Basler Zeitung vom 20.07.2018
Zdravko Kuzmanovics Irrfahrt führt wieder nach Basel – kommt er nun doch noch an?
Von Oliver Gut
Basel. Eigentlich soll ja alles anders werden. Doch im Moment ist es gerade wieder so, wie es war. Zdravko Kuzmanovic ist verletzt. Diesmal ist es etwas mehr die Wade und etwas weniger die Achillessehne. Eine Verhärtung, zugezogen im Testspiel vor einer Woche gegen den FC Aarau. Nach nur 13 Minuten im Spiel war Schluss. Und seither ist Zdravko Kuzmanovic für den FC Basel wieder das, was er fast immer war, seit er im Sommer 2015 vom grossen Inter Mailand kam: eine Belastung.
Böse Zungen behaupten, es habe ihn in der Wade gezwickt, als er festgestellt habe, mit wem er da auf dem Platz steht. Lauter Junioren vor, hinter, neben ihm. Der Routinier mit zehnjähriger Ausland-Erfahrung in Deutschland, Italien und Spanien nur mit jenen auf dem Platz, die das Kader ergänzen? Und all das, während die Wichtigeren später am Tag gegen Feyenoord Rotterdam testen? Das entspricht nicht dem Selbstverständnis eines Kuzmanovic. Da macht er lieber nicht mit.
Ungefähr so dürfte sich dies der eine oder andere zusammenreimen. Und es kommt nicht von ungefähr. Denn die Geschichte von Zdravko Kuzmanovic und dem FC Basel ist eine schwierige. Das beginnt bereits im Teenageralter. Vom Nachwuchs des BSC Young Boys zum FC Basel gestossen, hat er seine erste Saisonhälfte in der Startformation der Profis hinter sich. Er schlägt eine Vertragsverlängerung aus, um im Januar 2007 den ersten Verlockungen aus dem Ausland zu erliegen. Er will mit 19 zu Palermo. Jedenfalls so lange, bis er die Koffer gepackt hat. Dann wechselt er den Berater und wird aus Palermo plötzlich die AC Fiorentina.
Die Toskaner zahlen ordentlich. Rund drei Millionen Euro fliessen vom Arno an den Rhein. Doch die Ereignisse werfen ein schiefes Licht auf den aufstrebenden Fussballer. Dass er sich wenig später entschliesst, für Serbiens Nationalteam aufzulaufen, nachdem er bis in die U21 das Schweizer Kreuz trug, macht es nicht besser.
Psychologie und Psyche
Doch die Zeit spielt für Kuzmanovic. Und Kuzmanovic spielt erst zweieinhalb Jahre für Florenz, dann dreieinhalb Jahre für Stuttgart und zweieinhalb Jahre für Inter. Dann tritt beim FC Basel Marco Streller als Stürmer, Leader und Identifikationsfigur zurück, wittert YB seine Chance und bläst zum Angriff.
Beim FC Basel ist inzwischen längst Bernhard Heusler Präsident. Und unter ihm lassen Repliken nicht lange auf sich warten: Der FCB geht in die Transfer-Offensive – und das psychologisch beste Mittel, um den Bernern die Fanfaren zu stopfen, heisst Kuzmanovic. Dieser forciert in Mailand seinen Abgang zu Basel derart, dass die Ablöse mit etwas mehr als einer Million Franken gering ausfällt. Weniger gering ist das Salär: Damit Kuzmanovic einigermassen ins Lohngefüge passt, wird ihm ein Fünfjahresvertrag angeboten. Sein jährliches Fixum soll dennoch 1,5 Millionen Franken betragen. Mindestens.
Es ist ein Transfer-Coup, der seine Wirkung auf den Gegner nicht verfehlt, aber sich trotzdem als Missverständnis herausstellt. Zdravko Kuzmanovic, der im Berner Oberland aufwuchs und nie richtig Basler war, soll die neue Integrationsfigur werden. Es sind nicht die FCB-Verantwortlichen, die dies lautstark proklamieren. Sondern es ist der Spieler selbst. Kuzmanovic wird nicht müde, zu betonen, dass der FCB eine Herzenssache sei. Er spricht davon, dass er die Mannschaft zu weiteren Titeln führen will. Und er untermauert dies mit seinem Verhalten: Neben dem Platz ist er ein Vielredner. Darauf zeigt er sich mit schwarzen Schuhen, die so «Old School» sind, dass sie schon wieder extravagant wirken. Er fordert jeden Ball. Dirigiert. Kommentiert. Kritisiert. In einem Training kanzelt er einen jungen Spieler, der ihn duzt, mit «Für dich immer noch Herr Kuzmanovic» ab. Und als Trainer Urs Fischer ihn daran erinnert, dass ein defensiver Mittelfeldspieler auch verteidigen muss, gibt er diesem zu verstehen, dass er für das Lenken des Spiels zuständig sei.
So entpuppt sich als Anfang einer Irrfahrt, was Kuzmanovic als Beginn einer neuen Ära verstanden hatte. Anspruch und Wirklichkeit halten sich nicht die Waage. Er verletzt sich früh, zeigt danach keine Geduld – und im Januar 2016 reist er plötzlich aus dem Trainingslager in Marbella ab, um sich leihweise Udinese anzuschliessen. Nach nur einem halben Jahr.
Einsparen und eingestehen
Kuzmanovic stösst damit Verantwortliche und Fans nach all den Treueschwüren vor den Kopf. Dass es so schnell kein Zurück geben wird, ist klar. Und dass er aus der Ferne um Verständnis wirbt, indem er alles auf ein Problem zwischen ihm und Urs Fischer reduziert, hilft auch nicht. Im nächsten Sommer geht es einzig darum, Kuzmanovics Salär einzusparen. Und auch im Sommer darauf – inzwischen hat die Clubführung gewechselt – ist es nicht anders. Beide Male bietet sich der FC Malaga als grosszügige Leihlösung an.
Seit drei Jahren steht Zdravko Kuzmanovic inzwischen beim FC Basel unter Vertrag. Es sind drei verlorene Jahre für den Spieler. «Es sind zwei verlorene Jahre», sagt der Spieler selbst. Er meint Malaga,wo er nur auf zwölf Einsätze kam. Im ersten Jahr riss die Achillessehne am rechten Bein ganz. Im zweiten Jahr riss die Achillessehne im linken Bein halb. Bis er wieder fit war, stand Malaga bereits als Absteiger fest.
Die erste Zeit in Basel und Udine sei nicht schlecht gewesen. Mehr mag er nicht darüber reden. Immerhin lässt er durchblicken, dass er ungeduldig war. Und immerhin redet er, nachdem er im Vorjahr schwieg. Denn es ist wieder Zeit vergangen. Genug Zeit, um unter dem Eindruck einer titellosen Saison einen Neuanfang zu wagen.
Zdravko Kuzmanovic sitzt in der Lobby des Mannschaftshotels in Rottach-Egern. Es ist mal wieder Trainingslager. Und es ist der vierte Sommer, in dem Kuzmanovic zum FCB zurückgekehrt ist. Doch diesmal, um zu bleiben. «Wäre es anders, würde ich jetzt nicht hier sitzen und reden.»
Wird er nach langer Odyssee doch noch in Basel ankommen? Zdravko Kuzmanovic spuckt keine grossen Töne. «Ich bin jetzt 30», sagt er. Es wirkt so, als meint er, dass dieses Alter vor Torheit schützt. Ruhiger sei er geworden, die Verletzungen hätten ihn dies gelehrt. Und was ist mit den Erwartungen an seine Rolle? «Ich will helfen und weiss, dass ich Zeit brauche.»
Aufbau und Aufgabe
Dasselbe sagt auch sein Trainer beim FC Basel. Der heisst inzwischen Raphael Wicky. «Wir wollen Zdravko behutsam dorthin führen, wo er uns helfen kann. Und zwar nicht nur ab und zu.» Er sagt aber auch: «Zdravko weiss, dass er nicht erwarten kann, dass er von Anfang an spielt.» Ein Problem damit hat Wicky beim Routinier bisher keines ausmachen können.
Doch kann Kuzmanovic nach Jahren ohne regelmässige Spielpraxis überhaupt noch einmal der Kuzmanovic sein, der er war und der ihm eine schöne Karriere beschert hat? Der Spieler selbst hat da keine Zweifel: «Das Selbstvertrauen ist noch das gleiche.» Nur das Selbstverständnis womöglich nicht. Jedenfalls widerspricht Kuzmanovic der Feststellung nicht, dass es für ihn auch um seine berufliche Zukunft geht. Er muss erst wieder beweisen, dass er den Anforderungen des Profifussballs noch gerecht wird. Zwei Vertragsjahre hat er dafür noch Zeit. Dann ist er 32.
Der Weg dazu scheint weit. Das kann man schon am Tegernsee sehen. Dass Kuzmanovic danach gegen Aarau ausscheidet, bestätigt den Eindruck. Doch immerhin streikt die Wade. Nicht der Kopf, wie es böse Zungen behaupten.
Zdravko Kuzmanovic ist verletzt. Damit ist er für den FC Basel eine Belastung. Im Moment ist es also gerade wieder so, wie es war. Und doch wird vielleicht alles anders.