Presseschau

Basler Zeitung vom 04.12.2018

Marcel Koller gibt Rätsel auf

Ob Fitness, Taktik oder Identifikation – in vielen Bereichen ist der FCB-Trainer undurchsichtig

Von Marcel Rohr und Tilman Pauls

Basel. Ende Juli sagte Sportchef Marco Streller einen Satz, der die Verantwortlichen des FC Basel längst eingeholt hat: «Die nächste Patrone muss sitzen.»

Vier Monate später muss man sich fragen: Ist Marcel Koller, der Nachfolger von Raphael Wicky und Strellers «letzte Patrone», tatsächlich der richtige Trainer für den FC Basel? Der 58-jährige Zürcher verweist auf den Faktor Zeit, die ihm im St.-Jakob-Park nicht ausreichend eingeräumt wird. Doch bei 19 Punkten Rückstand auf Leader YB und Tabellenplatz 4 mutiert der Trainer Koller immer mehr zum Rätsel – eines, das bald gelöst werden sollte, will der FCB zurück in die Erfolgsspur finden.

Rätsel Fitness

Es war ein Satz, der aufhorchen liess: «Wir sind im konditionellen Bereich nicht auf dem Level, den es braucht», sagte Koller nach dem 1:3 gegen YB. Er sagte diesen Satz nach vier Monaten in Basel, nach 21 Spielen und nach drei Länderspielpausen. Koller verwies zwar zu Recht darauf, dass es nicht einfach sei, in der laufenden Saison Dinge zu korrigieren, die in der Vorbereitung falsch gelaufen sind. Zumal dann, wenn der Vorgänger sich einen neuen Staff hat zusammenstellen lassen. Und trotzdem muss man festhalten, dass die Trainingssteuerung offensichtlich nicht funktioniert. Und für die ist in letzter Instanz der Trainer verantwortlich.

Gegen die Berner war es besonders auffällig: Während die Sieger, die unter der Woche gegen Manchester United in der Champions League gespielt haben, vor Kraft strotzten, sagte Verteidiger Silvan Widmer, dass er nach 90 Minuten auf veränderter Position «platt» sei. Konditionelle Probleme hatte Sportchef Marco Streller schon zu Beginn der Saison angedeutet, als er nach dem zweiten Saisonspiel gegen Xamax sagte: «Mir ist auch aufgefallen, dass einige der Spieler nach 70 Minuten abgebaut haben.» Eine Aussage, die jetzt, Anfang Dezember, immer noch gültig ist.

Zusätzlich fällt auf, dass die Basler wieder vermehrt mit Verletzungen zu kämpfen haben. Aktuell fallen sechs Spieler aus. Auch das ist nicht nur Koller anzulasten. Aber es zeigt ebenfalls: Die Trainingssteuerung funktioniert nicht.

Rätsel System

4-2-3-1. Das sind seit dem Amtsantritt die bevorzugten Zahlen des Trainers, der sich europaweit nicht unbedingt den Namen gemacht hat, taktisch flexibel zu agieren. Doch in den letzten beiden Super-League-Spielen erfand sich Koller ein Stück weit neu. In Luzern stellte er auf 4-1-4-1 um und beorderte Valentin Stocker ins zentrale offensive Mittelfeld. Taulant Xhaka, der zuvor wochenlang Innenverteidiger war, gab den einzigen «Sechser» vor der Abwehr.

Noch viel tiefer griff Koller vor dem YB-Spiel in die Taktikkiste, indem er eine Dreier-Fünferkette wählte. Xhaka spielte in der Defensive, Fabian Frei war plötzlich Spielmacher, Aldo Kalulu an der Seite von Albian Ajeti. Resultat: Eine Halbzeit lang gefiel der FCB durchaus, weil er mit Leidenschaft verteidigte. Doch als Eder Balanta vom Platz musste, wurde aus Spielmacher Frei wieder der Verteidiger Frei und das Basler Offensivspiel zerfiel.

Mit den Systemwechseln schaffte es Koller bislang höchstens, sein Team zu verwirren – aber nicht den Gegner.

Rätsel Personalwahl

Es ist das Grundrecht eines Trainers, die Spieler auf jene Positionen zu stellen, die er als richtig erachtet. Doch es erstaunt halt schon, wenn sich in einem entscheidenden Europa-League-Match Spielmacher Samuele Campo am rechten Flügel wiederfindet. Dort hat sich Koller längst für Ricky van Wolfswinkel entschieden – was sogar vereinsintern höchst kritisch registriert worden ist, denn der Holländer ist zu langsam für diese Position. Ein richtiges Hin und Her ist zwischen zentraler Abwehr und Mittelfeld zu beobachten.

Mal muss Xhaka in der Abwehr ran, dann rückt er nach vorne, um gegen YB als Teil einer Dreierkette in einer neuen Rolle zu wirken. Bei Balanta war es umgekehrt: Zuerst schien der Kolumbianer zu ungestüm für die Abwehr, dann fand er sich im Mittelfeld wieder, um später wieder die ewige Baustelle in der Innenverteidigung zu beheben. Das Bäumlein-wechsel-dich-Spiel hat wohl längst auch Frei satt; der Captain wird seit Monaten über den Platz geschoben. Seltsam war auch die Personalie Raoul Petretta: Wochenlang wurde der Italo-Deutsche links hinten nicht mehr gebraucht; gegen YB stellte ihn Koller im neuen System wieder auf.

So kann sich die Mannschaft in ihrer aktuellen Situation nicht finden.

Rätsel Jugend

Raphael Wicky hat die wichtigsten Vorgaben an einen Basler Trainer mal ziemlich prägnant auf den Punkt gebracht: «Verkleinern, verjüngern, verbaslern.» Das sind die Eckdaten, die im Konzept «Für immer rotblau» festgehalten sind. Zwar hat sich der Verein mit der Verpflichtung Kollers ein Stück weit von diesen Idealen verabschiedet. Aber Koller hat mehr als ein Mal betont, dass er das Konzept des Vereins mittrage. Auf der anderen Seite hat er auch oft betont, dass die jungen Spieler Zeit bräuchten.

Mit dem Resultat, dass sich viele der Spieler in dieser Saison kaum markant verbessert haben. Das hat auch mit der Gesamtsituation zu tun. Jedoch auch damit, dass sie oftmals keine Chance erhalten. Eray Cömert und Albian Ajeti kommen immerhin zu Einsätzen, so auch Kevin Bua vor seiner Verletzung oder zuletzt Blas Riveros. Aber was ist mit Dimitri Oberlin, Samuele Campo, Noah Okafor? Es wirkt so, als würde Koller Routine bevorzugen.

Und die bisher einzige Verpflichtung unter Koller sagt auch viel darüber aus, wie weit der Verein inzwischen von den eigenen Vorgaben entfernt ist: Carlos Zambrano ist schliesslich weder jung noch aus der umliegenden Region.

Rätsel Identifikation

Am 3. August sass Marcel Koller zum ersten Mal im St.-Jakob-Park vor den Mikrofonen und erzählte begeistert von der Fussballstadt Basel. Vier Monate später muss man festhalten, dass der Trainer nicht in Basel angekommen ist. Er wirkt auch nach den Spielen häufig distanziert, irgendwie dabei, aber nicht mittendrin in der rotblauen Welt.

Nicht sein Hoheitsgebiet ist die Medienarbeit, die er auf das Wesentlichste beschränkt. Bei kritischen Journalisten lässt er auch mal einen Termin platzen, um zu zeigen, was er von ihrer Arbeit hält. Das muss nicht grundfalsch sein, aber Nähe und Akzeptanz schafft der Zürcher so nicht. Der erfahrene Coach sollte wissen, dass die Presse immer eine Brücke zur Aussenwelt darstellt. Die Fans reagieren mit feinen Sensoren. Sie können sehr schnell sehr gut einschätzen, wie authentisch ein Trainer rüberkommt.

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