Basler Zeitung vom 14.04.2018
Wie ein glücklicher Zufall aus der Ärzte-Familie Marti eine rotblaue Fussball-Familie machte
Von Tilman Pauls und Oliver Gut
Muttenz. Zu dritt waren sie jetzt schon länger nicht mehr im Stadion. Max hat inzwischen Probleme mit den Stufen im St.-Jakob-Park und die Angestellten am Einlass erkennen ihn auch immer seltener. Walter geht zwar noch ab und zu, wenn das Wetter stimmt, aber auch bei ihm macht sich so langsam das Alter bemerkbar. Und Felix, der muss eh ständig arbeiten, während der FCB spielt.
Wenn man mit den ehemaligen und aktuellen Ärzten Max, Walter und Felix Marti über ihre Beziehung zum FC Basel sprechen will und damit auch über ihre persönliche Geschichte, dann bietet es sich an, sie in Muttenz zu besuchen. Dort ist es ruhiger, es gibt mehr Abstand zum lärmigen Stadion, und abgesehen davon würden die 90 Spielminuten ja ohnehin nicht reichen, wenn die drei erst mal angefangen haben zu erzählen.
Da sitzen sie nun, am Küchentisch von Max Marti, feinsäuberlich aufgereiht nach ihrem Geburtsjahr. Ganz links der Gastgeber, Max, 1917, und im Alter von 100 Jahren wohl der älteste ehemalige FCB-Mitarbeiter, der noch lebt. In der Mitte Walter, der jüngere Bruder, 1919, der auch nicht mehr so weit von seinem 100. Geburtstag entfernt ist. Und auf der rechten Seite dann Felix, der im letzten November 65 geworden ist und langsam über das nachdenken könnte, was nach seinem Berufsleben auf ihn wartet. Allerdings ist es in seinem Fall wohl eher so, dass der Ruhestand noch einige Jahre auf ihn warten muss.
Zusammen sitzen dort 263 Lebensjahre, was alleine ja schon beachtlich genug wäre. Aber in ihrem Fall sind es auch knapp 70 Jahre in Diensten des FC Basel. Denn wenn sich bei den Baslern im Laufe der Vereinsgeschichte schon so viel geändert hat, die Namen der Spieler, der Trainer und auch der Präsidenten, so ist seit über 50 Jahren eines immer gleich geblieben, nämlich der Name des Mannschaftsarztes: Marti.
Die Diagnose von Max Marti
«Wir drei haben über 40 Prozent der Vereinsgeschichte miterlebt», sagt Felix Marti und man könnte seinen Stolz in diesen Momenten in Flaschen abfüllen. «Ich kann mir kaum vorstellen, dass es noch viele andere Familien gibt, die das von sich behaupten können. Das gibts ja eigentlich gar nicht.» Und wenn die drei Martis jetzt dort sitzen und von früher, ganz früher und noch ein bisschen früher erzählen, dann hört es sich so an, als habe es einfach so kommen müssen mit ihnen und dem FCB. Dabei war es ein Zufall, dass aus der Ärzte-Familie Marti auch eine Fussball-Familie wurde.
Am Anfang dieser Geschichte steht die «Walliser Kanne», so wie die «Walliser Kanne» am Anfang von unzähligen anderen Geschichten in der Stadt steht. Es ist im Jahr 1967. Wann genau, das weiss Max Marti nach all den Jahren selbst nicht mehr. Jedenfalls sitzt FCB-Trainer Helmut Benthaus im Restaurant in der Gerbergasse, in jener Ecke, in der die Spieler und Verantwortlichen des FCB immer sitzen. Es ist nicht mehr lange bis zum Cupfinal gegen Lausanne-Sport, der in einem legendären Sitzstreik der Romands enden wird. Die Basler haben einige verletzte Spieler, darunter auch den deutschen Stürmer Helmut Hauser. Das Problem ist nur, dass keiner weiss, woran dieser eigentlich leidet.
Auf Empfehlung des Basler Coaches Ruedi Wirz und vom «Kanne-Walter» Kurt Walter landen die Röntgen-Bilder beim ausgebildeten Gynäkologen Max Marti, der sich mit einem der Kollegen berät. Ihnen ist sofort klar, was Hauser fehlt. Wenig später steht er wieder auf dem Platz und erzielt im Cupfinal die beiden Tore für die Basler.
Max Marti muss schmunzeln, wenn er zurückdenkt an diese Zeit, in der nicht nur Basel ein anderes war, sondern auch die restliche Welt. «Natürlich sind wir in den Jahren zuvor mal zu einem Spiel auf den Landhof gegangen. Wir haben auch mitbekommen, dass der FCB 1953 den Titel gewonnen hat. Aber richtige Fans waren meine Familie und ich nicht.» Das ändert sich erst, als Benthaus nicht mehr mit der medizinischen Abteilung zufrieden ist und sich auf die Suche nach einem neuen Arzt macht. «Als er mich gefragt hat, ob ich nicht zufällig einen geeigneten Arzt kenne, da habe ich mich einfach selbst vorgeschlagen», sagt Max Marti.
Eigentlich wollte er den Job nur vorläufig machen, «nur für kurze Zeit». Er konnte ja nicht ahnen, dass ihn später auch noch sein Bruder Walter unterstützen und beerben würde. Und er wusste erst recht nicht, dass sein Neffe Felix dereinst mal Teamarzt der Basler werden würde. Wie hätte er auch?
Doch während Felix Marti von klein auf als Fan des FCB aufwächst, mit dem Vater in die Kabine spazieren darf, die Basler Heimspiele auf dem Bahndamm verfolgt und weint, wenn die Rotblauen mal ein Spiel verlieren, müssen Walter und Max Marti die Anziehungskraft dieses Vereins erst erlernen.
«Es ist schwer zu sagen, was genau mich am meisten fasziniert hat. Ich habe einfach gerne für den FCB gearbeitet. Es war eine Ehre», sagt Walter Marti heute. Wie sein Bruder bemerkt auch er bald, was es bedeutet, mit einem Fussballclub unterwegs zu sein. Der Umgang mit den jungen Sportlern, das ständige Hin und Her zwischen Erfolg und Misserfolg, und nicht zuletzt auch das (damals noch bescheidene) Rampenlicht.
Denn mit der Zeit werden nicht mehr nur Helmut Benthaus oder Karli Odermatt vor dem Stadion oder in der Stadt erkannt, sondern auch die Ärzte. «Von einigen Zuschauern im Joggeli habe ich später Spitznamen bekommen, die mit meinen weissen Haaren zu tun hatten», sagt Walter Marti.
Die Kinder der FCB-Spieler
Wenn die Basler ins Trainingslager reisen oder im Ausland spielen, dann ist immer auch ein Marti dabei. «Ich weiss noch, wie wir 1970 in Moskau gegen Spartak spielten», erzählt Walter Marti, jetzt, da er in Muttenz sitzt und einige der Geschichten wieder hört, die er selbst miterlebt hat. «Ich habe vom FCB Geld bekommen, um mit den Spielern eine Tour durch die Stadt zu machen. Aber als wir etwas essen wollten, hatten wir nichts mehr.» Also macht sich der Mannschaftsarzt auf eigene Faust auf die Suche nach dem Schweizer Restaurant, von dem er im Vorfeld zufällig gehört hat. Er handelt mit den Besitzern einen speziellen FCB-Preis aus «und dann habe ich jedem Spieler das nötige Geld aus der Tasche gezogen».
Max und Walter verwachsen immer mehr mit dem Verein. Die Spieler kommen in Walters Praxis in Muttenz, in die sie zum Teil heute noch kommen. Und wenn Max Marti erzählt, die Kinder von welchen Spielern er damals auf die Welt begleitet hat, dann hört sich das mehr nach einer Nostalgie-Mannschaft an als nach der Arbeit eines Frauenarztes. «Ich habe oft gehört, ich hätte mich nur um die Tschutti-Frauen gekümmert, aber das war stets ein Scherz», sagt er.
Weil der Verein eine immer grössere Rolle im Leben der Martis einnimmt, ist es irgendwann auch völlig normal, dass Walter Marti am Morgen um 5 Uhr die Praxis öffnet, am Nachmittag mit dem Flugzeug nach Genf fliegt und sich dort in ein Taxi setzt, damit er pünktlich zum Anstoss im Stadion sein kann. «Ich habe nie gefragt, ob ich die Spesen für diese Reisen zurückbekomme. Max und ich haben uns doch gefreut, dass wir überhaupt dabei sein durften. Wir haben dem FCB nie eine Rechnung gestellt.»
Es ist diese Mischung aus Dankbarkeit und tiefster Verbundenheit, die er und sein Bruder auch an die nächste Generation weitergeben.
Die Shorts von Helmut Benthaus
1979, knapp drei Jahre, bevor Max sich endgültig vom FCB zurückzieht, ist erstmals auch Felix mit dabei. Der steht zu diesem Zeitpunkt zwar kurz vor dem Staatsexamen und kann es sich eigentlich nicht erlauben, mit dem FCB nach Haiti ins Trainingslager zu fliegen. Aber Walter und Max sind in der Praxis mit den übrigen Patienten ausgelastet. Und für Felix gibt es ohnehin nichts Grösseres. Natürlich sagt er zu.
Der einzige Kommentar von Trainer Benthaus zum Wechsel in seiner medizinischen Abteilung: «Wenn der Kleine so gut ist wie sein Vater und sein Onkel, dann kann er gerne mitkommen.»
Zwar liegt in der Karibik die halbe Mannschaft mit Magen-Darm-Problemen im Bett und Marti eilt von einem Zimmer zum nächsten, damit der FCB wenigstens genügend Spieler fürs Training hat. Aber abgesehen von diesen kleinen Startschwierigkeiten ist der «Kleine» so gut, dass er beim FC Basel unzählige Trainer und zahlreiche Clubführungen überdauern wird.
Wenn Felix Marti mal angefangen hat zu erzählen, was er alles mit dem FCB erlebt hat, dann ist es ein beeindruckender Schnelldurchlauf durch die jüngere Geschichte. Es beginnt mit den letzten Ausläufern der Benthaus-Ära, mit Trainingslagern und Testspielen in Singapur oder Kuala Lumpur, in Mexiko City und New York, Penang, Acapulco, Barbados oder auf den Grand Bahamas. Es geht um auf der Reise verschollene Koffer und einen Helmut Benthaus, der in Shorts am Zoll steht und sich bei der Kontrolle gar nicht mehr beruhigen will. Da sind Fahrten über «Strassen» mit Schlaglöchern und Trainings bei 40 Grad im Schatten. «Ich könnte ganze Bücher füllen mit den ganzen Geschichten, die ich mit dem FCB erlebt habe.»
Ein noch grösserer Teil handelt aber eben auch vom sportlichen Abstieg und den Zeiten, in denen die medizinischen Probleme innerhalb des Clubs noch die kleinsten sind. Zeiten, in denen der FCB froh sein kann, dass die Ärzte keine Rechnungen stellen und nie auf die Idee kommen, einen Lohn für ihre Arbeit zu fordern. Zeiten, in denen der Club so kurz vor dem Aus steht, dass selbst die kleinsten Verletzungen derart «streng» begutachtet werden, dass die Krankenkasse die Kosten übernimmt.
«In dieser Zeit war es überhaupt nicht mehr angesehen, wenn man für den FC Basel gearbeitet hat. Einige in der Stadt wollten ja sogar, dass uns die Lizenz entzogen wird. Damals haben alle zu mir gesagt: Was machst du überhaupt noch da? Du musst schauen, dass du dort wegkommst», sagt Felix Marti.
Aber er will nicht weg. Wie könnte er «seinen» FCB zurücklassen, als es um dessen Existenz geht? Die Martis sind nach vielen schönen und nicht zuletzt erfolgreichen Jahren schon zu tief in der rotblauen Leidenschaft gefangen. Und so wie viele andere den Verein in diesen schweren Zeiten unterstützen, helfen auch die Martis.
Das Problem in der Ära Gross
Verbände, Tapes und auch Medikamente werden nicht verrechnet, «das war unsere Art des Sponsorings.» Felix Marti gewinnt den inzwischen verstorbenen Physiotherapeuten Christoph Schmeitzky für den FCB, als alle anderen Kandidaten geflüchtet sind – zu den Old Boys oder sonst wohin. Schmeitzy arbeitet in der Folge noch viele Jahre für die Basler und stellt später kostenlos die Angestellten für den Club ab. Und auch als die Equipe in Valencia mal nicht aus dem Trainingslager abreisen kann, weil das Hotel nicht gezahlt ist, greift der Arzt in die eigene Tasche.
«Für mich war das gar keine Frage. Der Club hat mir und meiner Familie schliesslich so viel gegeben. Wir waren immer in der ersten Reihe dabei, das ist doch lässig. Das Geld für das Trainingslager habe ich übrigens Jahre später erstattet bekommen, als René C. Jäggi von dieser Geschichte erfahren hat», erzählt Felix Marti. Aber zu diesem Zeitpunkt sind die finanziell schlimmsten Zeiten bereits überstanden.
Es scheint undenkbar, dass sich ein Club von einem loyalen Mitarbeiter wie Marti einfach so verabschiedet. Ebenso unvorstellbar wie ein FCB ohne Gusti Nussbaumer wäre. Aber einmal ist es fast so weit, dass der Arzt sich von dem Club trennt, an dem er so hängt. Es ist nicht, weil die «harten Hunde» Friedel Rausch oder Jörg Berger mit dem Arzt und seiner Arbeit unzufrieden sind, mit den Trainern hat keiner der drei Martis je ein Problem. «Aber am Anfang der Ära von Christian Gross gab es einen Zeitpunkt, an dem ich nicht mehr das Vertrauen der gesamten Vereinsleitung gespürt habe», sagt Felix Marti.
Es ist zu der Zeit, in der mit Thomas Schwamborn ein neuer Arzt zum Verein stösst. Es soll damals Differenzen und Unzufriedenheiten innerhalb des Teams gegeben haben, was die medizinische Betreuung angeht. Was genau passiert und wie knapp Marti damals vor einem Abschied vom FCB stand, will er lieber nicht mehr erklären. Zu lange sei es her. Aber spätestens als er von den Baslern zum Ehrenmitglied ernannt wird, sind die Differenzen überwunden.
Der Vertrag für Felix Marti
2013 wird dann auch offiziell nachgeholt, was in all den Jahren offenbar vergessen ging. «Unter der Führung von Bernhard Heusler habe ich dann meinen ersten Vertrag mit dem FC Basel unterschrieben» – nach fast 35 Amtsjahren. Und so ist es, dass Marti im Jahr 2018 und im Verbund mit den zwei anderen Teamärzten Markus Weber und Markus Rothweiler noch immer für den Club arbeitet. Während der FCB auf seinen 125. Geburtstag zusteuert, ist Marti in seinem 40. Dienstjahr, reist noch immer mit zu den Spielen, und tackert – wenn es denn sein muss – einem Spieler in der Champions League vor Millionen von Zuschauern eine Platzwunde.
Und trotzdem ist ein Ende der Marti-Dynastie in Sicht. Zwar hat Felix keine Pläne, die Basler zu verlassen. Er fühlt sich noch immer gesund. Doch die nächste Generation steht nicht bereit. Kinder wären da, das ist nicht das Problem. Aber keiner von ihnen hat Medizin studiert und könnte den Weg des Vaters einschlagen. Und auf die Enkelkinder zu warten, das dürfte zu lange dauern.
Also geniessen Max, Walter und Felix Marti die Momente, in denen sie gemeinsam über alte Zeiten plaudern und sich am FCB erfreuen. Ob Rotblau gewinnt oder verliert, ist nicht mehr so wichtig, ihre Verbindung zum Verein hat sich längst von den Ergebnissen emanzipiert. Sie haben Dauerkarten im A3, gleich nebeneinander. Gemeinsame Stadionbesuche sind selten geworden, aber die Lust darauf ist nach all den Jahrzehnten ungebrochen. Der 100-jährige Max Marti sagt: «Wenn sie ein Geländer neben den Stufen anbringen, komme ich vielleicht wieder öfter.»
Max Marti (100)
Die Bücher des Bruders. Im Gegensatz zur nächsten Generation war für Max und Walter Marti der Weg in die Medizin nicht vorgezeichnet: Vater Leo war kaufmännischer Angestellter beim Verband Schweizerischer Konsumvereine (VBZ), aus dem später der Coop hervorging. Gebürtige Basler, wuchs die siebenköpfige Familie ab 1925 im frisch errichteten Freidorf-Areal in Muttenz auf – der ersten Schweizer Komplettsiedlung mit 150 Häusern und eigener Schule, die nach dem Ersten Weltkrieg von VBZ-Patron Bernhard Jäggi initiiert wurde, um den Mitarbeitern günstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Der Erstgeborene strahlt, wenn er aus jener Zeit erzählt. «Uns nannte man die Freidorf-Buben; Walter und ich waren damals dabei, als die Tramschienen mit Schmierseife präpariert wurden. Das Tram kam nicht mehr den Berg hoch, es gab einen Rückstau, während in Pratteln ein Fest war – und es entstand ein ziemliches Chaos.»
Anders als für Walter war für Max lange Zeit nicht klar, dass er Mediziner wird. Er orientierte sich in Richtung Chemie und entdeckte seine Berufung erst, als er in den Schulbüchern des jüngeren Bruders schmökerte. Als Gynäkologe arbeitete er am Basler Frauenspital, als er 1967 durch die Verletzung von Helmut Hauser eher zufällig zum FC Basel fand (vgl. Text). Obwohl Rotblau schon zuvor auf Ärzte zurückgriff, gilt Max als erster Teamarzt der Clubgeschichte. Weil er im Frauenspital keine Spieler empfangen konnte, schickte er sie in die Praxis von Bruder Walter und holte den Allgemeinmediziner gleich mit ins Boot. Max Marti begleitete den FCB bis zum Beginn der 80er-Jahre. Bis heute wohnt er in Muttenz, in der Nachbarschaft von Neffe Felix, am Fusse des Wartenbergs. An jenem Berg, wo Vater Leo einst ein Wochenend-Haus am Waldrand baute. Inzwischen erweitert, wird dieses ebenfalls von einem Verwandten bewohnt, weshalb die Martis den Wartenberg gerne «Martiberg» nennen. olg
Walter Marti (98)
Der Mangel an Alternativen. Wer Walter Marti fragt, warum er überhaupt Arzt geworden ist, der erhält eine ziemlich simple Antwort: «Es gab nichts anderes.» Jedenfalls nicht für ihn, war doch für Walter schon früh klar, welchen Beruf er erlernen würde. Dies, obwohl Vater Leo anderes mit ihm im Sinn, ihm bereits eine Stelle beim VBZ bereit gehalten hatte. Zumal er der Meinung war, sich ein Studium für «das Genie der Familie», wie Max Marti seinen Bruder nennt, nicht leisten zu können. Walter Marti jedoch verfolgte sein Ziel beharrlich und mit viel Eigeninitiative: Er reklamierte an der Universität Basel erfolgreich seine Herkunft als Bürger von Basel, womit er von den horrenden Kosten befreit war, die ein Studium für einen Baselbieter mit sich gebracht hätte und ging fortan seinen Weg.
Ganz aus dem Nichts kam Walter Marti nicht auf dieses letztlich entscheidende Argument: Aus demselben Grund war er zuvor schon der erste im Baselbiet wohnhafte Junge gewesen, der das Basler Gymnasium am Münsterplatz besuchen durfte. «Bereits als Zehnjähriger fuhr ich jeden Tag mit dem Velo ans Gymeli», erinnert sich Walter. Wobei das mit «jeden Tag» nicht ganz stimmt: Hatte ihn Vater Leo an seinem ersten Schultag noch nach Basel begleitet, erinnerte sich Klein Walter am zweiten Tag nicht mehr an seinen Schulweg und verpasste die Lektionen.
Selbst derjenige, der andere belehrt, war Marti zuweilen bei seiner Zeit beim FCB. «Ich habe mich manchmal über den Schiedsrichter aufgeregt», sagt der Arzt und hält seine Brille so in die Luft wie damals, als er dem Unparteiischen mit bissigem Humor die Sehhilfe zur Verbesserung der Spielleitung anbot.
Walter Marti trat beim FCB Ende der 1980er-Jahre kürzer. Da hatte er bereits zehn Jahre mit seinem Sohn Felix zusammengearbeitet, wobei die Praxis von der Basler Feierabendstrasse an die Muttenzer Schützenhausstrasse gewechselt hatte – dorthin, wo Walter Marti bis heute wohnt. olg
Felix Marti (65)
Der Traum vom Pilot. Dass Felix Marti schon als Junge FCB-Fan war, ist klar. Medizin-Fan jedoch wurde er erst nach bestandener Matur. Ursprünglich hegte er einen ganz anderen Berufswunsch: Felix Marti wollte ganz hoch hinaus –und Pilot werden. Immerhin: Als Arzt des FC Basel ist er viel geflogen. Und hat dabei auch ein paar ungewöhnliche Dinge erlebt. Am spektakulärsten war für ihn wohl die Europa-League-Reise nach Sankt Petersburg im Frühjahr 2013, als der heutige Arsenal-Spieler Mohamed Elneny während des Hinflugs infolge einer Unterzuckerung das Bewusstsein verlor und der Pilot sich für eine Notlandung entschied. Felix Marti stabilisierte den Ägypter zwar im Handumdrehen, doch konnte das Prozedere nicht mehr abgebrochen werden, weshalb auf dem Berliner Flughafen eine Armada von Krankenwagen, Feuerwehr- und Polizeiautos den Flieger in Empfang nahmen und Elneny zum Aussteigen zwingen wollten. Marti persönlich musste mit seiner Unterschrift dafür garantieren, dass der Weiterflug möglich war.
Es ist dies eine von unzähligen Geschichten, die Felix Marti erzählen kann. Nicht nur aus dem Fussball, dem er aktiv auf dem Eisweiher in Riehen frönte, wo er als einziger Medizinstudent mit den Unikollegen Christoph Eymann, Carlo Conti, Ueli Vischer und auch Karl Schweizer oder Marcel Ospel dem runden Leder nachjagte, sondern auch aus dem Tennis: Fast so lange, wie er Club-Doc beim FCB ist, firmiert der dreifache Familienvater auch als Turnierarzt der Swiss Indoors. Mit seinen inzwischen 35 Jahren an der Seite von Roger Brennwald ist er der mit Abstand dienstälteste Mediziner auf der gesamten ATP-Tour.
Es ist nicht das Einzige, was Felix Marti seinen Vorgängern an Erfahrung voraus hat. Denn auf die Frage, wer von den drei FCB-Ärzten eine sportmedizinische Ausbildung absolviert hat, schütteln die beiden älteren Semester nur den Kopf und sagen unisono: «Das gabs damals noch gar nicht.» olg