansea City nahm 2005 bei seinem Umzug ins neue Stadion die toten Fans mit. Rund 50 Urnen, die vorher unter dem Rasen des Vetch Field begraben lagen, wurden exhumiert und am neuen Ort erneut beigesetzt.

Die von der Basler Zeitung angefragten offiziellen Fanclubs des FC Basel reagieren eher zurückhaltend auf die Nachricht eines Fansargs oder einer Fanurne. «Ich frage mich, ob es nicht andere Themen gibt als den FCB, wenn man am Ende seines Lebens angelangt ist», sagt Marco Gürber, Präsident des Fanclubs Basilisk. Streng genommen müsste es auch eine Ikea-, Migros- oder eine Ovo-Urne geben, je nach Gewohnheiten der Verstorbenen. Mit der Idee eines Fangrabs kann sich Gürber noch eher anfreunden, weil bei diesem das gemeinsame Erlebnis der Fans auch nach dem Tod weitergeführt werde.

André Mathys, Präsident des Fanclubs Orgesiss, lacht, als er vom Bebbi-Sarg hört. Er muss an seine Frau denken. «Sie würde das nie verstehen, wenn ich in einem rotblauen Sarg bestattet würde», sagt er. Mathys kann sich aber durchaus vorstellen, dass es Fans gibt, die sich das wünschen. Vor allem für Menschen, die es schwierig haben im Leben, seien der FCB und das ganze Umfeld existenziell.

FCB erst auf dem zweiten Blick

Heinrich Ueberwasser freut sich, dass die Bestatter seine Fussballgrab-Idee aufnehmen und dazu Särge und Urnen gestalten. Im neuen Bestattungsgesetz sollen Angebote geschaffen werden: «Das Basel gesellschaftlich prägende Gemeinschaftserlebnis Fussball soll im Hörnli in einer pietätvollen Grabanlage Wertschätzung erfahren, zum Andenken an Verstorbene und nicht zur Huldigung von Fussballclubs oder Stars», sagt der SVP-Grossrat.

Ueberwasser denkt zum Beispiel an ein Fussball-Wiesengrab, das künstlerisch mit wenigen Elementen zu ergänzen und leicht zu pflegen wäre. Das Fan-Grabfeld soll pietätvoll sein und zum Rest des Friedhofs passen. Man soll erst auf dem zweiten Blick merken, dass es um Fussball geht – «wenn man sich die Zeit lässt, vor einem Grab innezuhalten». Nach dem Grundsatz: Im Tod sind alle gleich – im Herzen mancher ein FCB-Fan.

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